Unsere Welt ist klein geworden. So klein wie eine Gummizelle: gut gepolstert, ausbruchssicher, überfüllt. Ein Elektroschock am einen Ende pflanzt sich bis zu den Insassen am anderen Ende fort. Und wir stecken mittendrin – woran TWASBO in dieser Reihe erinnert.
Sie sagen, das erste Opfer des Krieges sei die Wahrheit. Aber diesen Tod haben wir längst beklagt: Die Wahrheit wurde noch in Friedenszeiten gemeuchelt.
Durch den erbitterten militärischen Widerstand der Ukraine und die Reaktion der Weltöffentlichkeit in die Ecke gedrängt und in seinem Stolz verletzt, hat Putin jetzt schon nach wenigen Tagen dieses Krieges erstmals seinen nuklearen Muskel geflext. Derweil treiben unsere haltungsstarken, aber ahnungslosen Berliner Friedensfeunde die streng pazifistische Bestrafung Russlands voran: den Ausschluss vom internationalen SWIFT-Zahlungsverkehr. Dass Geld – oder eben der Ausschluss vom Geld – in Zeiten der totalen Vernetzung wie eine ungezielte Massenvernichtungswaffe wirken kann, kommt ihnen nicht in den Sinn. Und die Experten, die ihnen das auf Englisch erklären, verstehen sie schon sprachlich nur ansatzweise. „Ich sage nicht, dass es es unmöglich ist, sich einen Ausschluss Russlands von SWIFT vorzustellen“, so Hosuk Lee-Makiyama, Leiter des European Centre for International Political Economy laut Guardian: „Aber es ist eine nukleare Option und bedeutet, dass man sich selbst gemeinsam mit seinem Feind auslöscht.“
100.000.000.000 Euro griff der Cum-ex-Kanzler am Sonntag, dem 27. Februar 2022 im Berliner Parlament aus der Luft („Sondervermögen“), um die jahrzehntelange und seit Merkels Antritt 2005 extrem beschleunigte gezielte Dekonstruktion der Bundeswehr auf einen Schlag umzukehren. Dieses aus nichts als Imaginaton erschaffene Geld ohne Gegenwert, das sich zur ebenso erschaffenen Billiarde der Coronakosten gesellt, wird die galoppierende Inflation weiter dramatisch anheizen. Und das alles nicht etwa, um nützliche Infrastruktur zu schaffen, verrottete Brücken und Straßen und Schulen zu reparieren, sondern um die globalen Kriegszulieferkosten der Amerikaner zu externalisieren. Von den „mehr als zwei Prozent“ des Bruttoinlandsprodukts, die wir künftig pro Jahr für Rüstung aufzuwenden gelobten, ganz zu schweigen.
Die Ironie dieser Geschichte: Zur spontanen Irrsinnsinvestition in „unsere“ Armee – eine typische Disruption durch zunehmend irrational und getrieben handelnde Akteure – zwingen uns heute dieselben Amerikaner, die uns jahrzehntelang und noch bis in die letzten Tage hinein mit allen Mitteln einpeitschten, niemals mehr ein kriegerisches Volk zu sein. Nicht einmal mehr ein wehrhaftes. Ja nicht einmal mehr ein gefahrenbewusstes. Ja sogar nicht einmal mehr eines, das sich seiner selbst überhaupt noch bewusst ist. Und als wir es endlich vollständig und ganz und gar gelernt hatten, als wir nur noch im echten Sandkasten mit bunten Förmchen spielten, statt militärische Sandkastenspiele zu betreiben – da gebot uns Uncle Joe, kurz bevor Mami zum Mittagessen rufen konnte: Seid wehrhafte Portemonnaie-Patrioten!
Die Pattexjugend (Alexander Wendt) wird sich womöglich schon bald nicht mehr ihrem spätrömisch dekadenten Hobby hingeben mussen, sich auf Asphaltdecken festzukleben. Sie kann dann auch ohne solche Mätzchen noch einmal etwas Aufregendes erleben, das sie später ihren imaginären Enkeln erzählen könnte – wenn diese Teens und Twentysomethings sich nicht so charmant die „Letzte Generation“ nennen würden. Auf die Existenz unserer Kinder scheißen diese Kinderlosen.
Putins Problem – unser Problem mit Putin – ist: Er entstammt einer Politikergeneration, die es noch gewohnt war, dass ihm im Fall einer militärischen Eskalation in London, Paris, Washington, selbst Berlin erwachsene Menschen und gestandene Diplomaten gegenübersaßen, die sich in die Interessenlage des jeweiligen Gegners einzufühlen verstanden. Setzte diese Generation Zeichen, wurden sie auf der anderen Seite verstanden. In Moskau konnte man davon ausgehen, dass es diese Staatenlenker einte, die erschaffene und atomar beschirmte Ordnung bewahren zu wollen. Es galt dann, über die neue Lage zu verhandeln.
