Die vergangenen sieben Tage haben ausgereicht, um drei weitere politische Tabus zu zerschmettern. Französische Bodentruppen in der Ukraine, deutsche Sandkastenspiele zu Angriffen auf eine russische Brücke, Umstellung unserer Krankenhäuser auf Kriegsbedarf – all das ist jetzt sag- und planbar. Wo bleibt der Aufstand der zukünftigen Atomkriegstoten?

Erstens: Der französische Präsident Emmanuel Macron bringt den Einsatz französischer Bodentruppen in der Ukraine ins Gespräch. Nichts sei ausgeschlossen, um einen russischen Sieg in der Ukraine zu verhindern, so Macron laut tagesschau.de. Zweitens: Hohe deutsche Luftwaffen-Offiziere geben sich bei einer von Russen mitgeschnittenen Videokonferenz Planspielen hin, wie man die russische Krimbrücke mittels deutscher Taurus-Marschflugkörper zerstören könnte, ohne dass die Beteiligung der Bundeswehr ersichtlich würde. Drittens: Bundesgesundheitsminister Lauterbach will Deutschlands Krankenhäuser auf ein „Kriegsszenario“ vorbereiten.

Keine dieser drei Äußerungen höchstrangiger westeuropäischer Funktionsträger innerhalb der letzten sieben Tagen hätte man noch im Herbst 2021 für möglich gehalten, was das Niveau ihrer Verstiegenheit, Destruktivität und Abenteuerlichkeit angeht. Ich schreibe mit Bedacht nicht: noch im Februar 2022, also unmittelbar vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Denn schon vorher, im Dezember 2021, war Lauterbach bereits Gesundheitsminister und verantwortete eine politische Reaktion auf die „Pandemie“, die bereits in ebensolchen Sphären der Verblendung und Verbohrtheit angesiedelt war.

Darin stand er Frankreichs Präsident Marcon nicht nach, der für sein Land vergleichbar irrwitzige Corona-Maßnahmen durchwinkte. Nur von den Luftwaffe-Offizieren hörte man zu der Zeit noch nichts – vermutlich, weil die damalige Verteidigungsministerin trotz Lauterbachs „Zero-Covid“-Phantasien nicht die totale Vernichtung des Virus als offizielles deutschen Kriegsziel ausgegeben hatte.

Aber die Ukraine kann man doch nicht mit Corona in einen Topf werfen? Richtig, man muss mittlerweile sehr aufpassen, dass nicht alle Fronten des Unheils ineinander verschwimmen. Sonst würden etwa der permanente Kampf gegen rechts, der inzwischen vergessene Krieg gegen den Terror, der längst aufgegebene Kreuzzug gegen die Drogen, der schlussendlich doch abgeblasene Feldzug gegen ein Virus und die andauernde Verteidigungsschlacht gegen Russland zu einem einzigen schwarzen Loch des Wahnsinns werden. Die nun über Jahre andauernde Verschränkung all dieser Kriegsschauplätze und Hysterieschlachtfelder hat bedrohliche Folgen. Zunächst im Kopf. Dann in der Realität.

Was also machen drei Hiobsbotschaften von solcher Tragweite, drei solch gewaltige Tabubrüche innerhalb einer Woche mit den Deutschen? Müsste nicht kollektive Fassungslosigkeit herrschen? Müsste nicht gar ein wenig Zorn aufflackern? Nun, für die übergroße Mehrheit dürfte gelten, was immer gilt: Sie zucken mit den Schultern und geben sich lieber kuhäugig ihrem Alltag hin, solange und sofern sie noch einen haben. Was sollen sie sich erregen?

Zum einen verabreichen ihnen ihre Qualitätsmedien nur sorgfältig gefilterte Versionen dieser drei Inhalte. So werden zum Beispiel heute nicht die ungeheuerlichen Sandkastenspiele deutscher Militärs gegenüber Russland skandalisiert, für die in halbwegs normalen Zeiten der verantwortliche Verteidigungsminister, wenn nicht gar der Kanzler, noch am Tag ihres Bekanntwerdens hätte zurücktreten müssen. Nein, skandalisiert wird der hinterhältige Desinformationskrieg, den Russland mittels Mitschnitten wie diesem – dessen Echtheit vom Ministerium bestätigt wurde – gegen Deutschland führe. Denn das ist bösartig und kriminell.

