Diesmal: Torre Velasca, Mailand, Italien, gegen Stone Psychiatric Center, Chicago, USA
Dieses 106 Meter hohe Ungetüm aus dem Jahr 1958 soll, so wollten es die Architekten des berühmten Mailänder Büros BBPR, „die Tradition der lombardischen Wehrtürme aufgreifen“. Nach mehr als 50 Jahren Dauerständertest lässt sich jedenfalls festhalten: Die Türme in der Lombardei zeichnen sich sich durch einen höheren Erektionswinkel aus als die in der Toscana, speziell jener in Pisa. Aber darum ging es den Schöpfern ja gar nicht: Tatsächlich wollten sie mit ihrer „aus dem stadträumlichen Kontext und der Geschichte des Ortes abgeleiteten Architektursprache“ (Wikipedia) zeigen, dass Mailand komplett der Hölle entwachsen ist. Oder (hier berühren sich die Extreme) sie wollten etwas bauen, das sich nahtlos an den Charme des nur einen Steinwurf entfernten Doms anschmiegt und den Mailändern ebenso viel Gottesfurcht einbläut wie der Sakralbau. Letzteres ist weder dem Torre noch dem Dom gelungen, wobei aber der Torre ungleich deutlicher die Drohung des jüngsten Gerichts und der ewigen Verdammnis symbolisiert.
Dass dieses Gebäude in Chicago ein psychiatrisches Universitäts-Krankenhaus beherbergt, versteht sich von selbst. Das heißt, vielleicht doch nicht – in München hätte man wohl ein BMW-Hauptquartier daraus gemacht. Nun gut, vielleicht hält es sich ja für ein BMW-Hauptquartier und wurde deswegen … lassen wir das. Der wahre Witz ist nämlich: Es gibt eine örtliche Bürgerinitiative, die gemeinsam mit der Denkmalbehörde von Illinois das Stone Psychiatric Center einer neuen Verwendung zuführen will, damit es die Northwestern University nicht wie vorgesehen im Sommer 2011 abreißen lässt. Es handele sich nämlich, so die Initiative, um „eines der berühmtesten Gebäude des modernistischen Architekten Bertrand Goldberg in Chicago“. Nun soll eine Studie klären, ob sich diese Örtlichkeit nicht weiterhin für Forschungszwecke nutzen lässt – ja, natürlich, möchte man rufen: zum Beispiel als Labor für die Erforschung der Wirkung von außerirdischen Strahlenwaffen. Erstaunlich ist nur, dass es sich bei der Bürgerinitiative nicht um eine Vereinigung von Insassen handelt.