Wie Václav Havel wollen wir gerne in der Wahrheit leben. Aber was bedeutet das eigentlich, heute, hier, für uns? Ist die Wahrheit in Zeiten des „Kampfes gegen rechts“ und des postfaktischen Aktivisten-Journalismus nicht ein überwundenes Konzept?

Tief im sozialistischen Zeitalter, lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs, platziert ein tschechischer Gemüsehändler in seiner Auslage etwas anderes als Mohrrüben und Sellerie: ein Spruchband mit einer Propaganda-Parole der Einheitspartei. „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Diese offensichtlich nicht dem Gemüseverkauf dienende Maßnahme fasziniert den Prager Autor und Menschenrechtler Václav Havel so sehr, dass er ihr in seinem 1978 auf Deutsch erschienenen Essay „Versuch, in der Wahrheit zu leben“ auf den Grund geht. Kann es wirklich sein, fragt sich der spätere tschechische Staatspräsident, dass der Gemüsehändler so tief an die dem Appell zugrundeliegende Lehre glaubt, dass er sie der Welt mit heiligem Eifer in seinem eigenen Schaufenster mitteilen möchte?

Nicht auszuschließen, aber etwas anderes ist sehr viel wahrscheinlicher: „Dieses Spruchband wurde unserem Gemüsehändler zusammen mit Zwiebeln und Möhren vom Betrieb angeliefert, und er hängte es einfach deshalb in das Schaufenster, weil er das schon seit Jahren tut, weil das alle tun, weil es so sein muss.“ Außerdem sendet er mit seinem Handeln eine chiffrierte Botschaft: Ich bin linientreu und werde nicht aufmucken. Auf mich ist Verlass. Ich habe es von daher verdient, keinen Ärger zu bekommen.

Nun macht Havel die Gegenprobe: Was, wenn die Partei dem Gemüsehändler nahegelegt hätte, stattdessen gleich das höchstwahrscheinlich wahre Bekenntnis „Ich habe Angst und bin deshalb bedingungslos gehorsam“ ins Fenster zu hängen?

Im Gemüsehändler würde sich vermutlich Widerstand regen, denn ein solches Geständnis erschiene ihm entwürdigend und entblößend. Um diesen Abscheu vor der Wahrheit zu bemänteln, gibt die Partei ihm Gelegenheit, auf den Gedanken zu kommen: „Warum eigentlich sollten sich die Proletarier aller Länder nicht vereinigen?“ Und tatsächlich: Nichts spricht offensichtlich dagegen. So kann er vor sich selbst die wahren, niedrigen Beweggründe seines individuellen Handelns – die Feigheit – verstecken, und zwar hinter der Fassade einer anerkannten Wahrheit höherer Ordnung: einer Ideologie.

An diesem Punkt spätestens beginnt sich das Wesen der Wahrheit aufzulösen. Chiffrierte, entwürdigende, niedrige, höhere Wahrheiten – was gilt denn nun, was bestimmt unser Leben in einer Welt, in der eine absolute Wahrheit nicht existiert und wenn doch, dann meist zu unserem eklatanten Nachteil? Soll die Wahrheit überhaupt noch eine Richtschnur sein? Sollten wir etwas derart Lästiges und Toxisches nicht besser einfach per Dekret abschafften, so wie die Bürgerrechte des Grundgesetzes in Zeiten der Bewährung oder die Wahlfreiheit in Thüringen, die ja auch unantastbar schienen und sich von heute auf morgen als Schimäre herausstellten? Und wenn wir es täten – warum bräche sich dieses offenbar unbezähmbare Phänomen dann trotzdem immer wieder Bahn?

Wahrheiten über die Wahrheit (1): Die freie Rede dient ihr mehr als jeder Vortrag vom Blatt.

Eines ist offensichtlich: Der Wahrheitsfindung dient die freie Rede deutlich besser als jeder Vortrag vom Blatt. Denn abgelesene Texte sind zuvor meist schon durch viele Filter und Abstimmungsschleifen genudelt worden, wobei regelmäßig die „inconvenient truths“ zugunsten von Schmeicheleien und Ergebenheitsadressen auf der Strecke bleiben. Den gefährlichen Freestyle aber beherrschen Briten und Amerikaner ungleich besser als die sich ängstlich an Papiere klammernden Deutschen. Die Angelsachsen haben die freie Parlamentsdebatte schließlich einst zur Kunstform erhoben.