(Nicht kriminell, sondern mutig und aufklärerisch ist es hingegen, wenn „Correctiv“ auf freundschaftlichem Fuß mit dem deutschen Inlandsgeheimdienst ein privates Treffen am Lehnitzsee observiert und daraufhin eine mit denunziatorischer Raffinesse fabrizierte Fiktion dieses Treffens nicht nur publiziert, sondern auch noch als Theater-Groteske auf eine deutsche Bühne bringen lässt. Das ist okay, denn da geht es gegen „rechts“.

Nicht kriminell ist aber auch das enge Bündnis unseres brüderlichen Freundes, der ukrainische Regierung, mit gewalttätigen Neonazis im eigenen Land. Denn es sind ja nicht deutsche Neonazis, und sie sind die Feinde unserer Feinde. Nicht kriminell ist schließlich auch die Phantasieplanung eines Marschflugkörperanschlags auf ein ziviles Ziel in einem Land, mit dem Deutschland nicht offiziell im Krieg ist. Immer hübsch differenzieren!)

Zum zweiten sind die Menschen in Deutschland zunehmend abgestumpft und betäubt. Die schlechten bis katastrophalen Nachrichten prasseln seit mindestens 2019, als man Corona aus einem chinesischen Labor entweichen ließ, auf sie ein – mit einem fließenden Übergang dieses Ausnahmezustands in den des Ukraine-Kriegs, in die dadurch ausgelöste fürsorgliche Beendigung der deutschen Gasversorgung, in die wiederum dadurch verschärfte Deindustrialisierung und Massenverarmung sowie ein dickes Bündel neuer Verbotsgesetze durch die grün dominierte „Ampel“. Menschen mit noch längerem Gedächtnis erinnern sich gar, dass der (sprichwörtliche und materielle) Strom der Hiobsbotschaften bereits im September 2015 begann. Aber das ist eine wenn auch nicht andere, so doch ein anderes Mal zu schreibende Geschichte.

Drittens sind die Menschen abgelenkt. Massiv aufgezogene Propaganda schafft so etwas: Eine Minderheit, die sich zur Stimme der Mehrheit erklärt, ergeht sich regierungsfromm in „Massendemonstrationen gegen rechts“, während hinter den dramatischen Kulissen einer Phantom-Bedrohung der Gesellschaftsumbau der Linken in sich zusammensackt und ein ganzes Land in Zeitlupe in Trümmer fällt. Wer selbst unter diesem pausenlosen Agitationsfeuer aus allen medialen Rohren noch den Kulissenschwindel wahrzunehmen droht, der wird rund um die Uhr mit Netflix und Disney+ sediert. Ach ja, und er darf sich dieses Land jetzt straflos schönkiffen.

Viertens schließlich macht der „zensur-industrielle Komplex“ den wenigen, die trotz alledem immer noch nicht den Kopf einziehen, möglichst viel Angst. Ausgrenzung von Falsch-Meinungen, Kriminalisierung von „Desinformation“ und „fake news“, politische Strafverfolgung der Opposition mittels zivilgerichtlicher „Lawfare“, Zensur des Internets in nie dagewesenem Ausmaß. Wollen doch mal sehen, wer da immer noch Widerworte wagt – und wer damit noch andere im Netz erreicht.

Filtern, betäuben, ablenken, einschüchtern. Nur mit diesem Quartett ist zu erklären, dass sich selbst drei Minuten vor zwölf immer noch keine Massendemonstrationen gegen links den heillosen Marsch des politischen Westeuropas in Richtung eines offenen Krieges mit Russland auf den Weg machen. Denn kein Vertun, auf diesem Weg sind wir weit gekommen. Nicht Deutschland oder Westeuropa für sich genommen oder auch nur aus eigener Initiative. Nein, wir werden gegangen, mit riesigen Stiefelschritten. Die Antreiber sind in Washington und (zeitweilig) Davos ansässig, ihre Transmissionsriemen in den Regierungssitzen der EU und der Nato laufen auf Hochtouren.

Der Rückhalt, den ein Präsident Marcron, ein Verteidigungsminister Pistorius, ein Minister Lauterbach und die Mitglieder anderer EU-Regierungen spüren, ist längst nicht mehr der Rückhalt der Mehrheit ihrer Landsleute. Es ist der Rückhalt der größten Militär- und Geopolitikmacht der Welt und ihrer Finanziers. Wenn dieser transnationale Club von „unserer Demokratie“ redet, dann meint er es wörtlich: unsere Leute, unsere Institutionen, die unsere Politik gestalten und dazu einen Konsens unter uns Begünstigten und Begüterten herausbilden. Diese Konsensbildung innerhalb ihrer elitären Seilschaften definierten diese Akteure als „unsere Demokratie“, erklärt Mike Benz, Netzpolitik-Experte und Gründer der Foundation for Freedom Online. Alles, was dieser Sicht entgegenstehe, werde effektiv mundtot gemacht.

