Das ebenso drakonische wie dubiose Zwangsmittel der Hausdurchsuchung wegen Meinungsdelikten verbreitet sich in Deutschland wie ein Lauffeuer – im Gleichschritt mit einer Unkultur der Denunziation und der Zensur. Jüngstes Opfer: der in Berlin lebende US-Autor und Kapitalismuskritiker C. J. Hopkins.

Gestern Morgen, am 26. November, klingelten drei bewaffnete Polizeibeamte an der Wohnungstür des seit langem in Berlin lebenden US-Bürgers C. J. Hopkins. Sie präsentierten einen Durchsuchungsbeschluss, verhörten den preisgekrönten Buch- und Bühnenautor sowie seine Ehefrau und beschlagnahmten seinen Computer. Veranlasst worden war die Aktion offenbar in Verbindung mit einem seit 2023 andauernden juristischen Feldzug der Obrigkeit gegen Hopkins. Der Vorwurf: Er habe Material verbreitet, das den Nationalsozialismus verharmlose bzw. befürworte. Das fragliche Material ist Hopkins‘ Buch „The Rise of the New Normal Reich“, eine Sammlung von Essays aus den Jahren 2020 bis 2021, die sich kritisch und polemisch mit den drakonischen Corona-Maßnahmen des deutschen Staates auseinandersetzen – seiner Auffassung nach vom selben Geist wie der Terror des NS-Staates. Das Gegenteil also von dem, was ein Neonazi verkünden würde.
Diesmal, so der Autor, ging es nicht wie bei der Anklage, die zu Hopkins‘ rechtskräftiger Verurteilung durch das Berliner Landgericht führte, um die Abbildung auf dem Buchcover. Sie zeigt eine Corona-Maske, durch die ein Hakenkreuz schimmert – Versinnbildlichung eines erneut aufscheinenden Totalitarismus, gegen den der Autor sich im Buch wendet. Hopkins klagt derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Verurteilung aufgrund der Anklage, er habe sich verfassungsfeinlicher Symbole bedient. Das Buch selbst ist – anders als in den USA und dem großen Rest der Welt – in Deutschland nicht erhältlich, weil Händler wie Amazon es aus dem Programm gestrichen haben. Ob es aber auch indiziert ist, also als staatsfeindlich verfolgt wird, war dem Autor selbst bislang nicht klar.
Die aktuelle Repressalie unter dem Vorwurf der NS-Propaganda indes betraf, so Hopkins, erstmals über das Cover hinaus auch den Inhalt beziehungsweise seine Veröffentlichung. In einem ersten Kommentar noch am Tag der Durchsuchung bezeichnet Hopkins die Heimsuchung seiner Privatsphäre als „krasse Verletzung meiner Rechte als Autor und Publizist gemäß dem deutschen Grundgesetz“. Er werde „natürlich Rechtsmittel dagegen einlegen“. Was sich die Berliner Staatsanwaltschaft vom drastischen Mittel einer Hausdurchsuchung an konkreten Funden im Haus oder im Computer eines renommierten Autors versprechen durfte, ist unterdessen völlig offen – die Kaderliste einer rechtsextremen Terrorzelle wohl kaum.
Es existiert unter denkenden Menschen kein Zweifel, dass der Vorwurf einer irgendwie gearteteten NS-Verharmlosung oder gar -Verherrlichung im Fall C. J. Hopkins absurd und vorgeschoben ist. Wenn überhaupt, dann ist der 64-jährige Hopkins eher dem „alt-linken“ Lager zuzurechnen. Meist zeichnet sich der Substack-Autor jedoch durch eher undogmatisches, wenn auch scharf antikapitalistisches und antiglobalistisches Denken aus. Insbesondere die zunehmend schrankenlose Macht der Finanzkapitalisten und Oligarchen im Westen mit ihren korrumpierenden Einfluss auf Politik und gesellschaftliche Eliten sieht er als Bedrohung bürgerlicher Freiheiten. Seine argumentativen und satirischen Stachel scheinen Schmerzpunkte getroffen zu haben. Vor allem im Berliner Gesundheitsministerium und seinem Umfeld, dessen Corona-Praktiken er vor Jahren anprangerte.
Einen mächtigen Verbündeten allerdings fand der linksdrehende Amerikaner ausgerechnet im Vizepräsidenten der von Trump nach rechts gewendeten USA. Im Februar twitterte J. D. Vance: „Ich bewundere ihn für seine Standfestigkeit bei der Verteidigung der Redefreiheit. Sein Fall ist ein Beispiel für dreiste Zensur, und die freie Welt sollte davon angewidert sein.“ Subtext der hochrangigen Solidaritätsadresse: Die westliche Führungsmacht beobachtet von höchster Stelle aus, was in Berlin gegen einen ihrer Staatsbürger vor sich geht.
