Unsere Welt ist klein geworden. So klein wie eine Gummizelle: gut gepolstert, ausbruchssicher, überfüllt. Ein Elektroschock am einen Ende pflanzt sich bis zu den Insassen am anderen Ende fort. Und wir stecken mittendrin – woran TWASBO in dieser Reihe erinnert.

Man hat es wissen können, dass unsere politischen Journalisten und Kommentatoren über keinerlei Taktgefühl an der Tastatur verfügen. Dabei ist es selbst für musikalische Laien nicht sonderlich schwer nachzuvollziehen, dass die korrekte Zitierweise der von ihnen zuletzt tausendfach analysierten bzw. beanstandeten Liedzeile wie folgt lautet: “Döp dödö döp döp döp dödö döp!”

Doch an dieser minimalen Transferleistung scheitern sie reihenweise. “Döp döp döp dödödöp döp döp!“, morste der bekennende Wagner-Enthusiast Michael Klonovsky, sogar per Überschrift, ebenso selbstbewusst wie zusammenhangslos in den Äther. Auf “Döp dödö döp” – so weit, so wenigstens korrekt – verkürzt die Berliner Zeitung die (Schlag-)Zeile und den Inhalt. Das tut auch die “Schwäbische“, um dann aber im Fließtext kontextfrei willkürlich zu zitieren: “Döp döp dödö döp.” Hingegen tut sich “Tichys Einblick” schwer mit der Länge betonter Silben. Dort überdehnt man deutlich mit “Dööp-dö-dö-dööp” und lässt zudem per Bindestrich alle Silben ineinanderschlieren, was der Alkoholhymne indes sogar gerecht werden dürfte. Unzulässig in extremo komprimiert hingegen Don Alphonso in der “Welt”: “Da tut ein Döp von Akademikern natürlich besonders weh.”

Das Wirrwarr darf und wird indes nicht dazu führen, dass Hass und Hetze straffrei bleiben: Die Verwendung der Silbe “Döp!” und eines doppelten “dödö!” in allen möglichen Kombinationen wird fortan als Nazi-Code bewertet und entsprechend mit Haussuchungen beantwortet. Nie wieder ist jetzt!

Bleiben wir beim Thema.

Auch die Redewendung “Dödö döp dödö” respektive “Alles für Deutschland” ist bekanntlich straftbar. Jedenfalls dann, wenn man Björn Höcke heißt und Spitzenkandidat einer die Hegemonie des Kartells gefährdenden Partei ist. Das Urteil des Landgerichts Halle folgte termingerecht zur Wahlkampfsaison: 13.000 Euro Geldstrafe wegen Verwendung einer NS-Losung, womit der Angeklagte zugleich als vorbestraft gelten würde, wenn die Verurteilung bereits rechtskräftig wäre. Den Nachweis, dass “Alles für Deutschland” tatsächlich eine weithin verwendete und bekannte Losung der SA gewesen sei, blieb das Gericht zwar schuldig; ein Historiker, der das Gegenteil begründet hätte, wurde als Gutachter nicht zugelassen. Aber Hörensagen bzw. das freihändige Konstruieren von Wirklichkeit ist ja zum Glück auch eine verlässliche Quelle des Rechts.

Hier eine Außenansicht des Hallenser Gerichtsgebäudes aus dem Jahr 1905, in dem das Höcke-Urteil gefällt wurde. Unter dem prächtig geschmückten Fenster steht in Stein gemeißelt die Losung “Jedem das Seine”, gemünzt offenbar auf eine Rechtsprechung, die jedem Einzelfall gerecht werden möge. Dass “Jedem das Seine” zugleich die Parole im eisernen Tor des Nazi-Konzentrationslagers Buchenwald war – nun, das ist ein historischer Zufall, der weiter keinen Bezug zu aktuellen Urteilsbegründungen hat. Denn im Rechtsstaat kommt es bei Redewendungen immer auf den Kontext an. Und natürlich auf die Person dessen, der sie verwendet.

