Der Bundesminister für globale Transformation und Klima-Extremismus vollzieht nicht nur die Energiewende. Auf der Flucht vor zornigen Bauern ging er jetzt auch mit einer Nordseefähre auf Umkehrkurs. Den Schauplatz für den Showdown im Wattenmeer wählte der Kinderbuchautor nur scheinbar zufällig – in Wahrheit folgte er einem Skript aus der Literatur.
„Es kam nur alle Jubeljahre vor, dass im kleinen Fährhafen von Schlüttsiel an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste einmal ein Streifenwagen über die schmale Asphaltstraße kam und die Deichkrone erklomm. Warum auch? Schlüttsiel war gleichbedeutend mit Ereignislosigkeit – vom Kommen und Gehen der Gezeiten und der Hallig-Fähren einmal abgesehen.“
Eigentlich gehört es sich nicht, aus seinem eigenen Buch zu zitieren. Aber da mich die politischen Ereignisse vom vergangenen Donnerstag als einen visionären, ja prophetischen und dabei so bescheiden gebliebenen Autor markiert haben, erteile ich mir meine eigene päpstliche Ausnahmegenehmigung. Die Schilderung der ländlichen Idylle von Schlüttsiel stammt nämlich aus meinem 2021 im Hamburger Charles-Verlag erschienenen Satireroman Wattenstadt. Kenner literarischer Spannungsbögen ahnen es bereits: Die Beschaulichkeit wird, fast wie im richtigen Leben, schon im übernächsten Absatz empfindlich gestört werden.
„Und nun reihten sich vierzehn grüne Personentransporter mit aktivierten Blaulichtern auf der Deichstraße aneinander. Sperren und Kontrollpunkte an mehreren Stellen. Bereitschaftspolizei aus Kiel und Hamburg in Kampfstiefeln und weißen Helmen bildete eine menschliche Sperrkette bis hinunter zu den Fähren.“
Neben nachrückenden Einsatzhundertschaften strömen im Buch auch die Übertragungswagen der großen TV-Sender hinterm Deich zusammen, um live über eine beispiellose Zusammenrottung in der Provinz zu berichten: Der Parkplatz am Schlüttsieler Fährhaus, der allerunwahrscheinlichste Ort für einen Polit-Krawall, ist zum Sammelplatz einer anarchischen Protestbewegung geworden.
Der Mob steht im Roman kurz davor, die Fähre zu den Halligen zu entern – nicht unbedingt in der Absicht, auch den Fahrpreis zu entrichten. Vielmehr wollen die Anarchisten und Radikalen einen Mann aufhalten, der im Begriff steht, den Frieden im Watt durch unvorstellbar arrogante Eingriffe in die beschauliche und leidlich funktionierende Gesellschaftsordnung zu zerstören. Der Superschurke vom Festland plant, die störrische Bevölkerung der küstennahen Halligen gegen deren Willen bis zur Unkenntlichkeit zu transformieren, um sie angeblich zukunftsfähig zu machen. Widerspruch kennt der in Berlin bestens vernetzte Egoman und Besserwisser nicht. Seine Vision ist progressiv, sein Wille ist Gesetz. Es muss zuletzt zum großen Showdown kommen.
Zugegeben, hier enden zunächst die Parallelen des Romans zu Robert Habeck und seiner Flucht vor zornigen Landwirten auf einer Fähre nach Hallig Hooge. Bitte, ich kann ja nun nicht jeden Plot-Point der Wirklichkeit wortwörtlich drei Jahre vorhersehen. Und selbst als Satiriker mit „Titanic“-Vergangenheit hätte ich es mir damals noch nicht ausdenken können, dass diese Wirklichkeit meinen irren Roman-Protagonisten einmal links liegenlassen würde. Ich konnte noch nicht wissen, dass tatsächlich schon bald ein Großer Transformator auftreten würde, der es schafft, das Land selbst dort unversöhnlich gegen sich auf die Barrikaden zu bringen, wo es am allerflachsten ist.
Was sich wirklich in Schlüttsiel abgespielt hat, wissen wir derzeit außer von verwackelten Smartphone-Videos nur aus den Berichten der mittlerweile erregungstechnisch heißgelaufenen Qualitätsmedienmaschine, die es bekanntlich mit größter Vorsicht zu konsumieren gilt. Es tauchten unterdessen bereits Zeugenaussagen auf, die deutlich anders klingen als der medial transportierte Hergang: Demnach hat sich Habeck ganz ohne Gewaltanzeichen feige vor einer argumentativen Konfrontation mit den Landwirten davongestohlen.
