Immer wenn man glaubt, da geht nichts mehr, kommt eine neue Erziehungsmaßnahme daher. Denn wozu wäre der ganze schöne öffentliche Raum einschließlich der Toilettenhäuschen sonst da, wenn nicht für strahlende Zukunftsvisionen und staatliche Bürgerbelehrung?

Entschuldigung, Entschuldigung, sorry, Herr Kollege, aber ich muss es schon wieder tun. Ich muss Die-Ministerin-deren-Namen-man-bis-Silvester-nicht-mehr-erwähnen-soll … erwähnen. Denn hundertjährige TWASBO-Leser erinnern sich: Ich radle täglich durch die Baerbocksche Dorfstraße im Hamburger Stadtzentrum, unter Einkaufsmeilen-Flaneuren auch als „Mönckebergstraße“ bekannt. Die führt zufällig schnurgerade bis zum rotgrünen Rathaus, weshalb die Klimakirchenjugend einen fußballfeldgroßen Abschnitt dieser Straße vor Jahr und Tag ganz offiziell mit einer frischgrünen Klima-Parole verunstalten durfte. Frischgrün? Ha. Inzwischen sieht dieser Schriftzug – aber das soll im Folgenden gar nicht das Thema sein – nicht ohne holzhammerharte Symbolik so aus, als sei außer einer Million Weihnachtseinkäufern auch die Zeit darüber hinwegegangen:

Kürzlich las ich die Meldung, man könne diese stadtbildentzaubernde (haben sie nicht gesagt!) Parole trotz ihres fortgeschrittenen Verfalls nicht einfach wieder entfernen. Die nachhaltige und klimaverträgliche Farbe sei nämlich zu tief in den „Unterbau“ der Asphaltschicht oder was eingedrungen, weshalb die da nun leider auch weiterhin unbefristet … nein, das Wort „leider“ haben sie natürlich ebenfalls nicht geschrieben. Das wäre auch Hochverrat am Klima oder ein anderes neues Kapitalverbrechen, für das – lebten wir in Berlin – heute schon der Staatsschutz im Morgengrauen die Wohnung des betreffenden Schreiberlings durchwühlen würde. Wer weiß, vielleicht ja demnächst auch in diesem Theater.

Wie gesagt, das war jetzt gar nicht das Neue, das sich in der Baerbockschen Dorfstraße abspielt und das ich berichten muss. Sondern das hier:

Das spielt sich nur hundert Meter weiter vorn auf der Baerbockschen ab. Dort gab es bisher unterirdisch eine wohl recht unansehnliche Bedürfnisanstalt. Und meine Güte, wird die nun veransehnlicht! Die Stadtreinigung Hamburg, ein Betrieb fest im Griff der rotgrünen Administration, hat es sich jetzt zu Angelegenheit gemacht, Hamburgs Bürger noch ein wenig mehr zu guten Bürgern zu erziehen. Beziehungsweise sie mit guten Gedanken dafür zu belohnen, dass sie schon gute Bürger sind. Und warum sollte das nicht Aufgabe der Stadtreinigung sein? Das Nahverkehrsunternehmen HVV benennt ja auch Haltestellen für den Klimaschutz um. Dafür bezahlen wir die schließlich.

Da prangt nun also ein weiteres großformatiges Zukunftsbild, das in seiner kindgerechten Schnuckeligkeit einen interessanten Nebeneffekt hat. Es legt nämlich unfreiwillig offen, wie die Gedankengänge derer so verlaufen, die sich diese schöne neue Welt unaufgefordert für uns ausdenken. Und was für Bilder bzw. Buzzwords ihnen dabei durch die erleuchteten, aufgeweckten Köpfe schießen. Welche bunten Farben sie verwenden und welche nicht. Welche Szenarien und Konstellationen sie uns zeigen wollen. Und was sie sich umgekehrt in dem Eifer, alles richtig und heile zu machen, bewusst oder unbewusst verkneifen. Wenn sie uns das alles so penetrant aufnötigen, dann schauen wir halt auch mal näher hin. Hier zum Beispiel:

Klar, das braucht man heute am dringendsten. Betrifft zwar höchtens die eventuellen Bedürfnisse von 0,000435 Prozent der Hamburger Bevölkerung, hat aber trotzdem Konsequenzen für alle anderen. Keine diskriminierende Beschränkung auf Männlein oder Weiblein mehr! Frauen dürfen jetzt endlich auch die Klobrillen benutzen, auf denen sich gerade erst ungewaschene Männerärsche (oder noch andere, man weiß es ja nicht) breitgemacht haben. Und sie können vielleicht auch endlich dieselben Freuden wie in der Toilettenanlage im Hamburger Hauptbahnhof erleben, wo Obdachlose seit einiger Zeit irgendwie hinter die Absperrung der Frauenabteilung gelangen und aggressiv gleich dort betteln, wo kaum ein Ausweichen möglich ist. Denn es gibt in Zukunft keine Geschlechterbarrieren mehr, und soziale schon mal gar nicht! Männer, die sich früher aus unklaren Gründen ins falsche Abteil verirrt haben, einfach wegscheuchen dürfen Frauen dann aber auch nicht mehr. Dem sauber gescheitelten Kerl – jedenfalls definiert er sich so – mit dem Smartphone auf dem Bild oben kann die Frau stattdessen aus der Kabine nebenan dabei zuhören, welchen YouPorn-Geschmack er präferiert.