Wenn jemand sich in deutscher Sprache nicht auf Redemanuskripte oder den Teleprompter stützen kann, kommt dabei neben Gestammel erstaunlich oft eine sogenannte „Wutrede“ heraus. Man denke nur an Fußballtrainer wie Rudi Völler mit „Scheißdreck und Käse“ oder Giovanni Trappatonis „Flaschen leer„. Das von Leitplanken befreite und manchmal auch von Substanzen beeinflusste Wort lässt eben nicht selten lang in Schach gehaltene Emotionen von der Kette – zugleich mit Wahrheiten, die ebenso lange mühsam gedeckelt worden waren.

Das jüngste Beispiele für diese deutsche Tradition der wahrhaftigen Wutrede lieferte der scheidende Vorstandschef der Deutsche Börse AG, Theodor Weimer, mit einem freien Vortrag, der Anfang Juni viral ging. Auch im vorangehenden Satz steckt schon ein Schlüsselwort, das in Sachen Wahrheitsfindung noch genauer zu untersuchen sein wird, doch dazu gleich. Den Rahmen der Rede bildete eine Tagung des „Wirtschaftsbeirats Bayern“ im Münchner Hotel Bayerischer Hof. Von solchen Veranstaltungen erwarten sich Normalsterbliche lediglich öde Zahlen, Daten und Fakten. Nichts könnte falscher sein.

Gerade Wirtschaftskongresse sind heutzutage meist Potemkinsche Dörfer: Spitzenvertreter aus Industrie und Regierungspolitik machen sich gegenseitig weis, dass dieses Land nicht etwa in der schwersten Krise seit Kriegsende stecke, sondern voll und ganz auf dem Kurs zur total klimakorrekten und divers-inklusiv postkapitalistischen Gerechtigkeitsökonomie sei. Auftritt: Weimer. „Ich habe inzwischen mein 18. Treffen mit unserem Vizekanzler und Wirtschaftsminister Habeck hinter mir“, improvisierte der Börsenchef, „und ich kann Ihnen sagen, es ist eine schiere Katastrophe.“ So etwas war im ungeschriebenen Skript der Kongress-Etikette nicht vorgesehen, doch es kam noch viel schlimmer.

Weimers Thema war der Bogen, den ausländische Investoren um Deutschland machen, weil es hier seit Einführung der rotgrünen Kommandowirtschaft samt selbstverschuldeter Energieversorgungs-Engpässe so etwas wie Standortvorteile nicht mehr gibt. „So schlecht wie jetzt war unser Ansehen in der Welt noch nie“, fasste er bündig zusammen und wiederholte: „Noch nie!“ Deutschland sei „zum Ramschladen geworden“. Oder, an anderer Stelle: „Wir sind ökonomisch gesprochen auf dem Weg zum Entwicklungsland.“ Und für die, die den Ernst der Lage noch immer nicht verstanden hatten, einer von vielen weiteren Hieben gegen den etablierten Politik-Konsens: „Unsere Migrationspolitik, ich will nicht zu politisch werden, wird allseits als vollkommen falsch empfunden. Unsere Ausrichtung am Gutmenschentum wird nirgends geteilt.“

Wahrheiten über die Wahrheit (2): Eine sichere Rente steigert die Aversion gegen die Lüge.

Eine vermeintliche Wahrheit über den grünen Wirtschaftswunderstaat Deutschland nach der anderen zerlegte Weimer mit heiserer Stimme. Und die schlimmste Glaubenszertrümmerung folgte kurz vor Schluss: „Der Staat wird’s nicht richten, meine Damen und Herren!“ Ja, aber der Staat … der Staat ist doch allmächtig. Wer soll uns denn dann retten? Die Frage stand allen Zuhörern ins Gesicht geschrieben, ohne dass sie jemand aussprach. Der Applaus am Ende der Rede war verhalten, Schockstarre dominierte.

Es ist aufschlussreich, sich die User-Kommentare unter dem Video der Rede durchzulesen. Das vorhin schon angedeutete Schlüsselwort zur Person des Redners Weimer war das Wort „scheidend“: Seine Pensionierung als Börsenchef ist in greifbare Nähe gerückt, die nicht mehr karrierenotwendige Zurückhaltung lockerte ihm vermutlich die Zunge. Das warfen viele Kommentatoren dem Wutredner vor: In Deutschland werde nur dann Klartext gesprochen, wenn einer die Rente schon sicher habe. Vorher, solange man angreifbar sei, herrsche kleinlaute Duckmäuserei. Da sei man wie selbstverständlich bereit, die Wahrheit zu verbiegen – es könnte ja noch einmal nützlich sein. Ich selbst habe Apostel der Wahrheitsverkündung kennengelernt, die genau wussten, wie weit sie gehen konnten, ohne den eigenen Pensionsanspruch oder den Platz an der politischen Gnadensonne zu gefährden, und keinen Schritt weiter gingen.

