Unsere Welt ist klein geworden. So klein wie eine Gummizelle: gut gepolstert, ausbruchssicher, überfüllt. Ein Elektroschock am einen Ende pflanzt sich bis zu den Insassen am anderen Ende fort. Und wir stecken mittendrin – woran TWASBO in dieser Reihe erinnert.

Vorbemerkung: Diese Ausgabe von Straitjacket Paradise folgt der vorigen erstmals auf dem Fuß statt im Abstand einiger Beiträge aus anderen Kategorien. Das war so nicht geplant, aber erstens drängt sich mir das Material aus allen Richtungen auf wie nie zuvor. Und zweitens komme ich mit dem allumfassenden Wahnsinn derzeit nur noch klar, wenn ich ihn in halbwegs komische Kanäle lenken kann. Ernsthafte Auseinandersetzungen mit dem Rohstoff „Existenz“ folgen auf TWASBO dann (hoffentlich) in Kürze wieder.

Zugegeben, „Ü-60-Beirat“ von Sankt Peter-Ording: Eure tadellose (Sitz-)Haltung ist hiermit dokumentiert. Ihr wolltet ein Zeichen setzen, wie üblich wohl „gegen rechts“. Und wenn man aus Altersgründen bald ins Salzwiesengras eines überteuerten Nordsee-Strandbads beißen muss, ist das sogar verständlich. Einmal noch auf der Seite der Zivilcouragierten sein, einmal noch Gummipunkte für Gratismut einfahren!

Bloß: Habt ihr die Botschaft eurer Holzbank auch wirklich gründlich durchdacht? Schaut mal: Wie ergeht es denn der dritten Person, die bei 2/3-besetzter Bank mit „kein Platz für Ausgrenzung“ Vorlieb nehmen muss? Sie setzt sich ins Leere! Sie stürzt, Steißbein voran, auf den harten Hosenboden der Diskriminierung! Genau dort, wo angeblich kein Platz dafür ist. Wodurch die beiden Banksitzer, die einen regulären Sitzplatz ergattert haben, nun die mehrheitlich Ausgrenzenden sind. Macht schon mal zwei Plätze für Ausgrenzung. Wäre „kein Platz für Ausgrenzung“ jedoch ein Platz wie die beiden anderen, würde niemand ausgegrenzt. So hingegen ist „kein Platz für Ausgrenzung“ der Platz für von Ausgrenzern durch Ausgrenzung Ausgegrenzte.

Aber da ist noch was, das ich nicht verstehe: Wieso ist diese Fallgrube woker Wortverdreher jetzt „dein Werk“, also irgendwie mein Werk als Adressat eurer wirren Wichtigtuerei? Und nicht „unser“, also euer Werk, Ü-60-Beirat von Sankt Peter-Ording? Ihr habt die doch da hingestellt! Jetzt hier nicht von der Verantwortung ablenken, hömma!

Das aber noch, Sankt Peter-Ording: Ihr habt meines Wissens als erste Tourismus-Destination mit Blick aufs Wattenmeer die Zehn-Euro-Grenze für Pommes rotweiß durchbrochen (siehe Abbildung). Was, das stimme gar nicht? Eine Portion „frische“ Pommes mit Mayo und „veganem“ Ketchup koste doch bloß 9,90 €? Ja, aber wenn ich Trüffelmayo will, macht das 11,50 €! Und damit nur etwa vier Euro weniger als eine „Maß“ Bier (0,62 Liter plus Schaum) auf dem diesjährigen Münchner Oktoberfest.

Aber könnten wir vielleicht einen Kompromiss schließen: Ihr geht wieder auf den altvertrauten Freibad-Preis von 1,50 € runter – und ich akzeptiere dafür auch eine „Portion durchgeweichte Mikrowellenpommes“. Deal?

