Das hier sind wir Hamburger. Also, genauer gesagt: „Wir Hamburger Abendblatt-Leser“. So geht das jetzt schon seit Monaten. Immer mal wieder bringt das Abendblatt auf der Suche nach dem wahren Puls der Stadt eine Galerie seiner Leser, und immer lernen wir dasselbe daraus: Abendblatt-Leser sind weiß, bürgerlich, eher älter, eher höher gebildet und und eher besser verdienend.

Auch, wenn sich mal eine auf den Kopf stellt oder einer sich eine neckische Ente auf die Schulter setzt: Es bleibt dabei. Die Abendblatt-Leser sind wie ihre Zeitung, die sie nach ihrem Vorbild geschaffen hat bzw. haben.

Abendblatt-Leser haben Eigentumswohnungen auf der Uhlenhorst, Häuser in den Walddörfern oder in den Elbvororten. Sie schicken ihre Kinder, so sie überhaupt noch welche haben, auf anerkannte, gut beleumundete Gymnasien. Sie selbst sind pensionierte Studienräte oder angehende Marketingleiterinnen. Die finanzielle Absicherung ihres Alters ist ihnen sehr wichtig, wichtiger sogar noch als ein repräsentativer Küchenblock. Der Ruf Deutschlands in der Welt auch. Und Bildung, staatsbürgerliche vor allem.

Dies alles in Zeiten, in denen es der „bürgerlich-liberalen“ Presse in der weltoffenen ©  schönsten Stadt der Welt © aus latent aktuellem Anlass ein besonderes Herzensanliegen ist, ihre vorbehaltlose Aufgeschlossenheit für alles zu beweisen, das nicht so ist wie sie.

Aber leider, „wir Hamburger“ sind einfach keine Flüchtlinge, keine Migranten, keine schwarzen Frauen, keine gelben Männer, keine Jugendlichen mit MiHiGru, keine Rentner vom Balkan, keine Kriegsopfer aus Afrika, keine Sozialfälle aus Billstedt, keine alkoholkranken alleinstehenden alternden Männer, keine Sex Worker, keine Hells Angels, keine Prekären und keine Querdenker.  Keine Putzfrauen, keine Nachtwächter, keine Stadtteilschüler, keine Minijobber, keine Konsumverweigerer, keine Fenerbahçe-Fans und auch nicht die Frau Cefahir vom Gemüseladen, die schon 42 Jahre in der Stadt ist. Nicht mal, wenn das Abendblatt sehr gezielt danach sucht. Nicht mal dann.

Denn all diese Menschen, die in Summe vermutlich etwa drei Viertel Hamburgs ausmachen, Tendenz steigend, die lesen kein Abendblatt, und das Abendblatt schreibt nicht über sie, es sei denn aus dem Polizeibericht ab.

Der Rest der Stadt, den es auch irgendwo geben muss, bleibt da, wo er ist. Draußen. Wundert es jetzt noch jemanden, wenn das Abendblatt ausschließlich und exklusiv diese Vorzeige-Leser, die genauso sind wie das Abendblatt selbst, aus seiner ganz speziellen Filter Bubble heraus auf immer nur ein und dieselbe Weise informiert?

Wundert es, wenn das Abendblatt zur Lösung des möglicherweise ja selbst in dieser Stadt vorhandenen Integrationsproblems den prosecco-schwangeren CDU-Vorschlag auf seine Titelseite hebt, an allen Schulen Nationalflagge und Nationalhymne einzuführen? Und wahrscheinlich selber daran glaubt, dass dann schon alles gut werden wird?

Und wundert es, wenn es das Abendblatt in maximal zehn Jahren nicht mehr gibt?

Nein, tut es nicht. Viel Glück bei der weiteren Suche nach dem Pulsschlag der schönsten © Stadt © der Welt ©!