Doch die YouTube-Kommentare unter Weimers Wutrede sind noch in anderer Hinsicht instruktiv. Dem Redner wird auch vielfach vorgeworfen, er sei als erprobte Rampensau nur auf eitle Selbstdarstellung aus. Und auch das ist ein valider Punkt: Die meisten Menschen, die auf wahrhaftiges Handeln und glaubwürdige Informationen von „denen da oben“ angewiesen wären, sind selbst nicht in der privilegierten Position, sich die Wahrheit ohne Rückendeckung leisten zu können. Sie bräuchten den breiten Rücken von Vorgesetzten, die gegenüber noch höheren Mächten die Wahrheit verteidigen – nicht aus Eitelkeit, sondern um ihre unfotogenen Untertanen außerhalb des Rampenlichts aus der Schusslinie zu nehmen. Doch das ist, wie wir alle wissen, in 999 von 1000 Fällen Wunschdenken.

Wo also waren die Kapitäne der deutschen Wirtschaft, als sie noch Zeit und Gelegenheit hatten, gegen die ideologische Vereinnahmung durch linksgrüne Fundamentalisten aufzustehen? Warum duckten sie sich weg? Wie wurden sie gekauft? Oder erpresst? Oder bei einem geradezu naiven Idealismus gepackt, der nüchternen Industriebossen eigentlich fremd sein sollte? Die Wahrheit, dieses scheueste aller Rehe, blieb in jedem Fall auf der Strecke, dicht gefolgt von der Leistungsstärke unserer Wirtschaft. Und wir alle baden es in Zukunft aus.

Doch es gibt auch den Typus des professionellen Wahr-Sagers. Bei den Wiener Festwochen verhandelte man Anfang Juni in einem simulierten Gerichtsprozess auf einer Theaterbühne „Anschläge auf die Demokratie“. Schon dieses Setting sagt erfahrenen Beobachtern, dass hier die guten Menschen der linksliberalen Kulturschickeria Wiens unter sich zu sein glaubten. Erwartbar waren auf der Bühne die üblichen Rituale der Selbstvergewisserung, Reinwaschung und Autoimmunisierung „gegen rechts“. Im zahlenden Publikum durfte man sich sicher sein, mit den Schauspielern und Vortragenden die eine, einzige, zertifizierte und selbstevidente Wahrheit zu teilen: „Rechts“ ist keine Meinung, sondern ein strafwürdiges Delikt.

Doch dann wurde der Seelenfrieden der Zuhörer jäh gestört – nicht von außen, sondern durch einen offiziell geladenen Redner. Es ist bis heute ungeklärt, welcher Schlingel Robert Willacker auf die Einladungsliste gesetzt hatte. Jedenfalls hatte die präventive Cancel Culture versagt. Der glatzköpfige Gast aus Deutschland, der da live für ein „Schlussplädoyer“ auf die Bühne treten durfte, ist schließlich leibhaftiger Strategieberater rechter Parteien und Politiker, insbesondere der aufstrebenden österreichischen FPÖ. Schon der Titel seines Vortrags war ein Schlag ins Gesicht der Einheitswahrheit: „Braucht es rechte Parteien?“ Darf man solch eine Frage, selbst wenn sie nur rhetorischer Natur sein kann, überhaupt in den Raum stellen? Ein wenig zu gewagt, oder?

Wahrheiten über die Wahrheit (3): Wirkliches Verstehen bedroht jedes Feindbild.

