Meine erste Gleitsichtbrille. Ich habe einen weiteren Meilenstein im Leben erreicht. Als ich sie im Laden zum ersten Mal aufsetzte, war ich unversehens drei Meter groß. Was nicht schlimm wäre, wenn man erst durch die Tür ist. Dort aber taten sich, aus der Giraffenperspektive betrachtet, im Pflaster des Bürgersteigs tiefe Mulden auf.

Sie erinnerten an den Eindruck, den man im Feuerwehr-Sprungtuch hinterlässt, nachdem der Großbrand in der eigenen Wohnung einen ermuntert hat, vom Balkon im dritten Stock zu springen. Und ähnlich elegant setzte ich auch meine Schritte in die haltlose Leere.

Die Mulden aber bewegten sich dabei weiter, und ich bewegte mich durch ein Minenfeld aus Sprungtüchern. Mit dem Fahrrad Richtung Büro. Muss das hier gebrannt haben. Das Große Feuer von Hamburg, 1842 reloaded.

Auf der Mönckebergstraße winkte ich von meiner mobilen Feuerwehrleiter aus huldvoll den zahlreichen Vorweihnachts-Shoppern zu, die vor, hinter und vor allem unter mir die Straßenseite wechselten. Von links nach rechts. Von rechts nach links. Rund um mich herum. Ich hoffe, sie sind alle gut zwischen Vorder- und Hinterrad hindurchgelangt. Genauer gesagt: zwischen dem halblinken und dem oberen Rad.

Im Hintergrund kippte das Hamburger Rathaus erst um seine Längsachse, dann nach hinten und vorn zugleich, bis es schließlich von seiner eigenen Fünfdimensionalität in Stücke gerissen wurde.

Unbeeindruckt davon erreichte ich das Büro und setzte mich vor meinen annähernd ovalen, bodenlos konkaven Monitor, über den hübsche, zeichenhafte Schemen huschten. Der Arbeitstag konnte beginnen.

Notiz für mich selbst: Nie wieder vom LSD naschen, bevor ich eine Brille vom Optiker abhole.