Energieminister Habeck will die Zahl der Windkraftanlagen in Deutschland bis 2030 verdoppeln – auf dann 56.000. Erwartungsgemäß winkten die Medien den Panikplan kritiklos durch. Doch eine neue Modellrechnung entlarvt den Glauben an die Macht des Windes als verkappte Religion: irrational, zahlenmystisch und schädlich.

Mit eigenen Berechnungen entzaubert die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Grafik für Grafik und Satz für Satz den grünen Glauben an die Windgötter: „Knapp ein Viertel der untersuchten Windräder hat einen Kapazitätsfaktor von weniger als 20 Prozent“ – je weiter im Süden eine Anlage steht, desto unrentabler ist sie. Warum diese Fehlinvestitionen trotzdem überleben? „Dank des deutschen Fördersystems, das auch schlechte Standorte belohnt.“

Solche Offenbarungen waren in Deutschland eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt – Zahlen zur Auslastung der Windparks würden gehütet „wie ein Staatsgeheimnis“, so die NZZ. Die Windjünger sähen ihre Religion am liebsten im Allerheiligsten ihres Tempels der „Erneuerbaren Energien“ verschlossen, wo sie ungestört von der Wirklichkeit das Hochamt einer „Energiewende“ zelebrieren können. „Ernüchternde Ergebnisse“, wie sie das Blatt aus der Schweiz präsentiert, betrachtet die grüne Priesterkaste als Blasphemie. Schließlich will Energieminister Habeck angesichts der Gas-Krise die Zahl der Windkraft-Rotoren auf dem deutschen Festland in knapp acht Jahren auf nicht weniger als 56.000 verdoppeln.

Der unbedingte Glaube an die Windenergie, in Grünland als Zukunftstechnologie angebetet, hätte bei unseren Vorfahren gesunde Skepsis produziert. Für Carl Christian Bry etwa wäre die deutsche Energiewende, neben den Sonnenstrahlen vor allem durch die Windkraft symbolisiert, ein Paradebeispiel für seine „Kritik des kollektiven Wahns“. Der Münchner Privatgelehrte legte 1924 eine mustergültige Ideologiekritik vor, deren Titel die Quintessenz seiner zeitlosen Zeitdiagnostik auf den Punkt brachte: „Verkappte Religionen“.

„Religion sagt: Der letzte Sinn deines Daseins liegt jenseits deines Lebens, liegt über deinem Leben“, so Bry vor fast hundert Jahren. „Verkappte Religion hingegen sagt: Hinter deinem gewöhnlichen Leben und hinter der gewöhnlichen Welt liegt etwas bisher Verborgenes, etwas zwar seit langem Geahntes, aber für uns nie Verwirklichtes, eine noch nie realisierte Möglichkeit, der wir beikommen können und jetzt beikommen wollen und beizukommen gerade im Begriff sind. Der Anhänger der verkappten Religionen glaubt an etwas hinter der Welt. Man kann ihn kurz den Hinterweltler nennen.“

Heute würde man kurz von Utopien sprechen, diesseitigen Heilsversprechen. Bry grenzt sie von echten Religionen ab: „Der Fromme glaubt an ein unvorstellbares Reich jenseits der Wolken, der Hinterweltler glaubt an eine neue Wirklichkeit hinter der Tapete. Während dem Frommen Diesseits und Jenseits streng getrennte Reiche sind, ist der Hinterweltler bis in den Kern seiner Seele davon durchdrungen, dass die gewöhnliche Welt und die Hinterwelt in den lebhaftesten wirklichen Beziehungen stehen und daß eines Tages all das, was heute noch Hinterwelt ist, die Welt besiegt und durchdrungen haben wird. An diesem Sieg zu arbeiten, die Hinterwelt zur Welt zu machen, ist der Inhalt seines Glaubens.“

Zu seiner Zeit hielt Bry folgerichtig den Kommunismus für eine verkappte Religion. Dazu auch Antisemitismus, Faschismus, Psychoanalyse, Astrologie, die Weltfriedensbewegung, Theosophie, Anthroposophie – aber originellerweise auch Phänomene wie Nacktkultur oder Antialkoholismus.

Und was sind verkappte Religionen heute? Die Gender-Religion, bei der das „bisher Verborgene“, das hinter der Tapete des Nichtvorhandenseins hervorgeholt werden soll, die (angeblich) freie Möglichkeit der Geschlechtswahl ist. Die Corona-Religion mit ihrem Versprechen der totalen Hygiene, dem allumfassenden Schutz vor Krankheit, letztlich dem ewigen Leben, wenn man nur strikt genug „den Maßnahmen“ gehorcht. Sowie eben die Energiewende- respektive Klima-Religion. Der Publizist und Sachbuchautor Alexander Wendt bescheinigte ihr bereits 2014 in seinem Buch „Der grüne Blackout“ mit nahezu kriminalistischer Beweisführung, dass und warum sie „nicht funktionieren kann“. Mit ganz ähnlichen Worten wie Carl Bry hält Wendt die Energiewende-Sektiererei für eine „esoterische Ersatzreligion“: Sie verspricht die „noch nie realisierte Möglichkeit“, Sonne und Wind kostenlos Strom produzieren zu lassen – und trotzdem gewaltige Investitionsmittel für viel zu wenig Energieertrag zu vergeuden.

