Okay. Du hast es also. Dumm gelaufen, kann passieren. Aber dies gleich vorweg: Vergiss es, Freund! Du machst hier jetzt nicht den Herrndorf, kapiert? Der war und bleibt ein Solitär. Du taugst dazu nicht. Bei dir käme immer nur yadda yadda yadda, selber schuld, yadda yadda, ach hätt ich doch, yadda yadda, Glück verlassen, yadda, selber schuld, yadda, fuck Fahrradnazis, yadda, fuck Birkenstock, yadda, fuck Berliner Stadtverwaltung, oh ich armer Altpunk, yadda, yadda, yadda, röchel!

Das ist keine gute Sterbelyrik, einverstanden? Will niemand lesen. Wird von Rowohlt nicht zum Kultklassiker gebunden und hernach nicht verfilmt. Sondern was ich lesen will, ist: Mark Zimmermann beats fuckers and kicks ass! Man möchte übrigens in deiner Lunge auch kein Virus sein. Ohgottogott, all das faule Fleisch. Die Dämpfe. Flasche Glenlivet. Glengrant. Glenfiddich. Glenmorangie. Billigdöner. Qualitätskoks. Schon deshalb werden sie sich da nicht fröhlich vermehren. Die wollen wieder raus, glaub mir. Auf schnellstem Wege. Rhythmisch rülpsen würde ich empfehlen. Vom Balkon aus über den Kiez. Vielleicht eine Melodie: Muss i denn, muss i denn, zum Lüngele hinaus…

Ja, sorry, dass ich dich jetzt hier von der Seite (von der Seite, capiche?) anquatsche, aber anders kann man ja nicht mit dir reden, elender Introvert. Immer rotzig austeilen, aber keine Gegensprechanlage am Start. Oooooh, ich bin ja so sensibel, und außerdem muss ich gerade sterben, also entschuldigt bitte, kein Kommentar. Nee, mein Lieber, so läuft das nicht. Jetzt rede ich. Und ich sage: Mark Zimmermann darf nicht sterben.

Allein schon aus einem Grund: Lass mich bitte, bitte nicht allein mit all diesen scheinheiligen oder mittlerweile gern auch schon komplett offen nazifizierten Arschgeigen da draußen! Ich ertrage die Vorstellung nicht, dass die Netzwelt nur noch aus totalitären Monstern und aalglatten Influenzas in Menschengestalt bestehen könnte, weil deine grausam betörende Rotzgörenstimme fehlt. Ich kann einfach nicht alternativlos dem Geschreibsel und Geblöke der geistigen Hasskappen dieses Landes ausgeliefert sein, die sich im Unterschied zu dir anonymem Eulenspiegelfechter mit ihren Klarnamen als seriöse Polit-, Kommerz- und Haltungsheilge verkaufen. Und was am erschreckendsten ist: sich auch noch selbst dafür halten.

Ich kann nicht, während dieses Land in Rekordtempo vor die Hunde geht und vor die Säue fällt, auf deine zärtlichen Pisspottpointen verzichten, auf die personifizierten Widersprüche und Widersprüchlichkeiten des Mark Zimmermann. Bitte, nicht nur dein wunderbares Weltunternehmen braucht dich gesund zurück, damit noch möglichst viele Menschen profitabel und charmant bereichert werden können zum Wohl des internationalen Bereicherungskapitalismus. Nein, ich bin es, der dich braucht. Ganz egoistisch.

Als ich vorgestern Nacht, wieder mal von purer Verzweiflung über die einziehenden Verhältnisse aus dem Schlaf gerissen, den Fehler machte mein Telefon zu checken, war da dieser neue Blogeintrag vom Zimmermann, Zeitstempel 02:51 Uhr: Hülfe, hülfe, ich muss störrrben!!! Erst habe ich es gar nicht kapiert in meinem verklebten Halbschlafzustand. Ich dachte: Och nö, schon wieder so ein allgemeines Coronagejammer aus Berlin, und wie er den Schlümpfen trotzdem immer wieder ein Bein stellt – aber dann dämmerte es mir und dem Morgen: Das ist ja echt. Das ist ja Ernst. Das kann ja gar nicht sein. Hier wird sich nicht geopfert, du Opfer, wag es ja nicht!

Ich will, dass die grünwählende Nachbarin mit den Spaghettihaaren bis zur Sonnenfinsternis von 2044 weiter unter dir und deiner Scheißmucke leidet. Ich will, dass ein falscher Asozialer den echten Asozialen im Reichstag und im Roten Rathaus zeigt, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Ich will, dass einer den Seuchengouvernanten den Stinkefinger zeigt, indem er sich ihnen nicht gebeugt hat und trotzdem weiterlebt.

Angst haben wir alle. Nachts am meisten. Aus verdammt guten Gründen, und jeder einzelne davon ein anderer, als es deutsche Leidmedienjournalisten und Parteienkartellpolitiker für möglich halten würden. Wenn ich du wär, hätte ich jetzt aber auch diese besonders schreddernde Art von Angst. Die, wenn man nach innen blickt und sich fragt, ohne was ändern zu können: Was wächst da in mir? Was teilt sich da, was reproduziert sich, sammelt zum Angriff. Und wer weiß: Vielleicht hab ich diese Art von Innenschau ja schon morgen früh selbst. Oder nach dem nächsten Drecks-Test. Alles andere als unwahrscheinlich.

Aber du tust ihnen nicht den Gefallen, klar? Diesen frei flottierenden Psycho- und Soziopathen, deren natürliches Revier Twitter ist, von wo sie das einzige ihnen mögliche Freudegefühl in die Welt kotzen: Freude über ihnen unliebsame Menschen (aktuell etwa Alice Weidel), die vom Schicksal geschlagen werden. Und dann da erst recht draufschlagen, nicht mal mehr nur im Schutz der Anonymität ihrer stinkenden geistigen Rattenlöcher. Und alles rausspritzen, was an KZ-kompatibler Unmenschlichkeit in ihnen ist. Diese Lemuren, die man schon jubeln üben hört: Ha, den hat’s erwischt, kein Mitleid von mir, der hat es so was von kommen gehabt, einer weniger, jetzt nur noch 999.999, kein Mitleid, har har har!

So sieht nämlich das Land aus, das du feige zurücklassen würdest. Aber nur über meine Leiche! Schluss damit, genug gute Gründe. Und jetzt, zur Nacht, alle noch mal im Chor: Mark Zimmermann darf nicht sterben! Die Welt braucht einen Wahnsinnigen, um tausend Gesunde zu ertragen. Thank you for your cooperation.


Nachtrag, 22.11: Ja, ja, die Botschaft aus der Gruft ist angekommen. Und außerdem: De mortuis nihil nisi bene.

Nachtrag, 23.11: Muss immer mehr Wörter und Sätze aus obigem Text löschen, die sich im Lichte neuer Depeschen aus der Gruft als unpassend erwiesen haben. Don’t add insult to injury. Wie reagiert man als Sterblicher aus Fleisch und Blut auf einen anonymen Sterbenden im virtuellen Internet, der in echt vielleicht gar nicht stirbt? Ich gebe zu, mich überfordert das.


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