Diesmal: Wohnhaus in Mautern, Österreich, gegen Wohnhaus in der HafenCity, Hamburg
Architektur inszeniert Zäsuren

Nehmen wir an, Sie haben die Aufgabe, als Architekt gegen ein Gebirge anzutreten. Das Gebirge – in diesem Fall die Eisenerzer Alpen in der Steiermark – gibt es schon länger, Ihr Architekturbüro erst seit etwa 25 Jahren, was erdgeschichtlich betrachtet ein Witz ist. Wie können Sie, obwohl Sie als Mensch nur ein Stäubchen zwischen Felsen sind und außerdem nur eine schnöde Wohn-Schachtel (Ihre allererste!) bauen sollen, das Gebirge toppen? Indem sie erst mal die Ausgangslage analysieren: Die ist, so schreiben Sie auf Ihrer Büro-Homepage, „von einer gewissen Kargheit bzw. Tristesse geprägt und baulich beherrscht von ‚ruraler Normalität’“. Damit von alledem nur die Tristesse übrigbleibt, treiben Sie „einen architektonischen Keil in die Landschaft“. Schon besser! Doch es fehlt noch ein Akzent, der Steine erweicht. Da betonieren Sie einfach ein Privatgipfelchen auf den Klumpatsch und setzen ihm noch einen lustigen Schornstein auf. Ergebnis: „In der Dramaturgie der Anlage wird zwischen Anfang bzw. Ende, zwischen Natur und Kultur, Landschaft und Dorf unterschieden, indem die Architektur Zäsuren inszeniert.“

Rudimentär gefüllte Fugen in der gratigen Gasbetonstein-Fassade.

Als vor zirka fünf Milliarden Jahren Ebbe und Flut erschaffen wurden, ahnte man noch nicht, dass die zukünftigen Bewohner der sich exklusiv wähnenden Hamburger HafenCity mal eine Stuttgart-Stammheim-mäßige Hochwasserschutzwand vor ihre Haustür gesetzt kriegen würden. Sie selbst ahnten es zu allerletzt, das Preisschild auf dem Exposé des „Harbour Cubes“ jedenfalls sprach nicht dafür. Auch nicht die Werbung der HafenCity GmbH, der zufolge der Wohnwürfel „licht- und luftdurchflutet“ ist. Das mit der Luftzirkulation mag auch an den rudimentär gefüllten Fugen in der gratigen Gasbetonstein-Fassade liegen. Die wirken derart unvollendet, als sei hier ein Bauunternehmer der kalabrischen ’Ndrangheta kurz vor Vollendung des Rohbaus samt Familie und Consiliare erschossen worden. Der Architekt hat die 20 Wohnungen um einen Gefängnis-Innenhof gruppiert, und dieser erhielt „eine direkte Verbindung auf ein nach Süden gerichtetes privates ‚Deck’, zu dem alle Bewohner von ihren Wohnungen aus Zutritt haben“. Da kann man sich dann treffen und sich gemeinsam wundern, warum das verdammte Schiff nicht losfährt.

Das waren die Kandidaten. Leser, jetzt sind Sie dran:

Welches Bauwerk ist schöner hässlich?
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