Unsere Welt ist klein geworden. So klein wie eine Gummizelle: gut gepolstert, ausbruchssicher, überfüllt. Ein Elektroschock am einen Ende pflanzt sich bis zu den Insassen am anderen Ende fort. Und wir stecken mittendrin – woran TWASBO in dieser Reihe erinnert.

Erste Versuche mit Buchstaben vor einem evangelischen Gymnasium im Hamburger Osten. Dass die kleinen Engelchen heute schon vor dem Abitur erkennbare Wörter bilden können, zeugt von der nach wie vor ausgeprägten Leistungsfähigkeit unseres vielgeschmähten Systems der höheren Bildung.

Und es soll auch niemand sagen, dass die Nachwuchs-Akademiker kein Talent mehr zum Verfassen jahreszeitlich inspirierter Poesie hätten:

Haben Sie schon gehört? Die Queen ist tot. 60 Millionen Briten und mehr als zwei Milliarden Menschen im von ihr geschaffenen Commonwealth finden Trost in der Erinnerung an Stabilität, Würde, Bescheidenheit und Pflichterfüllung, welche das Staatsoberhaupt in ihrer langen Amtszeit verkörperte. „Ihre unerschütterliche Präsenz gab uns Orientierung und Halt in einer sich erschreckend schnell verändernden Welt“, so ein typischer Nachruf.

Das ist aber nur eine blasse Vorahnung davon, wie wir uns fühlen werden, wenn Frank-Walter Steinmeier einmal nicht mehr da sein sollte.

Heute bleibt die Dusche kalt,
wir leben jetzt im Hinterwald!

In TWASBO habe ich ihn und seine berühmtesten Zeilen kürzlich bereits gewürdigt, aber man kann das für die kommenden Tage nicht oft genug zitieren:

Vor zwei Wochen dann stand ich nach dem Aufstieg durch das abgebildete Treppenhaus am Fenster des Tübinger Arbeitszimmers, in dem der chronisch depressive und von sadistischen Ärzten malträtierte Hölderlin die drei Jahrzehnte bis zu seinem Tod verbrachte, und blickte auf den träge dahintreibenden Neckar hinab. Den Fluss der Zeit sind seit „Hälfte des Lebens“ mehr als 200 Jahre hinuntergeflossen, aber mit Ahnungs- und Fühllosigkeit blieb das Land konstant überversorgt. Da konnte der Dichter klagen, wie er wollte. Übrigens war es ein Schreiner gewesen, der ihn in sein Haus aufgenommen hatte. Kein Regierungsrat, kein Priester, kein weltfremder Ideologe.

Dann lasst euch, spätestens im Februar, das kalte Klirren der gelb-blauen Fahnen an den Masten eurer noch kälteren Häuser mal Anlass sein zu reflektieren, wohin euch euer blindwütig folgsamer Ersatznationalismus gebracht hat. Man sieht es ja jetzt schon deutlich seltender, das haltungsstarke Stückchen Stoff.

Die Handwerkerschaft hatte in Krisenzeiten immer schon einen klareren Blick auf die Realität und mehr Empathie für das gemeine Volk als die sogenannte Elite. Wenn es um die Existenz ging, ließ sie das die Mächtigen auch wissen. Nun war es wieder so weit. Schon über einen Monat her, aber immer noch lesenswert:

Es ist davon auszugehen, dass der Brief in Berlin noch in der Pressestelle des Bundeskanzleramtes CO2-neutral entsorgt wurde. Mein Gott, ein Kreisverband, auch noch aus Ostdeutschland. Ein Olaf Scholz spricht nicht mit Provinz-Nazis, Ehrensache.

Fast schon Tradition ist es zum Schluss, einen Blick auf den jeweils aktuellen Aufreger der Champagnersozialisten vom Londoner Leid-Medium „Guardian“ zu werfen. Da bietet sich heute dieser Artikel an: Kein Sex mit Leugnern des Klimawandels! Ohnehin übertrumpft die „Liebe zum Planeten“ diejenige zu einem Menschen. Der Planet, das sind ja alle Menschen auf einmal! Und acht bis neun Milliarden zählen halt mehr als der eine.

Wunderbar auch der Satz, der in der Welt der salonlinken Erotik-Optimierer das reaktionäre „Ich sah ihn und wusste, es war Liebe auf den ersten Blick“ ersetzt hat: „I looked at him and knew we could be activists together.“

Aber selbst, wenn beide Partner ordnungsgemäß der richtigen Auffassung über die Erbschuld an allen Emissionen sind, kann die Frage, „wie man den Klimawandel löst“ ein Paar dauerhaft entzweien: „Ich dachte, dass es dafür marktwirtschaftliche Lösungen gibt, und er hielt das für eine sehr neoliberale Art zu denken“, berichtet Cristina, 27. Natürlich haben sich beide getrennt, aber in der neuen Beziehung geht es schon wieder los. Diesmal verfechtet sie allerdings die umgekehrte Argumentation, weil auch ihr aktueller Partner es tut. Wie könnte man sonst vernünftig streiten?

Den Rest des Tages verbringen die im Text vorgestellten Weltbürger offenbar mit „Öko-Angst“ und Schuldgefühlen Mutter Erde gegenüber. Bei so viel Love & Sex & Rock’n Roll gießt nur der interviewte Bonifacio (24) einen – womöglich missverständlichen – Wermutstropfen ins Treibhaus: „Unsere Beziehung brachte mich dazu, mehr am Klimawandel arbeiten zu wollen.“


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