Dabei ist der ganze Zauber in Wahrheit vermutlich für ihn/sie/es hier gedacht:

Wer oder was ist das? Ich halte es für eine Art Conchita Wurst in braun bzw. blau. Er/sie/es scheint es schon sehr eilig und nötig zu haben, weil der To-go-Coffee treibt. Ob man/frau/ens da noch auf den Aufzug warten kann, der sowieso meist kaputt ist und in den bei uns in Hamburg üblicherweise gleich munter hineingeschifft wird? Aber ich bin sicher, es handelt sich um einen genderneutralen Expresslift mit klimaneutralem Gezeitenkraftantrieb. Die sind unverwüstlich und immer frühlingsfrisch.

Aber weiter in unserem kleinen Gender- und Ethno-Zoo:

Behinderte dürfen auch in Zukunft weiterhin gerne weiblich sein oder sich zumindest so definieren. Denn eigentlich sind es empowerte Powerfrauen, die nicht behindert sind, sondern behindert werden. Beziehungswese in dieser barrierefreien Toilettenanlage eben nicht behindert werden, weshalb sie dort offenbar wunsch- und ziellos ihre gesamte Freizeit verbringen und lässig abwinken: Alles gut, ich muss gar nicht! Ist bloß so nett hier unter der Erde!

Ein weiteres Feature der öffentlichen Toiletten-Wunschwelt von morgen:

Wir sehen einen jungen arabischen Vater (definiert durch die gepflegte Barttracht), zu dessen selbstverständlichen Kernkompetenzen im Haushalt und unterwegs es gehört, die Windeln des Kleinkinds zu wechseln. Seine arabische Frau hat er souverän gar nicht erst mit unter die Erde gebracht: Lass mal, Schatz, ich komm alleine klar! Sie geht solange shoppen – in der sicheren Gewissheit, dass unten für ihn und Conchita und all die anderen professionell gesorgt wird:

Natürlich ist die weiße Klofrau eine weiße Klofrau. Was denn sonst? Hätte die Stadtreinigung hier etwa eine Schwarze darstellen sollen? In dieser Leichtlohngruppenvisualisierung? Ja, da wäre was los: Solche Jobs sind also gut genug für Migranten, Stadtreinigung Hamburg, oder was? Shitstorm olé! Distanziert euch! Kriecht zu Kreuze! Nein, das wäre nie durch die vierzehn Abstimmungsschleifen in der Kommunikationsabteilung (cc: Senatsverwaltung) gekommen. Verpasste Chance allerdings: Man hätte auf dieser Position einen alten weißen Mann abbilden können/sollen, der früher mal Raumfahrtingenieur gewesen ist, vielleicht noch mit Zollstock in der Kitteltasche. Das wäre ein Statement gewesen, das sich gewaschen hätte: Hier entsorgen wir Hamburger unsere toxische Cis-Maskulinität! Hier muss sie sich in der Produktion bewähren! Vielleicht ja bei der nächsten Kampagne.

Bonus-Belehrung:

Wenn Sie in Ihrer Stadt noch keine Baerbocksche Dorfstraße haben, verzagen Sie nicht. Gesellschaftspolitische Propaganda, Gender-Erziehung sowie allumfassende Konditionierung mittels Parolen und Comicstrips bekommen Sie jetzt auch im Drogeriemarkt Ihres Vertrauens – als Gratiszugabe zum Mitnehmen nach Hause. Jedesmal, wenn Sie glauben, im Badezimmer ungestört an sich herummachen zu dürfen, springt Sie dann zum Beispiel das hier an:

Die weiße Klofrau von oben, die – noch im Morgenmantel – eigentlich nur ein verdammt noch mal wortloses Wattestäbchen zum Ohrenreinigen entnehmen wollte, wird dadurch jetzt endlich auch empowert: Sie ist gar nicht so allein, wie sie sich fühlt, dort in der fensterlosen Sanitärdienststelle unter der Erde! Nein, all ihre Schwestern und solche, die sich als Schwestern definieren, haben eine solidarische Menschenfrauenkette um die ganze viereckige Welt gebildet. Alle fassen sich an den Händen und rufen gemeinsam mit ihr von Altona bis Afrika: „Ja! Wir können! Copyright: Redenschreiber von Barack Obama!“ sowie „Sei eine Stimme und kein Echo!“

So geht sie dann nach verrichteter Morgentoilette zur Arbeit in der Ganztagstoilette, frisch gestärkt und frauensolidarisiert. Und noch lange hallt das Echo ihrer Stimme unter Tage nach, während oben in der Baerbockschen Dorfstraße nur Vogelgezwitscher erklingt.


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