Plötzlich liegt ein Schatten über den östlichen Hamburger Ödlanden. Die Neununddreißig drohen, ihr dunkles Geheimnis zu enthüllen. Aus dem Nichts ist der Eine Stein geschaffen worden und hat sein lidloses Auge auf uns gerichtet. Was wird nun geschehen?
Heute ist noch nicht der 28. Januar 2023. Aber ich habe den Verdacht, dass es pressiert. Von daher kann ich mit diesem Artikel leider nicht, wie geplant, bis zum Jahrestag warten. Als treue TWASBO-Leser erinnern Sie sich vielleicht: Es geht um die oben abgebildete Schar der 39 Zwerge Dingens Betonklötzchen. Im Stillen für mich (und Sie) hatte ich die drolligen kleinen Gesellen am Wegesrand Steuerzahler-Stolpersteine getauft – wegen ihrer schienbeingefährdenden Scharfkantigkeit und ihrer von mir bezahlten, zweckfreien Existenz seit ihrem ersten dokumentierten Auftauchen vom 28. Januar 2021 und dem ersten Beitrag darüber vom 10. Juli desselben Jahres.
Weil ich sie mittlerweile so liebgewonnen habe, während ich jeden Tag auf dem Arbeitsweg an fast jedem von ihnen entlanggeradelt bin und weiterhin radele, ist in diesem Magazin mittlerweile eine veritable Mini-Serie um die geheimnisvollen Monolithlein entstanden. Da wurden Fragen behandelt wie: Wo kommen sie her? Wo wollen sie hin? Was, wenn überhaupt, ist der Sinn der Hamburger Stadtverwaltung?
Um die Einzigartigkeit jedes einzelnen dieser kleinen Freunde wissend, dabei auch stets aufs Neue ihre mit wechselnden bunten Zeichen und Bildern geschmückten grauen Kleidchen bewundernd, habe ich sie erst kürzlich alle einzeln fotografiert und zum obigen Klassenfoto versammelt – was, nebenbei bemerkt, eine entwürdigende Scheißarbeit war, bei der ich von Passanten vollkommen zurecht mehr als einmal mit Blicken des Zweifels an meiner Zurechnungsfähigkeit bedacht wurde.
Stand heute stehen die Neunundreißig immer noch auf ihren Posten entlang eines kleinen Fahrradwegenetzes zwischen dem Hamburger ZOB und einem vergessenen Park im Osten der Stadt. Sie stehen dort ebenso regungs- wie funktionslos. Außer eben als Stolperfallen und als Kreativitätsausübungsflächen für geistig Vierjährige, was ja zusammengenommen nicht einmal wenig ist.
Aber, und nun komme ich auf meinen Anfangsverdacht zurück: Es tut sich etwas. Etwas zutiefst Mysteriöses. Sie haben nämlich, nach nicht einmal zwei Jahren Reifezeit, noch einen Stein errichtet:
Ich nenne ihn den Einen Stein. Wie es die Alten prophezeiten: Ein Stein, uns zu knechten / uns alle zu finden / ins Dunkel zu treiben / und ewig zu binden. Er erhebt sich an strategisch überragender Stelle, gleich hinter einer alten Elbenfestung Kirche, und bewacht den Schlund zur Hölle U-Bahn. Fahre ich dort vorbei, geht eine dunkel magische Aura von dem Einen Stein aus, die mich fast vom Rad zerrt. Es fällt schwer, auch nur den Blick abzuwenden.
Und plötzlich empfinde ich namenlose Furcht – davor, dass Er sich bald zeigen könnte. Dass Er offenbart, wozu Er seine Graue Armee aufgebaut hat. Dass die Neununddreißig ihre Tarnkleidchen der Harmlosigkeit abwerfen und uns, die Menschen der östlichen Ödlande, alle unter ihr erbarmungsloses Joch zwingen.
Bleischwer lastet die Ruhe vor dem Sturm. Unheil zieht herauf …
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