Unsere Welt ist klein geworden. So klein wie eine Gummizelle: gut gepolstert, ausbruchssicher, überfüllt. Ein Elektroschock am einen Ende pflanzt sich bis zu den Insassen am anderen Ende fort. Und wir stecken mittendrin – woran TWASBO in dieser Reihe erinnert.

Zum Auftakt dieser textlastigen Folge zumindest ein paar Farbtupfer aus dem Bereich der Vexillologie (Flaggenkunde). Am 19. September, dem Tag der Beerdigung von Kaiser Wilhelm II Queen Elisabeth II, senkte unsere Republik wie hier am Hamburger Rathaus ihre Tricolore auf Halbmast. Welt-Innenministerin Nancy Faeser (USA) hatte die Volkstrauer angeordnet, weil in einem anderen Land die Gebieterin des ganzen Erdkreises (außer Transnistrien, Nordkorea und Takaktukaland) beigesetzt wurde. Nur gerecht, denn als neulich Weltfußballkönig Uwe Seeler starb, wehte ja sicher auch über dem Buckingham Palace der Union Jack in halber Höhe. Und wir Deutschen üben uns darin, am besten dann Patrioten zu sein, wenn es gar nicht um unsere Angelegenheiten geht.

Synchron und flautenbedingt mäßig bewegt baumelte an diesem mit königstreuer Trauer erfüllten Tag – Es lebe Karl III! – auch das Hamburger Stadtwappen auf Halbmast. Doch halt, was fällt dem geübten TWASBO-Bildbetrachter auf?

Keck und unkastriert flatterte sehr viel höher in der steifen Brise weiterhin die Nationalflagge der Ukraine. Denn ein Ukrainer wird von niemandem erniedrigt! Er steht an der Ostfront wie eine Eins, Queen oder nicht Queen, und hängt den Wimpel siegessicher in den Wind. Was für uns gramgebeugte Deutsche immerhin einen Anblick bedeutet, an dem wir uns wieder aufrichten können. Aber bitte nur bis in den Kniestand.

Was haben Mars-Schokoriegel und Putin gemeinsam? Beide machen mobil. Letzterer deswegen, weil ihm in der Ukraine allmählich die Soldaten ausgehen. Und in den Redaktionsstuben wetzen sie schon seit Tagen die Federn: „Was plant der Irre jetzt?“ (BILD anno dunnemals über Saddam Hussein im Irak.) Nun ist Putin zwar sicher skrupellos, machtgierig und brutal, aber bislang alles andere als erratisch oder unberechenbar; selbst seine Invasion war von Biden im Vorfeld fast tagesgenau angesagt worden. Doch der Reiz muss schon um der Klicks willen unwiderstehlich sein, das Unausdenkliche herbeizuschreiben: Was, wenn der Russen-Saddam jetzt auf dem Schlachtfeld so gedemütigt würde, dass er in heilloser Flucht doch noch Atomwaffen einsetzte?

Dazu mobilisiert die „Welt“ Gustav Gressel, Militäranalyst beim American European Council on Foreign Relations. Gressel fordert nicht nur deutsche Leopard-Kampfpanzer für die Ukraine, sondern skizziert diverse Szenarios für die Ausweitung der Kampfhandlungen um nicht-konventionelle Schläge – etwa, wenn es zum Zusammenbruch der russischen Invasionsarmee „auf einmal an allen Fronten“ käme: „Dann würden die heimströmenden Soldaten zum innenpolitischen Risiko für Putin. Da könnte er mit diesem Einsatz von Atomwaffen versuchen, die Kommandogewalt über die eigenen Kräfte zu behalten.“ In dieser Schreibtischstrategen-Phantasie würde Putin seine taktischen Atomgranaten also mitten hinein in die eigenen Rückzugskolonnen feuern lassen. Seine Soldaten wären dann zwar tot, aber eben auch zum Weiterkämpfen motiviert oder wenigstens keine lästigen Zeugen der Anklage mehr.

Als Clausewitz 2.0 erweist sich auch Simon Tisdall, Außenpolitik-Kommentator des „Guardian“. Zu Tisdalls offensichtlicher Enttäuschung begrenzt US-Präsident Biden bislang die Waffenhilfe „in Durchschlagskraft, Reichweite und Qualität, damit Putins Position nicht so geschwächt wird, dass er Zuflucht zu extremen Maßnahmen sucht“. So eine kindische Verweichlichung! Damit geht der Westen laut Tisdall in die „Putin-Falle“, was wiederum einen „ökonomischen Blitzkrieg des Kreml gegen Europa“ ermögliche: „Er benutzt Gas und Öl, um Lebenskosten-Bomben in jedem Privathaushalt, jedem Geschäft und jeder Fabrik zu zünden.“ Russisches Gas und Öl, dessen möglichst totalen Boykott umgekehrt gerade Regierungspolitiker der Grünen und EU-Gouvernante von der Leyen vom ersten Tag der Invasion an gefordert und in die Wege geleitet hatten – als käm’s vom Teleprompter des US-Präsidenten. Aber unsere eigenen Politiker können doch unmöglich einen Krieg gegen uns führen, die wir sie wählen und finanzieren, oder?

Nein, das tut allein der Kreml-Hitler. Biden, so Tisdalls Forderung, müsse Putin daher unmissverständlich klarmachen: Der Einsatz einer russischen Atomwaffe in der Ukraine „würde als kriegerischer Akt gegen die USA und die Nato betrachtet – mit allen erschütternden, ganze Regimes umstürzenden Konsequenzen“. Wobei das den Armageddon auslösende Invasionsgebiet, spitzfindig betrachtet, gar kein Nato-Vertragssstaat ist. Ebensowenig wie Taiwan übrigens, das Biden sicher zur Freude Tisdalls gerade eben erneut gegen China „zu verteidigen“ versprach. Aber so, wie im Reich der Queen die Sonne nicht unterging, umspannt jetzt eben auch das „westliche Bündnis“ den ganzen Erdball. Im globalistischen Rhythmus, wo jeder mit muss. Und ganz besonders wir.