Bei allen diesen verkappten Religionen der deutschen Gegenwart, die man unter dem Schlagwort der „Wokeness“ zusammenfassen kann, handelt es sich dem Selbstanspruch nach um Rationalitätsreligionen – obwohl ihre innere Logik vielfach gebrochen und komplett inkonsistent, letztlich hochgradig irrational ist. Als Glaubenssysteme bedienen sie sich nicht zufällig aus dem Systembaukasten, den „legitime“ Religionen entwickelt haben: Sie sind dogmatisch und treten mit Unfehlbarkeitsanspruch auf. In der Klimareligion etwa heißt es nicht mehr „Roma locuta, causa finita“ (Rom hat gesprochen, basta!), sondern „Greta locuta“ –  zuletzt, als die schwedische „Klimaaktivistin“ der Atomenergie als Übergangslösung in eine grüne Zukunft zähneknirschend ihren Segen erteilte.

Apropos Greta: Für ihre verkappte Religion ist sie die glaubensnotwendige Prophetin: wütende Anklagen ins Volk schleudernd, Apokalypsen an die Wand malend für den Fall, dass die Menschheit nicht unter ihrer Führung umkehrt, Verehrung als beinahe überirdisches Wesen heischend. So wie jüngst anlässlich ihrer Audienz bei Sandra Maischberger, die Greta in Anbetungshaltung fragte, ob sie nicht manchmal „an uns Menschen verzweifle“.

„Der Fromme glaubt an ein unvorstellbares Reich jenseits der Wolken, der Hinterweltler glaubt an eine neue Wirklichkeit hinter der Tapete.”

Carl Christian Bry, 1924

Alle verkappten Religionen haben außerdem ihre spezielle Symbolik. Im Genderismus und dem Diversity-Kult ist es der Regenbogen, beim Klimawahn und in der Corona-Hysterie eine Zahl: im einen Fall als Erwärmungs-Maximum definiert, im anderen „Inzidenz“ genannt. Selbst in hochchristlichen Zeiten war das Kreuz wohl nie so omnipräsent wie in den vergangenen drei Corona-Jahren die Inzidenzwerte und die in Dauerschleife vermeldeten „Klimaziele“, zusammengefasst durch die omnipräsenten „1,5 Grad“.

Wie bei den etablierten Religionen bilden sich bei den verkappten neben den Amtskirchen auch Sekten, Radikalismen und sogar Häresien heraus, die den Hohepriestern das Leben schwer machen. Selbst wenn das klimakirchliche Kardinalsgremium, die Partei der Grünen, die radikalen Klebstoff-Geißelungen der „letzten Generation“ absegnet: Sie muss darauf bedacht sein, den Imageschaden in Grenzen zu halten, den jene anrichten. Das ähnelt dem Dilemma eines konservativen Papstes, der darüber wachen muss, dass die Fundamentalisten vom Opus Dei seiner vatikanischen Institution medial nicht allzu sehr schaden.

Schaden fügt der Energiewende als weltlicher Ersatzreligion jedenfalls der Abgleich ihrer Heilsversprechen mit der Wirklichkeit zu. Wie Wendt im „Grünen Blackout“ vorgerechnet hat: Auch die ökonomischen Argumente der Klima-Kirche zerbröseln bei Licht besehen zu Staub. Das verheißene Wirtschafts- und Jobwunder durch Sonnen- und Windenergienutzung fällt aus, die Marktwirtschaft muss für das Dogma bluten. Wenn „Grünstromproduzenten garantierte Subventionen über 20 Jahre, also über den gesamten Abschreibungszeitraum ihrer Anlagen“ erhalten, wird das freie Spiel der Marktkräfte ausgehebelt und eine dauerhafte Wettbewerbsverzerrung etabliert. Für einen ausgewählten Sektor wird das unternehmerische Risiko komplett ausgeschaltet, indem man es sozialisiert. Während die Gewinne, so sie denn eintreten, privatisiert bleiben.

Die E-Moblität wird sogar doppelt subventioniert: auf der Produzenten- und auf der Konsumentenseite. Doch trotz maximaler Förderung kommt das grüne Energie-Geschäftsmodell nie in die schwarzen Zahlen, weshalb es schlicht kein Geschäftsmodell ist. Wenn „Zukunftstechnologien“ wie Sonnen- und Windenergie, Biogas oder E-Mobilität unter marktwirtschaftlichen Bedingungen von Angebot und Nachfrage keine Zukunft haben – womit verdienen sie dann die Bezeichnung Zukunftstechnologien? Selbst die „woke“ Moralität als Ganzes ist nur in einem planwirtschaftlichen Bewirtschaftungssystem lebensfähig: Der Staat muss Unmengen von Steuergeldern in diverse NGOs und seine politischen Vorfeld-Organisationen der „Zivilgesellschaft“ pumpen, damit sie den Bann der Worte und Werte aufrechterhalten können.

