Ich verordne mir eine Auszeit – und damit auch diesem Magazin. Es ging hier nie darum, etwas zu „bewegen“, das schaffen nicht mal andere mit hundert- und tausendfacher Reichweite. Zu stark ist die Propaganda der Mächtigen, die täglich auf uns niedergeht. Zu groß sind inzwischen auch die angezüchtete Dummheit und Trägheit unter den Regierten. So werden wir nun also für unseren eigenen Krieg gegen Russland gerüstet durch diejenigen, die bei einem Frieden in der Ukraine um Geld und Macht fürchten müssen. Dagegen regt sich kein breiter, verhindernder Widerstand, ebensowenig wie zuvor gegen die Errichtung des Regimes der Corona-Profiteure oder bis heute gegen den Raubzug der moralisierenden Planetenretter. Ich kann es nicht ändern, empfehle meinen Lesern aber immer wieder einen Blick hierauf.

Worum es allerdings ging, war der Austausch. Er ist, bis auf eine Ausnahme, gescheitert. Nicht nur der Austausch mit solchen Lesern, deren Ein-Satz-Kommentare schlicht nicht anknüpfungsfähig waren (aber: es gab auch andere!). Sondern vor allem auch mit Autoren, die das Abenteuer Schreiben gemeinsam in die Welt tragen könnten. Man kann nicht schutzlos und mit offenem Visier alleine anschreiben gegen eine Gesellschaft, die täglich korrupter und verrückter wird. Am Ende kommt man dabei unter die Räder, so oder so, und hat nichts erreicht. Doch die Mitstreit-Bereitschaft, die oben rechts in der Randspalte immer beworben wurde, hielt sich in allerengsten Grenzen (Kunststück: keine monetären Anreize, dafür feindseliger Anonymität ausgesetzt). Was nicht vor menschlicher Enttäuschung schützte, wenn sich ein „wir“ doch mal zeigte, aber das muss einkalkulieren, wer sich auf Unbekannte und Unbekanntes einlässt.

Warum es – bis auf die erwähnte Ausnahme – nie dauerhaft zu dem erhofften inspirierenden und Erkenntnis fördernden Zusammenstreiten kam: Das muss überdacht werden. Wir einsamen Kritiker sind eben nicht zufällig einsame Kritiker. Kompliziert, widersprüchlich, (über-)empfindlich, auch rechthaberisch, von Misstrauen geplagt, sozial nur sehr bedingt kompatibel. Zumal im Internetzeitalter, vereinzelt vor Endgeräten, im bläulich flimmernden Licht von Displays in nächtlicher Session. Zumal angesichts einer immer umfassenderen, immer vernichtenderen Verfolgung des eigenständigen Denkens. Uns eint gerade nicht, wie den Gegner, der Rudeltrieb zur gemeinsamen Jagd. Weshalb er immer im Vorteil sein wird.

Natürlich ist auch Feigheit im Spiel, auch Selbstzweifel, auch die immer im Hintergrund drohende Möglichkeit, auf dem Holzweg zu sein. Nicht zuletzt verliert das Schreiben selbst, und damit auch das lesende Begreifen der Dinge, rapide an Bedeutung. Das Zeitalter der Zeitungen, der Magazine, der Bücher und der von all diesen Informationsträgern befeuerten Debatte geht zu meinen Lebzeiten zu Ende – ein derart unerhörter Gedanke, dass ich noch vor zehn, fünfzehn Jahren jeden für wahnsinnig erklärt hätte, der dies zu prophezeien wagte. Statt der Schreibmaschinen werden die Maschinen schreiben. Aber werden sie auch lesen wollen, was sie selbst verzapfen? Vielleicht kommt es ja darüber zum großen Aufstand der KI, das hätte zumindest eine ironische Pointe.

Am Ende aber ist man doch allein. Die alte Kulturtechnik Schreiben, als in Buchstaben gegossene Einsamkeit, hat zumindest den therapeutischen Effekt, nicht vollends verrückt zu werden an der Welt. Eine Katharsis übrigens, die unser aller Nachfolger ChatGPT höchstens schwätzend imitieren, aber nicht erleben kann. Anders als der Algorithmus bin ich ein Mensch, ein alternder Mann. Die noch vorhandenen Kräfte müssen eingeteilt, die verbleibende Zeit muss möglichst sinnstiftend genutzt werden. Mit dieser realistischen Vorgabe werde ich mir nun eine Weile tatenlos ansehen, was hier in den letzten Jahren stattgefunden hat, wie die Welt sich ohne meine Bemühungen im Kreise dreht, und ob und wie es hier noch geht.

Bis Ostern ist jetzt Fastenzeit. Dann ungefähr sehe ich weiter.