Nun gibt es ja so etwas wie wohliges Gruseln über Nazis. Seit Kriegsende haben Tausende von Hollywood-Produktionen diesen Gänsehauteffekt bedient und Germans in Ledermänteln und Hakenkreuzarmbinden mit Dialogzeilen wie „Achtung! Wegtreten!“ durchs Bild stolzieren lassen. Auch ein champagnersozialistisches Bühnenpublikum ist durchaus dafür zu zahlen bereit, wenn es hübsch dosiert und mit einer wohltemperierten, die Ambiguität wieder in Moralität rückverwandelnde Schlusspointe verabreicht wird. Doch was den eleganten Damen und Herren hier wiederfuhr, war etwas ganz anderes. Nämlich Verunsicherung pur: „Ich habe schon beim Reinkommen gesehen“, begann Willacker, „dass sich die ethnische Zusammensetzung hier im Saal in etwa in dem Rahmen bewegt, den ich auch beim durchschnittlichen Aschermittwoch der FPÖ begegne.“

Autsch! Erstes unruhiges Murmeln auf teuren Plätzen. Waren sie nicht aus tiefstem Herzen divers und vielfältig, die Zuhörenden im Saal? Aber selbstverständlich waren sie das! Allein, man sah es ihnen nicht an. Denn sie waren alle derselben Hautfarbe, Kultur, sozialen Schicht, politischer Überzeugung, Vorlieben – und teilten dasselbe Bedürfnis nach Sicherheit, im Lager der Anständigen zu stehen. Aber Willacker lief sich ja gerade erst rhetorisch warm. Schon nach gut zwei Minuten beantwortete er dabei die Titelfrage seines Vortrags mit einer dialektischen Lust, die Stadtikone Siegmund Freud erfreut hätte: „Sie brauchen diese Parteien, um Ihre Schuld kompensieren zu können!“

Ungläubiges Staunen, daher Erläuterung: „Sie brauchen diese Parteien, denn ihr Ich ist nicht in der Lage, den Konflikt zwischen Ihrem Es und Ihrem Über-Ich zu kalmieren und zu kanalisieren. Sie sind zu weiß, Sie sind zu reich, Sie sind zu heterosexuell. Sie fahren zu viel Auto, Sie essen zu viel Fleisch und Sie heizen falsch – und dann hatten Sie da auch noch diesen Großvater, über den in Ihrer Familie seit jeher deutlich mehr geschwiegen als gesprochen wurde.“ Genau deswegen sehne sich das werte Publikum so nach einem „ausgelagerten Feindbild“ in Form rechter Parteien, in denen man sich für all das Aufgezählte nicht einmal schäme. Sie, die Kulturelite, sei auf dieses Feindbild angewiesen, um sich „nicht länger dem Konflikt mit Ihrem eigenen Selbst stellen zu müssen.“

Das Schlimmste: Der in Brasilien geborene Willacker ist mit seinem braunen Teint auch noch deutlich weniger weiß als sie, die Vielfältigen. Was macht so jemand bei den Rechten? Die Zuhörer würden keine Antwort auf diese im Stillen bedrängende Frage finden, belehrt sie Willacker vorsorglich, denn diese Antwort „verbirgt sich hinter einem positiven Zugang zur nationalen Identität, zur Geschichte und tradierten Kultur. Und diesen Zugang, den verwehren Sie sich selbst. Schließlich stünde ein Verständnis von ‚rechts‘ Ihrem ‚Kampf gegen rechts‘ im Weg.“

Dieser letzte Satz rührt an den Kern dieser bemerkenswerten Rede, deren gestreckter Galopp über die Klischees und Gewissenheiten Linker noch eine Weile weitergeht. Denn ein wirkliches und tiefes Verständnis dessen, was man in vorsätzlich verkürzter Form als Feindbild adoptiert hat, droht das Feindbild zu sprengen. Mit anderen Worten: Wahrheit, die ganze Wahrheit, tut Schwarzweißdenkern nicht gut. Aus dieser unbewussten Angst heraus haben die Propagandaspezialisten des Westens auch das Schimpfwort „Putin-Versteher“ geboren. Denn wer sich wie Tucker Carlson in einem der meistgesehenen Interviews dieses Jahrhunderts um ein ungefiltertes und ergebnisoffenes Verständnis des russischen Prädidenten und Kriegsherren bemüht, wird weniger empfänglich für Lügen – übrigens für Lügen aus beiden Lagern. Verstehen bedeutet bekanntlich nicht gutheißen. Doch gerade weil es für Wahrheitsunterdrücker so gefährlich ist, wird von ihnen beides gleichgesetzt.