Dabei tat sich Hopkins zuletzt als Versöhner statt als Spalter hervor. Erst kürzlich kehrte er von einem mehrwöchigen Road-Trip im Cabrio durch sein Heimatland USA zurück, das er seit zwei Jahrzehnten nicht mehr betreten hatte. Ziel der Tournee mit zahlreichen Lesungen und Diskussionen in Metropolen und Provinznestern: ein Stimmungsbild aller Lager des schwer polarisierten und traumatisierten Landes aufzuzeichnen, um mögliche Anknüpfungspunkte für eine Rückkehr zu konstruktiver Debatte zu erkunden. Aus dem gesammelten Material soll Hopkins‘ nächstes Buch hervorgehen.
Doch für kritische Geister und Buchautoren ist Deutschland einmal mehr – und mehr denn je in der bundesdeutschen Geschichte – zum gefährlichen Pflaster geworden. Viele Fans und Leser seines Substacks rieten Hopkins nach dem jüngsten staatlichen Übergriff denn auch zur Flucht aus Berlin und Heimkehr in die USA. Doch er will nicht klein beigeben: „Ich bin noch nie vor einem Kampf davongelaufen“, kommentiert Hopkins. „Kann sein, dass ich Deutschland verlasse, aber zu meinen eigenen Bedingungen, und erst sobald diese Auseinandersetzung vorbei ist.“ Manche Prinzipien und Rechte, so der Autor, seien „es immer noch wert, dafür aufzustehen und zu kämpfen“.
Die entfesselte deutsche Staatsgewalt indes trägt diesen Kampf derzeit in mehr und mehr Häuser, in Paläste ebenso wie Hütten. Und das in immer kürzeren Abständen. Es war zum Zeitpunkt der Berliner Hausdurchsuchung keine zwei Wochen her, dass es einen nahezu anonymen Durchschnittsbürger in der baden-württembergischen Diaspora traf: Am 13. November um sechs Uhr morgens – frühere „Aufsuchungen“ sind im Gedenken an nächtliche Terror-Verhaftungen durch die NS-Gestapo in der Bundesrepublik bislang tabu – durchsuchte die Polizei im Raum Göppingen auf Anordnung einer Richterin am Amtsgericht Ulm die Wohnung eines 45-Jährigen. Der im persönlichen Umgang eher zurückhaltende Mann stuft sich politisch als „libertär“ ein. Auslöser der Staatsaktion: Er hatte im September auf „X“ einen Kurztext gepostet, in dem er Beamte, Politiker und Angestellte von Staatsunternehmen pauschal in die Nähe von „Parasiten“ rückte.
Nicht gerade staatsfromm, doch wohl kaum ein Delikt, das die demokratische Grundordnung fundamental erschüttern könnte. Die Folgen waren auch hier dramatisch: Der Mann mit gerade mal ein paar Dutzend Online-Followern wurde vor die Wahl gestellt, entweder sein Handy samt PIN zu übergeben, oder alle seine Endgeräte würden mitgenommen. Außerdem wurde er zur „erkennungsdienstlichen Behandlung“ auf die örtliche Polizeiwache gebracht – einschließlich Blutproble „für Ihre DNA“. Zuhause, erinnerte er sich Reportern gegenüber, habe er vorher noch die Toilette benützen dürfen, und zwar in Anwesenheit eines Beamten. Zuletzt gab man ihm nach Schilderung von Apollo News einen freundschaftlichen Rat mit auf den weiteren Lebensweg: „Überlegen Sie sich, was sie in Zukunft posten, Ihnen muss klar sein, dass Sie jetzt unter Beobachtung stehen.“ Ein Protokoll der Hausdurchsuchung oder eine Quittung für sein Handy habe er nicht erhalten, gab der Betroffene an.
Dass ein Staat, in dem die Meinungs- und Informationsfreiheit durch das Grundgesetz geschützt ist, mit diesen Praktiken jenen Systemen immer ähnlicher wird, vor denen er seine Bürger mit solchen Aktionen angeblich aus historischer Erfahrung schützen will – dazu und zu weiteren Fragen kein Kommentar von Staatsanwaltschaften, Gerichten oder Landeskriminalämtern. Fast scheint es so, als werde hier behördlicherseits eher die alte Mao-Strategie „Bestrafe einen, erziehe Hunderte“ verfolgt. Furcht und Verunsicherung sollen sich demnach durch abschreckende Exempel in alle Schichten und Winkel einer kritischen Öffentlichkeit verbreiten – gerne auch durch Berichterstattung in alternativen Medien. Im Fall des bis dahin völlig unbescholtenen Mannes aus dem Raum Göppingen wirkte die Maßnahme wunschgemäß: Der Welt gegenüber gab er an, seither mit Angstzuständen und Panikattacken vor weiteren Staats-Übergriffe zu leben. Ob ihn eines der inzwischen einschlägigen „zivilgesellschaftlichen Meldeportale“ angeschwärzt hatte: kein Kommentar.