 Es war einmal die „Deutschland AG“. Unbegreiflich, wie sich die einst allmächtigen Fürsten der Industrie und des Kapitals lammfromm von den Grünen am Nasenring durch die Arena führen lassen, so wie zuvor schon von der unendlichen Merkel und ihrer Statthalterin v. d. Leyen in Brüssel. Wie konnten sich die eitlen CEOs eine Energie- und Sanktionspolitik diktieren lassen, die zwangsläufig in die eigene, krachende Insolvenz mündet? Eine „Diversity“ (Vielfalt), deren Erzwingung nichts produziert als Einfalt und Quotenkämpfe und Missgunst? Eine „Compliance“ (Folgsamkeit) gegenüber einem bürokratisch-dirigistischen Wirtschaftssystem, das die Vorsilbe „Markt-“ nicht länger verdient? Was müssen die Josef Käsers, die Wolfgang Grupps und die Michael Ottos im Gegenzug für ihre Wählerstimmen, ihre Parteienwerbung und ihr umfassendes Stillhalten von Habecks Haufen versprochen bekommen haben! Ich tippe auf Logenplätze für die Groteske „Der Untergang der Vorkriegsordnung“ und anschließendes gemütliches Beisammensein mit den Regisseuren.

Besuchen Sie das Traumziel der Fang-den-Virus-Fraktion! In einem Artikel des Hamburger Abendblatts schildert China-Korrespondent Fabian Kretschmer seine „unfassbare Reise ins Null-Covid-Land“ (Headline). Nach einem Aufenthalt in Deutschland beginnt der Albtraum schon mit der Suche nach einer Reisemöglichkeit: Weil ein Direktflug nach China aufgrund der Reduzierung der Verbindungen durch Peking um 95 Prozent nicht unter 10.000 Euro zu bekommen war, reist Kretschmer über Südkorea ein, wo er sicherheitshalber erst einmal drei Wochen verbringen muss. „Sieben Tage vor Abflug muss ich jeden Morgen der Fluglinie meine Temperatur durchgeben, vier Tage vor Abreise den ersten Antigen-Test schicken. 48 Stunden vor Abflug folgt der erste PCR-Test, 24 Stunden später der zweite – in unterschiedlichen Kliniken durchgeführt, mit jeweils anderen Reagenzverfahren.“

Auf chinesischem Boden angekommen geht der Tanz erst richtig los: „In der südchinesischen Küstenstadt Xiamen werden wir Einreisenden wie Aussätzige behandelt. Vom Flughafen bis zum Quarantänehotel bekommen wir niemanden ohne Seuchenschutzanzug zu Gesicht. Die nächsten elf Tage verbringe ich auf 15 Quadratmetern in einem Hotelzimmer.“ Seine Tür darf er einen Spalt öffnen, um das Essenstablett abzuholen. Jeden Morgen wird Kretschmer von einem der weißen Marsmenschen zum täglichen PCR-Test aus dem Bett geklingelt. „Das Ritual erinnert mich an einen Gottesdienst: Ich knie mich hin, doch bekomme statt der Oblate einen Abstrich – und zwar stets derart tief im Rachen, bis mein Würgereflex einsetzt. Auch mein Handy, Koffer und Kissen werden mehrfach mit einem Wattestäbchen auf das Virus überprüft.“ Nach elf Tagen Quarantäne ist er ein knappes Dutzend Mal negativ getestet.

Fazit des nach eigener Auskunft „traumatisierten“ Korrespondenten: „Nach 30 Tagen, drei Flügen, zwei Quarantänezentren, 14 PCR-Tests und einer Zugfahrt habe ich zumindest Peking erreicht. Wann ich jedoch in Freiheit entlassen werde, entscheidet der Algorithmus: Erst wenn der Gesundheitscode auf meinem Handy grün leuchtet, darf ich meine Wohnung verlassen. Die nächsten fünf Tage wird er weiterhin in einem alarmierenden Rot blinken.“

Britische Medien ergänzten übrigens am selben Tag, dass 27 Menschen umkamen, als der Bus verunglückte, mit dem sie zwangsweise in ein Quarantänezentrum verbracht werden sollten. Daraufhin erfasste doch tatsächlich ein kleines Unmuts-Geraune chinesischer Querdenker die soziale Plattform „WeChat“ – bevor die entsprechenden Posts erfolgreich vom Regime gelöscht werden konnten.

Ungemütlich, oder? Aber Hauptsache gesund! Doch, doch, Coronamaßnahmen-Fans, das ist genau das, was euch vorschwebt und was ihr mittragen würdet! Dafür ist zwar der chinesische Nationalsozialismus prädestiniert wie kaum ein anderes System, aber mit etwas Glück wird der Herr Lauterbach euren Traum von Sicherheit noch in diesem Winter auch hierzulande wahrmachen. Sonst eben erst zum nächsten. Dafür habt ihr seine SPD ja gewählt.

Wie die Lokalpresse auf Seite 12 berichtete, wurde das Chaos-Camp der Punks auf Sylt inzwischen von der Polizei für beendet erklärt. Die Beamten begleiteten die handzahmen Kleindarsteller noch zum Zug in Richtung Festland, wo sich die Wege trennten.
Sie sahen: „Heißer Herbst 2022 – das große Finale“.
Und nun legt Deutschland sich friedlich zum Frieren.


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