Doch diese alte konservative Selbstverständlichkeit gilt nicht mehr: Putins Gegenüber ist nun, ob im Vorder- oder Hintergrund, eine entgrenzte Schicht globalistischer „Erweckter“, die jenseits dieser Krise nichts mehr möchte als den Great Reset. Sie huldigt in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen der größtmöglichen Disruption, also schlagartigen Umwälzung von Märkten und Weltordnungen. Sie möchte einen roten Knopf ganz neuer Art drücken, statt das Drücken roter Knöpfe zu vermeiden. Sie kennen keine Empathie, kein Einfühlungsvermögen, keine Nuancen mehr. Wer nicht einer der ihren ist, gehört mit Existenzvernichtung bestraft. Sie begreift das Auslöschen von Bewährtem generell nicht als Wahnsinnstat, sondern als Chance auf erhöhte Profite und als Segen, weil es die alten Nationalstaaten wegfegt, die ihnen Grenzen setzten. Atomares Säbelrasseln ist für woke „Young Global Leader“ der US-liberalen Schule kein alarmierendes Geräusch, das Verhandlungsbedarf signalisiert.
Auf diese Front stößt nun zu seiner Überraschung der ehemals gewiefte Taktiker Putin. Es dürfte ihn verwundern, wie sie ihn zum Eskalieren ermuntert.
Samstag in Hamburg, Demo gegen den Ukraine-Feldzug. Ein Kind hält ein selbstgemaltes Pappschild hoch: „Putin ist eine Kackawurst!“ Hoffentlich dürfen seine Eltern und/oder Kita-Erzieher, die Einflüsterer dieses intellektuellen Bedürftigenausweises, sich noch mehr als nur ein paar Tage an den dafür eingeheimsten Tugendpunkten ergötzen.
Wie lange, bis uns das Heulen der ABC-Sirenen aus betäubtem Schlummer weckt?
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Moin Hr. Driesen,
in den letzten Jahren muss es good ole wlad so gegangen sein, wie dem Eric C. damals.
Eric Cantona soll mal sinngemäßg gesagt haben:
Mit Rassisten (ersetze Rassisten mit wahlweise: Zeugen C. oder Analenas, CumflolterScholzens…usw. usf.) diskutieren, das ist, wie mit einer Taube Schach spielen: Egal wie gut du bist, egal wie sehr du dich anstrengst, am Ende wird die Taube aufs Spielfeld kacken, alles umschmeißen und umherstolzieren, als hätte sie gewonnen.
Vorschlag meinerseits, den Falken sofort nen Flug buchen zum Hardcorecamping, Donbas, Aleppo oder andere gastliche Orte dieses wunderschönen Planeten, alles mit Allinclu, Bomben, Drohnen, nix zu fressen oder saufen, kein Schlaf mehr, Musik spielt die Stalinorgel oder wie die heute heißt, nach ein paar Tagen mal vorsichtig anfragen ob Sie Ihre Position ggfs. überdenken möchten, ansonsten erweiterte Verhörmethoden bis es im Gerhirnkasten klick macht.
Mit schnittfestem Schaum vorm Mund
Ihr Fluchtwagenfahrer
Ich hab Ihren Kommentar mal eingestellt, aber ich kann nicht behaupten, ihn verstanden zu haben. Ist z.B. „ob Sie Ihre Position ggf. überdenken möchten“ absichtlich großgeschrieben, also an mich gerichtet? Oder meinen Sie damit (dann als Plural klein zu schreiben) die weiter oben erwähnten „Falken“? Auch das Taubengleichnis erschließt sich mir nicht.
Moin Hr. Driesen,
o.k. verstanden.
„ihre“ = Plural, sorry Tastaturklemmer:))
Ja ich meine die FALKEN, das sind dieselben, die auch z. B. hinsichtlich Cov 19 und der Auswirkungen ihres Handelns absolut „auf der richtigen Seite“ waren bzw. sind. Die sich unreflektiert, selbsterhöhend, bigott, als Soziopathen die sie sind, saudumm sich auf der Seite der Guten wähnen. Bis vor kurzem habe ich häufig das Gespräch mit meinen Mitbürgern gesucht, zu Cov 19 und aktuell zur Ukraine, was soll ich sagen,Tauben, massenweise Tauben die sich für Falken halten.
Ich habe fertig