Dass indes die Medien nichts Eiligeres zu tun haben, als Regierungskritikern und Opfern der elitären Transformationsprojekte reflexhaft die stumpfe Nazikeule überzuziehen, ist seit Corona und allerspätestens seit dem chaotischen Eindringen der Trumpisten ins Washingtoner Capitol business as usual. Bauernkrieg => AfD-Verbot. So werden sie Schlüttsiel und die bevorstehenden Proteste zu framen versuchen, um daraus ähnlich totalitäre Maßnahmen wie diejenigen von Biden-Regierung und US-Democrats gegen die Trump-Republikaner ableiten zu können. So erfand etwa der „Spiegel“ einen „Angriff“ auf Habeck, den nicht einmal die Polizei zu Protokoll geben wollte.
Die Tagesthemen boten sogar eine „Extremismusforscherin“ auf, der zufolge die Bauernproteste durch „pro-russische Reichsbürger“ gesteuert sind; das dürfte vorerst für den neuen deutschen Rekord im Fach Teufelsbeschwörung reichen. „Wut-Bauern“, „Krawallmacher“, „rechts unterwandert“: Für deutsche Leitartikler darf Zorn niemals gerecht, sondern muss stets Nazi sein.
Denn gerechter Zorn ist, was das politische Berlin und seine medialen Handlanger aus gutem Grund weit mehr fürchten müssen als brave Bürger an der Wahlurne. Die kann man mit Framings, Propaganda und zur Not mit Parteiverboten auf die richtigen Entscheidungspfade stubsen. Zorn aber, der sich in bewegte Bilder außerhalb der Urnengänge überträgt, ist etwas anderes. Zorn, wie ihn französische Bauern regelmäßig und sehr wirkungsvoll in symbolische Bahnen lenkt. Der Spott, der sich im Netz in Form von Memes über Habecks maritime Kapitulation ergießt, ist nur eine zivilere Manifestation dieses Zorns.
Es war aber auch eine Szene – und da bin ich als Romanautor regelrecht neidisch – von fast biblischer Bildmacht: Ein von vielen gehasster Minister, der sich uneinsichtig für bürgernah hält, aber durch die Energie einer Masse Mensch daran gehindert wird, im eigenen Land noch Land zu sehen. Und dessen Personenschützer sich angeblich nicht anders zu helfen wissen, als die Fähre umkehren zu lassen zur Hallig Hooge – wie auf eine Sträflingsinsel, von der es kein Entkommen gibt.
Ich bin diese Route auf der Fähre Hilligenlei oft gefahren. Es haftet ihr etwas Mythisches, etwas Archaisches an. Der Gedanke an Untiefen, Sturmflut und Landunter reist stets mit im Gepäck. Kurz vor Erreichen der Endhaltestelle Langeneß passiert man außerdem den Ort des sagenumwobenen, in der Burchardiflut von 1634 versunkenen Rungholt, das der Legende nach den Preis für Hybris und Lasterhaftigkeit zahlen musst. Was für ein Symbolik-Overload.
Ein Mann und eine Partei, die unbarmherzig die „große Transformation“ zu einer totalitären New World Order über das Land und seine Menschen bringen, Existenzen vernichtend und eine ganze Gesellschaft zertrümmernd, taubstumm für die Signale aus der sie umzingelnden Wirklichkeit, ernten nun, was sie seit Jahren säen.
Um vom landwirtschaftlichen zurück ins maritime Bild zu wechseln: Alle, die seit Jahren mit Robert Habeck auf Kaperfahrt fahren, die Ampel und ihre Wähler, die rotgrün eingeschworenen Medien, die Berater und Strippenzieher, die Finanzierer und Hintermänner, die Schleimer und Profiteure – sie alle sollten auf die eigene Hand schauen, wenn sie mit ausgestrecktem Finger auf die „rechts unterwanderten Wut-Bauern“ zeigen. Vier Finger weisen auf sie selbst zurück.
Übrigens, Spoiler-Alarm: In „Wattenstadt“ wird der große Transformator am Ende vom störrischen Volk nachhaltig zum Teufel gejagt – erneut auf dem Weg übers Meer, diesmal gleich bis ins Bermuda-Dreieck. Ein hoffnungsvolles Ende der Zusammenrottung von Schlüttsiel, wie ich finde.