Nivea-Haus, Jungfernstieg, Hamburg, im Juni 2021

Okay, jetzt machen sie also wieder ihr Ding. Und Nivea wünscht der “deutschen Nationalmannschaft” viel Erfolg. Prima. Gähn. Sage ich als altgedienter Fußballfan (“Wir sind die Fans”), der seine erste WM 1974 auf dem Sofa gewann. Denn ihr habt es geschafft: Ich bin keiner mehr. Zählt mich raus. Ich kann das nicht länger, konnte es schon 2018 nicht. Ich kann dieses unabwählbare Merkelgesicht des Fußballs nicht mehr sehen, nicht die Hängeschultern, nicht den Topfschnitt, gar nichts mehr. Und der Nachfolger wird auch nichts daran ändern.

Ich habe nämlich meine Lektion gelernt, die mir wieder und wieder eingebläut worden ist von der Kanzlerin und ihren medialen Spießgesellen: Es heißt “die Mannschaft” oder “das DFB-Team”, alles andere ist von Übel. Und seien wir ehrlich, sie hat Recht, die Ewigkeitsregentin eines mitteleuropäischen Wirtschaftsraums, die 2013 mit spitzen Fingern die schwarz-rot-goldene Trikolore von der CDU-Wahlparty entsorgte.

Mit Ausnahme irgendwelcher Kleinstaaten-Mannschaften vielleicht ist an den Kicker-Kollektiven dieses Turniers irgendwo in Europa (ich weiß ehrlich erstmals nicht, wo) tatsächlich gar nichts “national”: die Einstellung nicht, die Herkunft und Historie nicht, ihre unterjährigen Arbeitgeber nicht, oft auch die Sprachen nicht, nicht einmal mehr der Mythos, der sich dann auch irgendwann abgenutzt hat.

Jeder Einzelne von ihnen ist die personifizierte Globalisierung, ein millionenschwerer Anywhere unter lauter Somewheres. Das “Narrativ” funktioniert nicht mehr, weder en gros noch en detail. Sie sind auch längst untereinander austauschbare Teams, zusammengewürfelte Identitätsdarsteller, in einheitliche Farben gesteckt, damit man sie überhaupt unterscheiden kann in ihrer Beliebigkeit.

Ausgerechnet diese Standort-Teams eines gesamteuropäischen Handelsmarkenwettstreits sollen nun für ein Prinzip herhalten, das an allen anderen Tagen des Jahres mindestens hierzulande strengstens und mit moralischer Lufthoheit verboten ist: Patriotismus. Sonst am eifrigsten bekämpft durch die von Nationengrenzen doch bloß unerträglich eingeengte deutsche Wirtschaft. Doch nun will sie für ein paar kurze Wochen ihre Hautcremes oder irgendwelchen schwarz-rot-goldenen Ramsch mit nationaler Aufwallung verkaufen? Nein, nein. Lasst gut sein. Ich bin kein Standort-Teamfan und viel zu alt, um noch einer zu werden.

Dann gibt es das eben für mich nicht mehr, dieses Mitfiebern, Daumendrücken, vom Sessel aufspringen, wildfremden Menschen in den Armen liegen. Weil da eine gemeinsame Basis ohne große Worte war, das Eigene, Unverwechselbare, zugegeben dämlich Belanglose. Aber alles hat ein Ende, und “unsere” Weltkonzerne sollten sich gut überlegen, ob sie sich mit ihrer Propaganda im Jahr 2021 ernsthaft des Nationalismus verdächtig machen wollen. Am Ende hagelt es noch Anzeigen statt Gewinne, wenn der Outrage der Eiferer sogar die eigene Gier auffrisst.

Ach ja, nochmals zur Bekräftigung: Fahrt dann bitte demnächst auch ohne meinen Segen in dieses lauschige Wüsten-Emirat, um dort auf den bleichen Knochen tausender Zwangsarbeiter euren nächsten Weltkongress auszutragen und nebenher ein wenig shoppen zu gehen. So, wie es euch und euresgleichen gebührt.