Eine ehemals würdevolle Hamburger Einkaufsmeile als Spiegelbild der Berliner Bananenrepublik: In unserer Serie über die politische Begrünung der Mönckebergstraße begrüßen wir heute nach dem Klimakrisen-Gebetsteppich ein Mahnmal für die zukünftigen Opfer der Affenpocken

Um es vorwegzunehmen: Nein, dies ist keine Verschwendung von Steuergeldern. Ebensowenig, wie dies hier eine war. Möglicherweise wurden auch für die neueste Hamburger Bevölkerungsbeglückung ein paar Euro öffentlicher Fördermittel lockergemacht, kann sein, weiß ich nicht. In einem Land, in dem die Regierung bis heute geschätzte 1,1 Billiarden für verheerende Coronamaßnahmen plus zuletzt die spontane Weltkriegs-Aufrüstung der Bundeswehr verschleudern konnte, spielt das absolut überhaupt keine Rolle mehr, glauben Sie mir. Außerdem hätte mich diese Staatskohle zum Fotografieren und Schreiben angeregt und könnte schon deswegen kein schlecht angelegtes Geld sein.

Ich habe auch nichts gegen die verschlumpfte Knuffigkeit dieser humanoiden Merkelpoller. Rein ästhetisch und selbst ideologisch betrachtet gibt es ungleich Schlimmeres bzw. Langweiligeres, etwa die Kasseler Documenta oder die gerade vergangene Hamburger Foto-Triennale in den Deichtorhallen. Kunst, die sich von vornherein jeder originellen Interpretation verschließt und nur auf eine einzige Weise betrachtet werden darf. Ist hier nicht der Fall. Und dass Touristen ebenso wie einheimische Powershopper geradezu reflexhaft Selfies vor diesen geschlechtslosen Höhlentrollen machen müssen, stört mich auch nicht. Gleich und gleich gesellt sich immer gern.

Aber was ist das hier überhaupt? Nennen wir es Kunscht. Ein Dutzend 3,50 Meter hohe Affen-Skulpturen, die seit Sonntag am östlichen Ende der Mönckebergstraße herumstehen. Die Mönckebergstraße ist TWASBO-Lesern auch bekannt als Baerbocksche Dorfstraße, weil deren westliches Ende in Rathausnähe seit Jahr und Tag von einer gigantischen grünen Propagandaparole niedergedrückt wird:

Grüne „Klimapolitik“ – mit freundlicher Unterstützung von SPD, FDP, CDU, CSU und Linken sowie dem Bundesverfassungsgericht – macht aus ehemals pulsierenden Verkehrsadern in Citylage totalberuhigte Baerbocksche Dorfstraßen, ohne dass sich das Weltklima auch nur ansatzweise davon umstimmen ließe. Es beugt sich allerhöchstens, aber eben nicht im grünen Sinne, dem exorbitanten Bevölkerungswachstum Afrikas und Asiens, auf dessen erwärmende Folgen die kleindeutsche „Klimapolitik“ keinerlei bremsende Wirkung ausübt.

Ungeachtet dessen ist die Affenhorde, die jetzt rund 500 Meter weiter östlich am anderen Ende dieser Noch-Einkaufsstraße stationiert wurde, der logische Gegenpol zum Propaganda-Gebetsteppich für diese gesellschaftslähmende Blockadepolitik. Denn die für Kraftfahrzeuge undurchdringliche Affenphalanx steht – jeder einzelne im Gegenwert von massiven 100.000 Euro – nicht etwa auf den breiten Bürgersteigen herum, was leicht machbar gewesen wäre. Sondern mitten auf der schmalen Fahrbahn, wo eben erst nach rund einem Jahr Sperrung wieder die Busse und Taxis anrollten. Vor einigen Tagen war genau dort die Dauerbaustelle aufgehoben worden, die bisher die motorisierte Mobilität auf der Baerbockschen Dorfstraße ausgebremst hatte. Das haben nun für die kommenden zwei Wochen die Affen übernommen. Wie gesagt: Merkelpoller, diesmal in Tiergestalt. Busse und Taxis quälen sich derweil erneut durch Nebenstraßen.

Die Affenbande trägt als Gesamtkunstwerk den enigmatischen Titel „Angekommen“, und ihre Beschaffung ist eine Kooperation des Hamburger „City-Managements“ mit der „internationalen Kunstauststellung NordArt in Büdelsdorf“. Ja, richtig, das Büdelsdorf, dieser Hotspot des globalen Kunstbetriebs. New York. Paris. Büdelsdorf. If you can make it in Büdelsdorf, you can make it anywhere. Aber keine Vorurteile gegen Weltmetropolen von punktueller Bedeutung, bitte! Auch im kleinsten Büdel steckt großes Gefiedel. Und wer weiß, vielleicht käme man mit einem ganz schmalen Automobil (Isetta?) gerade noch so zwischen den beiderseits aufmarschierten Nacktärschen der Brüllaffen hindurch. Ausschließen möchte ich das nicht. Zwischen ihnen steckenbleiben aber auch nicht.

