Meine Damen und Herren, liebe Kinder, sehr geehrte Hamburger Pfeffersäcke! So sieht Verschwendung von Steuergeldern aus:

Fand zumindest der Bund der Steuerzahler bei der Vorlage seines neuen „Schwarzbuchs“ kürzlich in Berlin. „Kunstfreiheit hin oder her – es ist ein eklatanter Fall von Verschwendung, wenn aus Steuergeldern finanziertes Blattgold an eine Hauswand geklebt wird“, konstatierte der Verein. Es geht um die Vergoldung dieses Sozialwohnungsblocks auf der Veddel, einem der ärmsten Hamburger Stadtteile mit einem Migrantenanteil von vielleicht 80 Prozent.

Satte 85.000 Euro seien hier verschwendet worden, denn profitiert hätte davon vor allem der Künstler Boran Burchhardt, nicht aber die Anwohner. So der Steuerzahlerbund.

Ach ja? Woher weiß das denn der Steuerzahlerbund? Mal gesprochen mit den „Anwohnern“? Natürlich nicht. In welcher Sprache denn auch. Er spricht weder Albanisch noch Russisch noch Arabisch noch Türkisch. Aber er weiß: Die Anwohner profitieren nicht. Klar, denn Blattgold kann man nicht von der Fassade kratzen und in die Suppe tun.

Blattgold kann man nicht in die Suppe tun.

Und doch stehen sie plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ihr Haus wird fotografiert. Nicht nur von mir, sondern zeitgleich (!) auch von anderen, gut bürgerlich aussehenden Sonntagstouristen aus den besseren Stadtteilen, die es sonst nie, niemals auf die Veddel verschlagen hätte. Da wird diskutiert, da werden kleine Details beachtet, da wird wahrgenommen. Erstmals wahrgenommen, was sonst immer im Schatten verborgen geblieben wäre.

Sehen Sie, da ist sie wieder: unsere Geteilte und Hansestadt Hamburg. Auf der einen Seite weiße Villen und grüne Gärten, auf der anderen Seite monotone Rotklinkerblocks, so weit das Auge reicht. So gehört das, so geht die Hamburger Apartheid. Und niemand hat daran was zu ändern.

Als ich vor vielen Jahren nach Hamburg zog, da war eine der ersten Lebensweisheiten, die man mir hier mitgab: „In den roten Häusern wird das Geld gemacht, und in den weißen Häusern wird das Geld gezeigt.“ Das ist die Grundordnung des Hamburger Universums. Kratzt jemand daran (oder am Blattgold), dann droht die Sonne sich nicht mehr um die Erde zu drehen. Dann ist Revolution oder Schlimmeres.

In den roten Häusern wird das Geld gemacht, und in den weißen Häusern wird das Geld gezeigt.

Bei den anderen vier Hamburger Steuerverschwendungsprojekten, die es ins bundesweite Schwarzbuch geschafft haben, ging es zwar um teils sehr viel höhere Beträge. Aber da war zumindest das Bürgertum unter sich, um sich die Pfründe von Konto X zu Firma Y gegenseitig zuzuschanzen, wie es sich für eine ordentliche Steuergeldverschwendung gehört.

Aber jetzt? Jetzt wohnen die Daniuns und die Vardars und die Barakats und die Duczeks dieser Welt plötzlich in einem goldenen Haus! Und haben doch gar keine Verdienste um unsere schöne Freie und Hansestadt erworben. Und sind in keinem Senatsarbeitskreis, in keinem Ausschuss der Bürgerschaft, in keiner Patriotischer Vereinigung und in keinem Anglo-German Club je gesehen worden. Am Ende zahlen die nicht mal Steuern!

Ja, Herr Geheimrat, darf denn das sein? Nein, Frau Konsul, das geht gar nicht! Das Pack, es könnte aufmüpfig werden bei so viel Glanz vor Augen. Ich sage immer: Krieg den Hütten, Frieden den Palästen!

Aber wissen Sie was? Der Pöbel, er wird ganz schnell ersticken an seinem vermeintlichen Reichtum, der nicht mal den Immobilienwert steigert. Das gemeine Volk kann doch damit gar nicht umgehen.

Sehen Sie, Herr Landgerichtsassessor, ich sage das nicht gern, aber da hat schon jemand das böse F-Wort in das Blattgold geritzt. Und ein Graffito (die einfachen, ungebildeten Menschen sagen ja gerne fälschlich „Graffiti“ im Singular!) verunziert auch schon die hauchdünne Oberschicht. Verstehen Sie: Oberschicht, als scherzhafter Begriff für das von unseren Steuergeldern aufgetragene Blattgold. Am Sozialwohnungsblock. Köstlich, nicht?

Das vergeht, Frau Konsul, das vergeht.