Aber gerade, wenn jedes Restvertrauen in Spuren von juristischer, politischer und journalistischer Integrität verdampft ist, kommt völlig unerwartet das daher:

“Ein Freispruch wäre angebrachter gewesen”, kommentierte der rechtspolitische Korrespondent Christian Rath in der Jungen Freiheit … Moment, nein … in der … das kann doch nicht … doch, steht ja da: in der taz! Und er fuhr auch noch fort: “Das Gericht sagte in seiner knappen Urteilsbegründung letztlich nur, dass es Höcke nicht glaubt. Das ist etwas dünn in einer Frage, auf die es in diesem Prozess doch gerade ankam.” Und um das Maß vollzumachen: “Dass eine Verurteilung ohne klare Beweislage in diesem Umfeld [Vorfeld einer Wahl, TWASBO] das Vertrauen in die Justiz nicht gerade erhöht, liegt auf der Hand. Leider.”

Ich weiß nicht, ob der Mann zwei Wochen danach noch bei der taz beschäftigt ist. Und ich wage nicht nachzuschauen, aus Angst, ein mühsam aufgekeimtes Illusiönchen zu verlieren. Denn normalerweise gilt gerade im deutschen Journalismus strikt: Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Aber gerade deshalb: Dödö döpdöp, dö döp, dödö döpdöp! Oder auf Nazideutsch: “Alle Achtung, Herr Rath, alle Achtung!”

Auf den Boden der Tristesse zurück holt einen dann aber ganz schnell wieder das Hamburger Abendblatt – und wir bleiben immer noch beim ewig einzigen Thema. Zur bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land sorgt sich die stellvertretende Leiterin des Lokalressorts nach dem Sylter Döp dödö döp döp döp dödö döp nämlich erst recht: “Deutschlandfahne am Balkon – kann man das jetzt noch machen?

Die Frage stellen heißt sie verneinen. Schützenhilfe erhoffte sich die Investigativjournalistin vermutlich beim Mieterverein, der ihr jedoch beschied: “Auf dem Balkon dürfen auch Flaggen gezeigt werden. Sie müssen jedoch so gut gesichert sein, dass sie nicht herunterfallen können.” Das konnte jetzt aber nicht das letzte Wort sein. Denn, und das ist das Dogma aller noch im Lohn befindlichen Lohnschreiber dieses Landes: “Halterungen sind das eine, sehr viel wichtiger aber ist die Haltung”. Diesen Satz bitte ausschneiden und an den Balkon heften!

Die Antwort auf die in der Headline gestellte Frage und damit die Handlungsanweisung an Hamburgs Bürger zur EM lautet daher wenig überraschend: Ans Geländer gehört die Regenbogenflagge! Zur Sicherheit zusätzlich noch “Wimpelketten mit den Flaggen aller Nationen”. Und wer partout so verstockt ist, eine Deutschlandfahne ins Fenster zu hängen, der installiere als Gegengift gleich daneben ein Transparent mit der Aufschrift “FCK NZS!” Dabei hatte der Mieterverein außerdem mitgeteilt, “Plakate mit stark polarisierenden, beleidigenden oder gar hetzenden Meinungsäußerungen“ seien verboten.

Die Zwangsneurose, aus der heraus das journalistische Establishment sich rund um die Uhr an Fragen des Anstands und der Moral beim leider unvermeidbaren Deutschsein abzuarbeiten scheint, wobei es seine der Form halber gesetzten Fragezeichen in dreifache Ausrufezeichen des Unterlassens wendet, um auch die kleinste Chance untugendhafter Fehldeutbarkeit auszuschließen, ist nur noch tragisch zu nennen.

Der schönste Tag ihres Lebens in Dülken, Deutschland:

Nach der Eheschließung besteht trotzdem Sturzgefahr, wie jeder Geschiedene weiß. Dazu muss man nicht auf “Ähnlichem” ausrutschen. Immerhin: Die Zigarette danach bleibt erlaubt. Döp! Döp!