Denken Sie sich bei diesem Anblick doch, was Sie wollen. Es ist schließlich ein freies Land, und die Gedanken sind … nein, Scherz. Aber denken Sie ruhig. Denken Sie etwa: Oh, ein Mahnmal für die zukünftigen Opfer der Affenpocken, wie ergreifend! Oder denken Sie wie ich: Die erinnern mich an die Reihen von Karnevalsjecken, die ich damals als Anwohner in der Kölner Innenstadt jedes Jahr beim Rosenmontagszug an die Fassade der Marienkirche pissen sah! Oder denken Sie: Stimmt gar nicht, das waren die Jungs bei der CSD-Parade! In Wahrheit ist beides richtig: Es spielte sich zweimal jährlich ab. Übrigens mit genau diesen konzentriert zum Himmel gerichteten Blicken, obwohl es eine Kirchenwand war. Sie hatten keine Angst vor der Hölle, die Feiernden.

Der Schöpfer dieser zwölf identischen, bepelzten aber pillerlosen Manekens Pis ist der offensichtlich affenaffine Künstler Liu Ruowang aus China. Seine eigene Interpretation dieses Aufmarsches übermittelt das Qualitätsmedium T-Online: „Die überdimensionalen Gorillas mit ihrem Blick gen Himmel sollen vor der zunehmenden Zerstörung der Natur durch das Fortschreiten der Zivilisation mahnen. ‚Die verblüfften Augen und das unschuldige Gesicht der Affenmenschen offenbaren den Wunsch, all das zu korrigieren und in Richtung einer strahlenden Zukunft zu gehen‘, sagte Ruowang.“

In Richtung einer strahlenden, staatsfrommen, durch und durch grünen Zukunft. Und sehen Sie, da hätten die Grünen samt ihrer wehrhaften Demokratin Annalena jetzt schon wieder Erklärungsbedarf, gäbe es denn eine Presse, die Politiker noch auf den Topf setzte. Da regiert diese Partei Hamburg und den Bund mit, führt heldenhaft einen (für andere) opferreichen Abwehrkrieg in der Ukraine, würde am liebsten alle Russen aus dem Land werfen – und lässt es zu, dass keinen Kilometer vom Rathaus entfernt ein Künstler aus einem aggressiv national-sozialistischen Land ausstellt? Ein Künstler zumal, dessen Werk „Der Osten ist rot“ 2005 staatlich prämiert wurde und dessen Karriere unter dem stets wohlwollenden Auge der Einparteien-Diktatur verlief. Aber ich will beileibe nicht zum Canceln von Kunst aus ideologischen Gründen aufrufen. Dafür haben wir diejenigen, die linksgrün im Geiste sind.

Außerdem: Es ist doch alles bloß Entertainment! Ein wenig Spaß muss sein, wenn das Business District florieren soll. Und das wäre schön, denn es geht dieser einst gehobenen Geschäftsstraße gar nicht so gut. Linkerhand von den Menschenaffen geht es ins Untergeschoss der leerstehenden Galeria-Kaufhof-Filiale, wo neulich vorübergehend die vulgärkapitalistische Banksy-Ausstellung eröffnet wurde. Und rechterhand erhebt sich die leerstehende Karstadt-Sport-Filiale, die man jetzt als „Zwischennutzung“ in eine Art Trash-Galerie der käuflichen Gebrauchskunst namens Artstadt verwandelt hat. Ach ja, C&A ist jetzt auch zu. Das sind schon mal drei ausgewachsene Kaufhäuser gleich am Eingang zur immer noch glamourösen Alster-Innenstadt, die das zweijährige Lockdown-Schlachtfest nicht überlebt und im Zuge ihres Todeskampfes geschätzte 500 Arbeitskräfte „freigesetzt“ haben. Bedanken Sie sich hauptsächlich bei René Benko. Es ist von diesem Punkt an ohnehin alles nurmehr Zwischennutzung auf dem Weg zum gesellschaftlichen Endlager: die gesamte Berliner Republik.

Aber jetzt und hier in Hamburg konnte das City-Management, so T-Online, mit seiner Kunstaktion „ein Highlight mit großer Strahlkraft realisieren und den Stadtraum ‚einzigartig erlebbar machen'“. Dabei sollen Ihnen die Affen an diesem Standort vordergründig einen prickelnden kleinen Umweltgewissen-Schauer über den Rücken jagen, Sie aber gleichzeitig zu immer mehr, mehr, mehr Konsum locken. Das ist eben die Dialektik des NeoSoz. Dank Liu Ruowang und seinen zwölf umsatzfördernden Neandertalern ist zumindest für eine strahlende Zukunft der Baerbockschen Dorfstraße gesorgt – wenn wir alle unseren Beitrag leisten. Als ich gestern mit einigem Balance-Geschick zwischen den Affenärschen hindurchradelte, war die Reihe an mir: Ob ich mal schnell ein Foto von ihr mit Gorilla machen könne, hielt mich eine Touristin an. Ich tat es für Deutschland.


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