An ihren Häusern sollt ihr sie erkennen: Ein führendes Ausbildungsinstitut der Medien-Elite ist kürzlich wieder einmal umgezogen. Doch diesmal erinnert wenig an die repräsentativen Sitze der Vergangenheit. Eine Annäherung an die neue gesellschaftliche Realität?

Das Bild oben zeigt ein Gutshaus im Kölner Villenviertel Rodenkirchen. Seinem Namen haftet in meinen Ohren für immer der knarzende Klang von Kadettenanstalt und Kasernenhof an: Gut Schillingsrott. Eine Zeitlang beschrieben diese Assoziationen den hier herrschenden genius loci ganz gut, zumindest nach meiner Erfahrung: Die Jahre von 1987 bis 1991 verbrachte ich auf Gut Schillingsrott als Student der „Kölner Schule“ (KS), die im Gutshaus residierte. Hier wurden Wirtschafts- und Politikredakteure sowie PR-Manager für Unternehmenskommunikation ausgebildet.
Dabei hätte der damalige Hausherr jeden Verdacht des Totalitären für absurd erklärt, kamen er und seine Kollegen doch von der unangreifbaren Seite des „Antifaschismus“ her. Die privat geführte KS war im Aufbruchsjahr der Achtundsechziger von linken – natürlich von linken – Journalisten und Soziologen um Schulleiter Heinz D. Stuckmann gegründet worden. „Zeit“- und WDR-Autor Stuckmann gebärdete sich im Unterricht an dieser vermeintlichen Elite-Kaderschmiede wie ein journalistischer Napoleon, doch das war im Nachhinein nicht das Abstoßendste an ihm: Anfang 1994 (lange nach der Wiedervereinigung und tief im Westen des geeinten Deutschlands) wurde er als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR enttarnt und später rechtskräftig verurteilt.
Über viele Ausbildungsjahrgänge hinweg hatte Stuckmann dem Mielke-Apparat anlässlich von Ostberlin-Exkursionen handverlesene Journalistenschüler zugeführt, um sie im Falle einer Anwerbung etwa als Perspektivagenten in westdeutsche Medien einzuschleusen. Zwar sind kaum erfolgreiche „Anbahnungen“ bekannt geworden, doch bis zu seinem Tod war der unbelehrbare Lehrer und Träger der Verdienstmedaille der DDR stolz auf seine Sabotage an einem freiheitlichen Journalismus.
Klar, dass die Schule nach dem Auffliegen Stuckmanns nicht einfach so weitermachen konnte. Mit ihm, dem Eigentümer, war auch der alte Standort Gut Schillingsrott erledigt und musste veräußert werden. Doch dem Ruf der KS als Spitzeninstitut der journalistischen Nachwuchspflege konnte der Skandal nicht dauerhaft etwas anhaben. Unter neuer Leitung ließ sie sich 1998 an einem noch beeindruckenderen Sitz nieder: im hoch aufragenden, glitzernden, neu errichteten Kölner „Mediapark“.

Denn auf eines war selbst in der bereits zu Ende gehenden Boomphase des deutschen Journalismus Verlass: Unwiderstehlich angezogen wurden seine Branchenführer von der architektonischen Sprache der Macht. Damit hielten es die Verlage und Sender nicht anders als die Ausbildungs-Institutionen: Ihre Selbstwahrnehmung ertrug keine Bescheidenheit – und solange Werbeeinnahmen oder wahlweise Studiengebühren sprudelten, schien ihnen daran nichts unverhältnismäßig. Geld war schließlich da, warum es also nicht zur Schau stellen?
Im Mediapark zu Köln feierte die Kölner Journalisten-Schule (KJS), wie sie sich nun nannte, denn auch im Jahr 2018 ihr 50-jähriges Bestehen – im Beisein des damaligen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU). Kein mir zur Ohren gekommenes Wort verlor das Institut anlässlich des Jubiläums über das lange und prägende Kapitel seines leitenden Stasi-IM. Im überwiegend blümchenbunten Imagefilm war dieses Vierteljahrhundert auf ein paar kommentarlose Schwarzweiß-Fotos geschrumpft.
Ich habe seither nur noch selten von dieser Schule ohne Vergangenheit gehört – weil ich es vermieden habe, wo es ging. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen und Erkenntnisse in Bezug auf meinen erwählten Beruf. Doch ich blieb Abonnent eines Newsletters. Dort wird in längeren Abständen unter anderem mitgeteilt, was für Preise, Jobs und Ehrungen Kölner Journalistenschüler in letzter Zeit wieder eingefahren haben. Und in der aktuellen Ausgabe gab es unter „ferner liefen“ auch die für mich zunächst überraschende Mitteilung, dass die KJS nicht länger im Mediapark ansässig ist. Sondern von nun an hier:

Es handelt sich um eine breite Ausfallstraße auf dem Weg in die westlichen Randbezirke der Stadt. Hier, wo der SPD-verfilzte Siedlungsbaukonzern Vivawest kürzlich noch ein Kundencenter für seine multikulturellen Mieter unterhielt, wo Hinterhöfe und wechselnde Firmenschilder zu Gewerbebetrieben mit unterschiedlicher Aussicht auf ein Überleben führen, werden von nun an die High Performer des deutschen Wirtschaftsjournalismus heranwachsen. Sicher erhalten sie auf diese Weise einen realitätsnäheren Eindruck von dem gesellschaftlichen Umfeld, in dem sie zukünftig die Interessen der Mächtigen vertreten sollen.
Mit keinem Nebensatz indes benennt der Newsletter Gründe für die neue Anschrift. Sind es dieselben, die das dramatische Downsizing der Medienbranche insgesamt erklären? Ist es die sich immer weiter öffnende Schere im deutschen Journalismus zwischen Anpruch und Reichweite, zwischen Agenda und Glaubwürdigkeit, letztlich zwischen Fassade und finanziellem Ertrag? Hat der Finanzkapitalismus, der den Mediapark in den Himmel wachsen ließ, seine einstigen Hätschelkinder ausgespuckt? Das wären jetzt naheliegende journalistische Fragen.
Jedoch: im Newsletter keinerlei Erläuterung. Auch nichts über die weggebrochene Attraktivität eines einstigen Traumberufs – oder all die Webfehler einer „Medienlandschaft“, die sturheil auf ihr diskretes Bündnis mit der jeweiligen Macht-Elite setzt, statt dieses Establishment gemäß hohler Lehrfloskeln „kritisch zu hinterfragen“. Hier werden keine Fragen gestellt. Mit lakonischer Beiläufigkeit erfahren wir lediglich: „Die neue Adresse lautet Aachener Str. 340. Wir wünschen der KS dort alles Gute und sind uns sicher, dass auch in neuen Räumen die Qualität der Ausbildung unverändert hoch bleiben wird.“
Das kann man nur hoffen. Wir alle müssen uns in diesen Zeiten nach der immer kürzeren Decke strecken. Aber warum nicht das Beste daraus machen: Willkommen, ihr Meinungsmacher von morgen! Vielleicht schärft der neue Standort ja euren Blick für die Wirklichkeit. Und hinter die Fassaden.
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