Warum man mich auch den David Attenborough von der Waterkant nennt: Tiere lieben mich, und ich dokumentiere aus Ehrfurcht vor der Vielgestaltigkeit der Schöpfung ihre drolligen Späße. Sie tragen mich durch diese schweren Zeiten, meine vier- bis achtbeinigen, geflügelten oder gar wirbellosen Freunde. Neu im Club: ein rotzfreches Eichhörnchen.
Ich persönlich werde ja pausenlos von Tieren verfolgt bzw. belagert. Erstaunlich eigentlich: Mitten in einer modernen Großstadt von fast zwei Millionen Einwohnern ziehe ich Viecher an wie die berühmten Motten das Licht. Wenn es fliegt, krabbelt oder kriecht, dann hat es mit Sicherheit bereits irgendwann zu mir gefunden.
Merkwürdig bloß, dass all diese liebenswerten kleinen Sackgassengesichter der Evolutionsgeschichte meist dann auftauchen, wenn das Wochenende bevorsteht und ich nichts zu bloggen habe. Dann aber in letzter Sekunde eben doch. Darauf scheint – zu Ihren Gunsten, werte Leser! – Verlass zu sein. Ob ich das so haben will, danach fragt die Tierwelt bekanntlich nicht. Aber ich profitiere ja als Autor irgendwie auch davon.
Erinnern Sie sich zum Beispiel noch an die Taube, die ihr Ei ausgerechnet in den Blumentopf auf unserem zugigen Balkon im zwoten Stock legte und beinahe ein weiteres Kreuzungskind ausgebrütet hätte, wäre nicht eines Morgens das Ei einfach spur- und kommentarlos verschwunden gewesen? Oder an das Rotkehlchen, das es im Drogenrausch für eine brillante Idee hielt, ausgerechnet in unserem angebrochenen Torfsack sein Nest zu bauen? An die Hornissen, die unseren schönen Meisen-Nistkasten kaperten und zu einem parasitären Musterstaat nach Gusto der Grünen umbauten? Oder gar an die seltsamen Wirbellosen verschiedener Form und Gestalt, die mich beim Schreiben unter dem Vordach der sommerlichen Gartenlaube belästigten?
Nun, kürzlich ist eine weitere dieser skurrilen Spezies (Spezien? Spezii? Speziä?) in mein Leben getreten: Buddy.
Buddy, das Eichhörnchen. Es ist frech wie Rotz. Es kennt keine Scheu. Es ist der klassische Kulturfolger, die Ratte der Baumwipfel, die Taube des Unterholzes. Daraus bricht Buddy täglich mehr als einmal unversehens hervor. Wenn ich zum Beispiel gerade völlig vertieft in den Auftrag bin, einen Report über den Niedergang des Mittelstands in Zeiten der Habeckschen Energiewende zu verfassen, klopft Buddy herausfordernd an meine Fensterscheibe. Alter, gib Nüsse!
Denn das ist es, worauf Buddy mich abgerichtet hat. Steht er da, bekommt er von mir Erdnüsse. Ungesalzen, noch in der Schale, zum Selberpulen. Das verrichtet er in Rekordzeit, so schnell kann ich gar nicht kucken. Noch weniger schnell kann ich meine Kamera in Anschlag bringen, sodass verwackelte zwei Sekunden Video das Äußerste sind, das ich bisher auf digitales Zelluloid bannen konnte:
Ach, wie es die Pinsel-Öhrchen spitzt! Oh, wie es um die Kurve fliegt! Ei, wie es schon wieder weg ist! Buddy, das muss ich zugeben, hat Charme. Einen Charme übrigens, der speziell bei Frauen ankommt, geradezu unwiderstehlich. Bei Buddy schmelzen sie alle dahin. Und ich bin überhaupt nicht neidisch, eifersüchtig oder sonstwie angefasst.
Aber selbst so ein Sexbolzen wie Buddy hat Feinde. Nebenbuhler. Wettbewerber. Vor kurzem tauchte in seinem Revier – also vor meinem Fenster – ein Konkurrenzhörnchen auf. Ich nenne es Joe B., denn es kommt aus Amerika. Eine invasive Art, dunkelbraun statt ordnungsgemäß rötlich wie Buddy, sonst aber in derselben Gewichtsklasse. Und auch Joe B. will gefüttert werden. Bislang hat er sich noch nicht ans Fenster getraut, aber selbst wenn er den Weg dorthin fände: Von mir würde er nichts kriegen. Nicht eine Nuss. Joe B. sieht aus wie jemand, dem vor lauter Demenz der Hosenstall offensteht, während er seltsame Dinge in Mikrofone sagt. Und solche Typen kriegen von mir nichts. Never.
Wissen Sie, was das Schöne an der wimmelnden Tierwelt vor meinen Fenstern ist? Mag die Lage der westlichen Welt auch noch so bescheiden sein, mag das politische Niveau der Herrschenden einen an die Flasche treiben: Jeder noch so korrupte Würdenträgerdarsteller ist vergessen, sobald diese edlen kleinen Wilden vor meinen Augen ihre drolligen Späße treiben.
Komm, Buddy, schnapp Joe B. die Nuss weg! Ja! So ist richtig! Vorsicht, die Ricarda will sie dir weghamstern! Pfui! Beiß sie! Guter Junge!
Kenne ich irgendwo her. Vor allem Katzen. Vor 20 Jahren oder so, ich im Kundendienst bei unseren US-Freunden. Er auf der Base, sie empfängt mich. Dazu die Hauskatze, sitzt ruhig da, lässt sich anfassen. Hausdame schaut plötzlich völlig verblüfft: „Girliiie? You´re making friends!!??“. Einzig Buddy und Co. blieben auf Abstand (baten mir aber schon gerne mal morgentliche Flitzekraxelvorstellungen), bisher, dafür komme ich mit allem freundlich in Berührung, was mehr als zwei Beine zum Laufen hat.