Immer noch du, norddeutsches Tiefland:

Ich weiß doch auch nicht, warum die bizarrsten Parolen und Banner stets im flachsten Teil der Republik zur Entfaltung kommen. Okay, das „Wir“ ist hier offenbar die Gemeinschaft der Lämmer von Eiderstedt (pars pro toto rechts im Bild). Aber wird denn der böse Wolf diese an ihn gerichtete Botschaft auch zur Kenntnis nehmen? Ja, wenn es die gute alte Großmutter aus Grimms Märchen wäre, bekannt für ihre im Bett getragene Lesebrille auf der Nase. Eher nein jedoch, wenn es sich um einen modernen Leitwolf wie den links im Bild handelt. Da vermute ich eher ADHS und Dyslexie. Man hätte hier also vielleicht besser mit leicht verständlichen Icons und Symbolen gearbeitet: Lamm im durchgestrichenen roten Kreis. Angesichts der wölfeverachtenden URL www.wolfsfreies-eiderstedt.de ist es vielleicht sogar besser, wenn das Raubtier nicht so internetaffin ist. Eiderstedt jedoch: ein Platz für Ausgrenzung!

Neulich nachts war mal wieder Sturmflut bei uns in Hamburg. Sie kennen das vielleicht aus der Tagesschau: Am überfluteten Fischmarkt muss die Polizei dann Wohnmobile abschleppen, die Kandidaten der Reality-TV-Serie „Tritt mich, ich bin ein Idiot!“ dort in schöner Regelmäßigkeit trotz aller Hochwasserwarnungen parken. Diesmal drohte aber zusätzlich auch in irgendeinem Randbezirk die Elbe über die Ufer zu treten, und deshalb gab es dort einen lokalen Sirenenalarm – dachte der Praktikant in der Warnzentrale, der die Alarmknöpfe bedienen durfte. Stattdessen löste er aber ein stadtweites Geheule aus. Was soll ich sagen: Binnen Minuten war der Hamburger Polizeinotruf überlastet, und alle Anrufer stellten mit bebenden Lippen dieselbe bange Frage: Ist Fliegeralarm?

Sehen Sie, und das ist der Grund, warum ich am IQ meiner Mitmenschen verzweifle. Auch nach fünf Jahren nichts aus der kriminell geschürten Corona-Hysterie gelernt: nicht wie Propaganda funktioniert, nicht wozu Panikmache politisch dient, nicht wer von angstvernebelt abgeschalteten Gehirnen profitiert, nichts, nichts, nichts. Nein, nach dem Virus darf jetzt fast übergangslos „der Russe“ dafür sorgen, dass die Deutschen ihren Verstand an der Garderobe abgeben und sich zitternd in ihrem Angst-Körbchen gelernter Reflexe zusammenrollen: Hilfe! Wir werden alle sterben! Was muss ich tun? Wenn soll ich hassen? Regiert mich! Bitte regiert mich!

Erbärmlich. Leider wirklich: erbärmlich. Und natürlich in einer zunehmend komplexen Realität letztlich nicht überlebensfähig.

Werfen wir am Schluss dieser Folge noch einen letzten Blick in die Volksseele:

Dies sind die Parkstreifen einer ganz normalen Wohnstraße in Hamburg. Fällt Ihnen etwas auf? Vermutlich nicht, so durch die verdunkelte deutsche Brille betrachtet, denn die ist mittlerweile vollständig farbenblind. Das heißt, sie kann höchstens noch zwischen fifty shades of grey unterscheiden. In Deutschland zugelassene Autos sind daher heute erfrischend vielfältig in ihrer Farbgebung – wenn man darunter Schattierungen von Schwarz bis Schlamm versteht. Ausnahmslos alle hier abgebildeten Pkw bis zum Wendehammer der Sackgasse fallen ins Spektrum zwischen depressionsgrau und dunkelmatt. Was wohl etwas aussagt über das Lebensgefühl ihrer Halter und Fahrer, bzw. über die Lage unseres munter in den Blackout regierten Landes. Extrovertierte Lebensfreude war gestern, die Gegenwart ist naturtrüb. Loriot sah es – als Einrichtungstrend bei Sofas – schon im Jahr 1988 kommen: „Wir hätten gern das Aschgrau!“