Da tröstet es nicht, dass Prominente ebensowenig wie Durchschnittsbürger von den inflationären Übergriffen der Staatsgewalt auf die häusliche Privats- und Intimsphäre verschont bleiben. Wiederum nur drei Wochen zuvor, am 23. Oktober, war das Haus des Berliner Publizisten und emeritierten Medien-Professors Norbert Bolz heimgesucht worden. Bolz hatte sich als eloquenter Kritiker von Überwachungsstaatsgebaren, Zensur und machtkonformer Medienmanipulation zur Zielscheibe ebensolcher Akteure gemacht. Wie zur Bestätigung seiner Vorwürfe nun also ein „Bademantel“-Termin – so der inzwischen etablierte Sprachgebrauch in oppositionellen Lagern, seit das Pressefoto eines damit bekleideten AfD-Politikers die Runde machte, der dem Rollkommando zur inzwischen üblichen Frühmorgenstunde seine Haustür öffnen musste.
Auch bei Bolz lautete der Verdacht – offenbar diskriminierungsfrei ohne Ansehen der Person – auf das bewährte und plakative „Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen“ (§ 86 StGB): Es ging um eine bereits im Jahr 2024 getwitterte Replik des Medienwissenschaftlers auf eine Schlagzeile der taz, die den verschärften politischen Druck auf die AfD mit den Worten zusammengefasst hatte: „Deutschland erwacht“. Das erinnerte Bolz an eine Parole der Hitlerdiktatur, und er kommentierte ironisierend: „Gute Übersetzung von ‚woke‘: Deutschland erwache!“ Daraufhin wiederum trat die vom hessischen Innenministerium ins Leben gerufene Melde-Plattform „Hessen gegen Hetze“ auf den Plan und alarmierte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Die Polizei-Patrouille rückte dann zwar ohne Durchsuchung wieder ab, doch nicht ohne zuvor fast wortgleich wie beim Urheber des „Parasiten“-Tweets zu warnen: „Sie sollten in Zukunft vorsichtiger sein, was Sie posten.“ Ein Satz, der fast aus dem Stasi-Spielfilm „Das Leben der anderen“ entnommen sein könnte.

Nur drei von vielen Fällen aus jüngster Zeit. Während die etablierten Leitmedien der Republik die Springflut von Denunziationen und daraufhin exekutierten Hausfriedensbrüchen normalerweise mit pikiertem Schweigen bemänteln, war Bolz in der Zeitungslandschaft offenbar zu gut vernetzt: Ein paar wenige Alarmrufe über den neuen Tiefpunkt politischer Diskurskultur ließen sich vernehmen. Denn immerhin war der ganze Zweck der Aktion offiziell gewesen, die Urheberschaft Bolz‘ an seinem Tweet nachzuweisen – durch das Auffinden desselben in seinem Endgerät. Das Original zeigte er den Beamten dann freiwillig auf dem Display. „Man reibt sich die Augen“, schrieb in der FAZ Jürgen Kaube. Stets heiße es, Deutschlands Strafverfolger seien überlastet. „Für eine solche Posse aber ist Zeit.“
Andere waren weniger empathisch mit dem vermeintlichen Terror-Twitterer Bolz. Der Spiegel sprach mit hanseatischer Bräsigkeit von einem „Beinah-Skandal“ um den „stramm rechts“ stehenden Professor, dessen Fall „die Freunde der Meinungsfreiheit fächendeckend in Wallung“ gebracht habe – aus nichtigen Gründen, denn „ihre Argumente sind von zweifelhafter Qualität.“ Und das Fachblatt Legal Tribune Online attestierte, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft sei konform zur „Linie der Rechtssprechung“: Sarkasmus schütze bei der Wiedergabe von NS-Parolen nicht vor Strafe. Dass die inzwischen zurückgezogene taz-Schlagzeile („Deutschland erwacht“) hingegen strafverfolgungsfrei ausging, schien dem Tribune nicht weiter thematisierenswert.
In Deutschland mangelt es nicht an Autoren und Kommentatoren, die solche Razzien und Belehrungsbesuche der Obrigkeit als Kleinkram abtun. Bedrückend ist auch eine wie üblich schweigende Mehrheit, die womöglich im Stillen sogar glaubt, an all den Verdachtsfällen von hochgefährlichem Meinungsmissbrauch werde schon was dran sein. Sie alle haben noch nie am eigenen Leib erlebt, was es bedeutet, einem nicht wohlwollenden Staatsapparat intimste elektronische Besitzstände wie Fotos, Videos, Bankdaten, Briefe und Kontakte ausliefern zu müssen – und danach ohne vernetztes Endgerät im modernen Alltag lange Zeit nahezu handlungsunfähig zu sein. Von der Rufschädigung bis hin zur Existenzvernichtung auf Verdacht ganz abgesehen.
Vielleicht am destruktivsten für die Aussichten auf einen irgendwie noch lösungsorientierten Diskurs in einer vom Problemdruck nahezu überwältigten Republik aber sind die anonymen Denunzianten, die den Verfolgungsapparat füttern. Durch den munteren Ausbau von Meldesystemen und Strafverfolgung werden diese Charaktere ermuntert, die Reste ehemaliger Diskurskultur endgültig in eine Einöde des politisch konformen Phrasendreschens und Maulhaltens zurückzubomben. Die Frage ist, wessen Interessen dieser offenbar gewollte Weg in den Abgrund dient.


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