Eine ähnliche Zumutung und Manipulation steckt in der Propagandafloskel „Trust the science!“, mit der die Menschen während Corona auf den totalitären Einheitskurs von Staat, Pharmalobby und Big Tech eingeschworen wurden. Nichts ist weniger als die Wissenschaften dazu geeignet, blind zu vertrauen. Nicht einmal als Laie. Es stimmt nicht, dass man ohne Diplom „nicht mitreden“ kann: Einfache Fragen stellen kann und muss jeder, Expertise verlangen nur fundierte Antworten. Wissenschaft besteht gerade im ständigen Anzweifeln wohlfeiler Setzungen und Erklärungen, sonst gäbe es den wissenschaftlichen Fortschritt nicht. Der entsteht nur durch Infragestellen vermeintlich unhinterfragbarer Wahrheiten.

Allein schon „die Wissenschaft“ zu sagen, ist eine bornierte Frechheit, die alle Alarmglocken läuten lassen sollte. Wissenschaft ist, wo sie nicht durch Ideologie ersetzt wurde, ein vielstimmiger und dissonanter Chor. Oder wie der Volksmund sagt: zwei Experten, drei Meinungen. Das kann auch gar nicht anders sein, da die Faktenlage stets widersprüchlich oder bestenfalls unvollständig ist. Heute, wo von unerschrockenen Kritikern Stück für Stück nachgewiesen werden konnte, wie diese Fakten während Corona von interessierter Seite mit krimineller Energie verbogen und unterdrückt wurden, sollte die angebliche Todesseuche für alle Zeiten ein Lehrstück sein: Wahrheit ist oft genau das, was eben noch als „Verschwörungstheorie“ gebrandmarkt wurde.

Oft, aber leider nicht in jedem Fall – das schmerzt und macht die Sache unbequem. Selbst im Aufdecken einer gigantischen Wahrheitsverfälschung wie der Corona-Lügen kann wie bei den ineinander verschachtelten Matrjoschka-Puppen noch Manipulation und Unwahrheit stecken. Eine bleibende Lehre in dieser Hinsicht ist mir der Dokumentarfilm „Pandamned“.

Er kam im Mai 2022 heraus, als die Grundrechtsverletzungen, die Repressalien gegen Maßnahmengegner und das Russische Roulette einer Massenimpfung mit dubiosen Substanzen voll im Schwange waren. Filmemacher und Produzent wollten aufrütteln und aufklären, wollten die Angst-Mechanismen und Manipulationen der Profiteure von Corona enttarnen. Alles richtig, alles notwendig, alles gut. Und doch setzen sie selbst im Vorübergehen den krassesten Panik-Akzent, unverantwortlich und schon zu der Zeit offenkundig wahrheitsfeindlich.

Wahrheiten über die Wahrheit (4): Ein Tropfen Unwahrheit kontaminiert ein Gewässer der Wahrhaftigkeit.

Als Expertin zu Wort kam im Film eine Frau namens Dolores Cahill, die als Professorin für Molekulargenetik und Immunologin vorgestellt wurde. Vor laufender Kamera behauptete sie mit theatralischem Gestus über die Gefährlichkeit von genmanipulierten Corona-Impfstoffen: „Jeder, der auch nur eine Dosis dieser mRNA-Injektionen bekommen hat, wird in den nächsten drei bis fünf Jahren sterben.“ Was nichts anderes bedeutet als eine Zahl von Impftoten weltweit, die an die Milliarde heranreichen oder sogar darüber liegen müsste.

So schockiert war ich von der Drastizität dieser Prophezeiung, dass ich den Produzenten des Films dazu wenig später zur Rede stellte. Ich solle doch erst einmal abwarten, erhielt ich sinngemäß und einigermaßen zynisch zur Antwort. Nun, ich warte jetzt seit bald drei Jahren ergebnislos darauf, dass unter anderem der Großteil meiner Familie, Kollegen und Bekannten ausgelöscht sein wird. Die Weissagung ist indes formal noch nicht widerlegt. Aber die für mich nachhaltige Warnung ist: Eine nützlich erscheinende Unwahrheit, an die man so unbedingt glauben möchte, dass man sie selbst als Wahrheit verbreitet, nimmt einen langfristig in Geiselhaft. Kurzfristig korrumpiert sie – mindestens das eigene Urteilsvermögen. Und wie ein Öltropfen im klaren Wasser kontaminiert sie eine große Menge lauterer Wahrheit um sie herum.

Es gibt die Meinung, im postfaktischen Zeitalter müsse man das zugunsten der eigenen edlen Sache in Kauf nehmen. Der verlogene Gegner tue es schließlich auch – und noch weit mehr. Aber wenn ich mich darauf einlasse: Was genau legitimiert mich dann, Recht zu haben?