Marketing-Horror unter der Dusche: Was man mir schon am frühen Morgen zumutet, schreit nach kreativer Notwehr.

Ja, schon gut, falsche Zielgruppe. Soweit ich weiß, bin ich keine Frau. Also jedenfalls gleich nach dem Aufwachen, im Schritt nicht und auch obenrum, trotz Genderfluidität und allem, was man da jetzt an neuen Möglichkeiten hat. My body, my choice! Aber auch als Mann mag ich es, wenn man mir schmeichelt und mir Qualitätsversprechen macht. Ich mag es, wenn ich bei regelmäßiger Anwendung natürlich streichelzart gepflegt werde. Und ich mag es, wenn man mit mir spricht. ABER ICH KANN DAS AUF DEN TOD NICHT AB, HÖMMA, WENN MICH DIE HAUSHALTSCHEMIE SCHON FRÜHMORGENS UNTER DER DUSCHE VOLLSABBELT UND DABEI AUCH NOCH DUZT! HELLO HAPPINESS, HALTS MAUL, DU STINKST!!!

Mein cremiger Schaum umschmeichelt dich. Okay, was soll ich dazu jetzt sagen? „Danke, oh Spender cremigen Schaumes, umschmeichel dich selber am Arsch!“ Die einzige Sprache, die ein Tubenschlauch aus 50% Recycling-Material um 6.15 Uhr versteht. Und das einzige, was ich um die Zeit zu sagen habe. Ein enteierter blassgelber Tubenschlauch, der sich nicht mal zu seinem Plastikcharakter bekennt, will mir einen erotischen Dialog aufzwingen, geht’s noch?

Und warum wollen Frauen immer happy sein? Warum wollen sie unbedingt spürbar gute Laune? Warum sagen sie nicht nur Ja zur Happiness, sondern flöten sogar HELLO? Genügt ihnen nicht die gute alte miesepetrige Morgenmuffigkeit, besonders in den verwundbaren, tastenden Momenten des Sichvorbeiwindens am feuchtklammen Polyethylen-Vorhang und tapsigen Sichplatzierens in der nicht rutschfesten Duschtasse? Ja, dieses 90 x 90 cm große Keramikquadrat da unter meinen nassen Füßen heißt Duschtasse. Das Stück Tube oberhalb des völlig unrecycelten Verschlussteils heißt ja auch Tubenschlauch. Fachbegriffe, herrlich! In einem schaumigen Meer aus femininem Wortschleim ragen sie bar jeder schmierigen Verschmustheit hervor. Duschtassen schmeicheln nicht. Sie sind zum Duschen, nicht zum Duzen.

Letzte Frage für heute: Was genau muss ich mir unter dem spritzigen Ginger-Lemon vorstellen? Ist das ein Knabe mit seinem Wunderhorn? Vielleicht kommen wir doch noch ins Geschäft, wir zwei beiden, wo ich heute schon so fluide bin. Aber echt jetzt: Ist das ein Obst? Ein Gemüse? Ein siamesischer Hybrid? Ich kenne Ginger als Englisch für Ingwer, ein Gewürz, und als Ginger Ale, einen Soft Drink, der 1783 vom Silberschmied Jakob Schweppe in Genf erfunden wurde. Während Lemon, nun ja, die Zitrone ist. Oder die Limone. Oder Limette, alles dasselbe. Zusammen mit Ingwer höchstens als Blasentee geeignet. Der spritzige Ginger-Lemon in diesem Tubenschlauch ist doch hoffentlich nicht zum Schlürfen da, trotz der appetitlichen Zitronenscheibchen auf der Tube?

Hier, da steht’s auch schon: Kosmetikprodukt nicht einnehmen! Obwohl es für Veganer geeignet ist. Verwirrend! Aber: Frauen, die einem Duschgel HELLO Happiness zuflöten, würden ohne Warnhinweis sicher auch einen spritzigen Ginger-Lemon aus dem Tubenschlauch unter der Dusche wegzuppeln. Man darf heute nichts mehr als selbstverständlich voraussetzen im Frauenvergackeierungs-Marketing. Sonst wird das teuer!


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