Der Ritt auf der vierten Welle des neuen deutschen Totalitarismus – aktuelle Skizzen aus einem kranken Land

Beim Elbspaziergang fotografiere ich im Vorübergehen das Werk eines Sprayers mit Seltenheitswert: “KEINE Impferpressung”. Zu uns gesellt sich ein älterer Mann, der vom unbotmäßigen Graffito ebenfalls ein Foto macht. “Passen Sie aber auf, dass Ihr Bild nicht in falsche Hände gerät!”, raune ich ihm zu, um zu sehen, was passiert. “Es gab mal Zeiten”, antwortet er bedächtig, “da hat man solche Leute isoliert und kaltgestellt. Das waren bessere Zeiten.” Und schon ist er fort. Das Wort “kaltgemacht” ist ihm nicht über die Lippen gekommen.

Ein ehemaliger und vielleicht zukünftiger Spitzenpolitiker, dessen Namen ich verdränge, hat kürzlich 2G am Arbeitsplatz gefordert – “mit allen Konsequenzen”. Die fürchterlichen Einpeitscher und Durchgreifer sind nur ein Prozent aller Menschen im Land: Politiker, Journalisten, Pharmalobby, Wissenschaftsprofiteure, Klerus nicht zu vergessen. (Hier wäre übrigens das Gendersternchen einmal überall angebracht.) Aber ihnen stehen alle Kanäle, Mikrofone und Lautsprecher offen, deshalb klirren und dröhnen sie wie 99 Prozent.

Bald sind alle Corona-Impfgegner von allen Bereichen des öffentlichen und des Arbeitslebens ausgeschlossen. Die Geimpften sind dann unter sich und tummeln sich auf Märkten, in Clubs, S-Bahnen, Saunen, Büros, Fabriken, Lokalen, Fußballstadien, auf Flughäfen, Parties und Empfängen der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dort überall verbreiten sie das Virus untereinander, da auch die Impfung nicht Infektion und Übertragung verhindert, sondern lediglich schwere Erkrankungsverläufe. Und auch die nur, wenn der Impfschutz nicht bereits wenige Monate nach Injektion weitgehend abgeklungen ist, was sich mehr und mehr abzeichnet. Es kommt zu Abertausenden von “Impfdurchbrüchen” (= Impfversagen) mit teils schweren Gesundheitsfolgen. Verständnisfrage: Müssen nun auch alle Geimpften vom Leben konsequent ferngehalten werden? Und durch wen dann noch? Androiden?

Wer in dieser Zeit nicht krank wird, ist entweder Löwe oder Esel.

“Pandemie und trotzdem da – durchgeimpfte Antifa”, druckt die Bewegung neuerdings mit dem Bild einer doppelten Spritze auf ihre schwarzen Uniform-T-Shirts: Loyalitätsbekundung, Bereitmeldung und Drohformel in einem. Wird die Impfpflicht eingeführt und reichen die regulären Exekutivorgane nicht zu deren Durchsetzung aus, stünde dieser formierte Mob auf einen Wink der Herrschenden hin bereit, um erkannte Verweigerer der Spritze zuzuführen.

Bei schönem Wetter zeigt jeder Staat ein freundliches Gesicht. Der Lackmustest für eine Gesellschaft besteht darin, ob sie in der Krise demokratischer Grundrechts- und Verfassungsstaat bleibt oder sich in etwas anderes verwandelt.

Gute Menschen gewinnen letztlich auch auf dem Elbwanderweg die Meinungsschlacht. Auf diesen Bänken hatte vermutlich derselbe Sprayer zersetzende Inschriften zur Coronapolitik hinterlassen, etwa “HEIL MASKE”. Den Guerillaverbänden des demokratischen Widerstands gelang es, dies subversiv mit “HEIL trägt MASKE” zu entgiften. Der spätpubertären Verbalattacke “DROSTEN PFOSTEN” wurde ein antifaschistischer Schutzwall aus “DROSTEN Ultras” entgegengestellt. In drei Monaten könnte dasselbe Bild bereits so aussehen: alle Bänke gründlich von Farbe befreit, an jeder ein kleines Messingschild mit der Aufschrift “Nur für Geimpfte”.

Die Ex-negativo-Definition des Begriffs “Pressefreiheit”: Freiheit von Presse. Die Vorteile des Ausblendens und Stummschaltens deutscher Medien aus Gründen der Psychohygiene sind weniger Nervenflackern und mehr Verlass auf die eigenen fünf Sinne. Man nimmt das Gesicht aus dem Handy und blickt wieder um sich. Man traut wieder seiner eigenen Wahrnehmung. Man gleicht wieder ab: Wie müsste eine Welt voller ungeimpfter Schwerkrimineller aussehen, dass sie Tagesthemenkommentare wie die derzeitigen rechtfertigen würde? Wie sieht die Realität um mich herum stattdessen aus? Der Nachteil dieser Art von Pressefreiheit: Man wird von der Dynamik des Ge- und Verbotsgeschehens täglich neu kalt erwischt. Aber auch das schärft den Sinn für das “new normal” und hält den Geist wach für adaptives Handeln.

Gedankenaustausch mit einem, der einer wirklichen Risikogruppe angehört und seit Corona in fast völliger Zurückgezogenheit lebt. Impfgegner hält er für maximal verantwortungslos und ist mit seiner Geduld am Ende. Aber er unterstützt den Störschreiber-Aufruf von TWASBO. Unter größtem inneren Druck hält er ein Denken aufrecht, das extrem rar geworden ist: über Tellerränder, Kirchtürme und Clan-Gebietsgrenzen hinaus. Kleines, gewaltiges Hoffnungslicht in der großen Dunkelheit.

Wir erleben gerade eine Pawlowsche Massenkonditionierung. Mit jedem Zücken des Handys, um per App das Privileg der U-Bahn-Benutzung oder des Weihnachtsmarktbesuchs gegenüber Kontrolleuren zu rechtfertigen, gewöhnt sich eine ganze Bevölkerung an die Normalität der Social Scorecard. Der New Green Deal lautet: Teilhabe nur gegen digital dokumentiertes Wohlverhalten. Nächster Testfall: “Klima”. Nächste Eskalationsstufe: Bankkonto.

Sonntagsfrage an Max und Martina Mustermann: Wollen Sie wirklich in dieser neuen Welt leben, die Sie durch unterlassenen Widerpruch, Wahlverhalten oder aktives Befürworten bis hierher mitgestaltet haben, die von selbst nie wieder verschwinden wird und die sich eines Tages ganz unerwartet mit aller Gewalt gegen Sie selbst wenden kann?


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