Die unzeremonielle und unbequeme Wahrheit ist: Es kann im industriellen Maßstab und bei wachsender, mit Energie zu versorgender Weltbevölkerung keine komplett „nachhaltige“, ökologisch wirklich einwandfreie Energieerzeugung geben. Man kann an allen Varianten herummäkeln, wird am Ende aber einen Mix aus verschiedenen Energiequellen akzeptieren müssen, die unsere industriellen und wohlstandsverwöhnten Bedürfnisse befriedigen. Warum Grüne allerdings monopolartig auf die Energieträger setzen, die sich im gegenwärtigen Realexperiment als die unzuverlässigsten erweisen, entzieht sich dem Verständnis denkender Menschen.

Was jedenfalls inakzeptabel ist: alle Hoffnungen auf etwas zu begründen, das nicht funktioniert und nach Meinung von wirklichen Experten wie Manfred Haferburg auch nicht funktionieren kann. Der noch in der DDR ausgebildete Kernenergetiker Haferburg sicherte in Ostdeutschland unter schwierigsten Bedingungen die Stromversorgung und ist heute im Energiesektor international vernetzt. Er beobachtet mit Verdruss, wie man außerhalb Deutschlands „über den fatalen deutschen Sonderweg nur den Kopf schüttelt“. Beispielsweise in Frankreich, wo man gerade beschlossen hat, bis zu 14 neue Kernkraftwerke zu bauen.

Haferburg stellt die Machbarkeit der „Energiewende“ grundsätzlich in Frage: „Neue Technologien brauchen 10, 15 Jahre bis zur Industriereife – nachdem sie erfunden wurden. Eine neue Speichertechnologie jedoch ist noch nicht mal erfunden.“ Er spricht von „größenwahnsinnigen Zahlenspielereien mit Elektroautos und Wärmepumpen – von der grünen Wasserstoff-Utopie gar nicht zu reden“. Letztlich stimmt Haferburg der These zu, jede Nation müsse ihren spezifisch optimalen Energiemix finden und nicht dogmatisch einzelne Energieträger verteufeln.

Die unbequeme Wahrheit ist: Es kann im industriellen Maßstab und bei wachsender, mit Energie zu versorgender Weltbevölkerung keine komplett „nachhaltige“, ökologisch wirklich einwandfreie Energieerzeugung geben.

Darüber, was dieser optimale Energiemix für Deutschland ist, müsste ergebnisoffen diskutiert werden – nicht von Talkshow-Gästen und Journalisten, die vom Thema bestenfalls eine periphere Vorstellung besitzen, sondern von praxiserprobten Experten. Eine Option allerdings dürfte schon abgedankt haben: dass man fast ausschließlich mit Wind und Sonne eine Volkswirtschaft von mittlerweile 84 Millionen Menschen betreiben kann. Plus den weiteren Millionen, für die wir immer noch Platz haben.

Gerade in diesen Tagen kann schon beim Blick aus dem Fenster niemand leugnen, wie sehr „Dunkelflaute“ herrscht im Land. Was aber tun, wenn keine Winde weh’n und die Sonne nicht wärmt? Ohne die vielgeschmähten konventionellen Kraftwerke hätte wohl in dieser Woche ein Blackout gedroht. Wird es den grünen Utopisten gelingen, Dunkelflauten künftig ebenso zu ächten wie „Rechte“?

Vielleicht sollten die Zukunftsingenieure erst mal versuchen, mit der Gegenwart klarzukommen, anstatt getreu dem Merkel’schen Mutmach-Motto „Wir schaffen das“ energetische Luftschlösser an den Himmel zu malen: „Wir“ können kein Kultur­zentrum sanieren (München) und nur mit Müh und Not eine Konzerthalle eröffnen (Hamburg), „wir“ schaffen es nicht, einen Bahnhof zu bauen (Stuttgart) oder einen funktionsfähigen Flughafen, der nicht schon vor der Eröffnung insolvent wäre (Berlin), aber „wir“ zaubern bis 2030 eine alternative Energieversorgung ins Land, für die es keinerlei Erfahrungswerte gibt.

Warum aber blühen und gedeihen verkappte Religionen wie diejenige der „Energiewende“, wenn sie so offensichtlich irrational sind und mehr Schaden als Nutzen verursachen? Carl Christian Bry erklärte es 1924 so: Verkappte Religionen seien im Grunde Mangelerscheinungen, „gewissermaßen Ödeme, Anschwellungen aus Hunger“. Was der Gelehrte damit meinte: Echte Religionen scheitern daran, dem modernen Menschen Halt zu geben, also schwenkt er auf diesseitige Heilslehren um.

Gott ist tot. Die Windenergie lebt.


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