Benz‘ langes Interview mit dem US-Journalisten Tucker Carlson legt die furchterregende Skrupellosigkeit und Reichweite des militärisch-politischen Zensurapparats der USA innerhalb der westlichen Hemisphäre einschließlich der EU-Gesetzgebung offen. Trump-Wähler, Maßnahmenkritiker, protestierende Bauern, deutsche Mittelständler oder Dissidenten jeder Art aus den Völkern dieser Hemisphäre gehören längst nicht mehr zu „unserer Demokratie“ und sind nurmehr zu neutralisierende Störenfriede ohne Mitspracherecht. Dieses Weltbild ist in Berlin dasselbe wie in Washington, von wo es schließlich an die Spree exportiert wurde.

Über den erstaunlich synchronen Abstieg der USA und Deutschlands in den woken Wahn, über den Gleichschritt der handelnden Parteien, Personen, Gesetzgeber, Lobbygruppen, Internet-Konzerne und politischen Vorfeldorganisationen auf beiden Seiten des Atlantiks muss hier demnächst mindestens ein eigener Beitrag erscheinen. Für den Augenblick hefte ich meinen Blick auf das Erreichen und Verstreichen eines magischen Datums. Wenn wir bis dahin überlebt haben werden, wird vielleicht wieder ein Hauch von realpolitischer Vernunft und Diplomatie in die vom Irrsinn geschlagene Politik des Westens einziehen können. Vielleicht.

Das Datum ist der 5. November 2024, der Tag der US-Präsidentenwahl. Bis zu diesem Tag aber wird sich der hysterische Druck der Washingtoner „Democrats“ auf ihre Alliierten wie auf ihre Feinde jeden Tag weiter verstärken. Der Wahlkampf gebietet es: Jeden Tag wird die Biden-Regierung noch ein wenig mehr der Versuchung erliegen, sich durch Säbelrasseln, Muskelspiele und Nadelstiche als Retter der Ukraine zu inszenieren, während sich die militärischen Kräfteverhältnisse dort weiter zugunsten Russlands verschieben. Denn die Urkaine kann diesen Krieg, der nie unser Krieg war, nicht gewinnen.

Da er aber der erklärte Lieblingskrieg der USA ist, die bereits Milliarden über Milliarden Dollar in ihn investiert hat, muss er gewonnen werden, mindestens als Propagandaschlacht. Schlimmstenfalls aber eben auch, durch Veranwortungslosigkeit und eine Reihe rasch eskalierender Fehlentscheidungen, als echter, nicht mehr stellvertretend geführter Krieg in ganz Europa. Es versteht sich von selbst, dass er nichts als Vernichtung und Apokalypse über unser Land und vermutlich die Welt bringen würde. Wiedereinführung der Wehrpflicht, Ausrufung des Notstands, allgemeine Mobilmachung – nach den drei Nachrichten aus nur einer Woche fehlen uns nur noch ganz wenige weitere Eskalationsstufen, bis es soweit ist.


Nachtrag, 6.3.:

Scott Ritter ist Amerikaner, Russland-Kenner und überdies ein ehemaliger UN-Waffeninspektor, der als einer der ersten die von den USA fabrizierten „Beweise“ für den Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Iraks damaligen Diktator Saddam Hussein anzweifelte. Da er seit der Aufdeckung dieser Verschwörung zum Krieg als scharfer Kritiker der US-Geopolitik aufritt, erhielt er in allen Mainstream-Medien die Prädikate „Verschwörungstheoretiker“ und neuerdings „Putin-Troll“. Ritter ist auch ein Selbstdarsteller mit nicht geringem Geltungsbedürfnis.

Sie müssen also nicht gutheißen, was er vor kurzem uns Deutschen ins Stammbuch schrieb. Zum Beispiel nicht, dass Ritter uns bescheinigt, als Nato-Vasall und Scholz-Staat „sowieso schon tot zu sein“. Auch nicht, dass er Deutschlands einzige Chance in einer „friedlichen Revolution“, militärischer Neutralität und Mitgliedschaft in der BRICS-Staatengemeinschaft sieht, die ökonomisch von China und Russland dominiert wird.

Ansehen sollten Sie es sich trotzdem. Einfach nur, weil Scott Ritter leidenschaftlich argumentiert und mehr über Washington und die Nato weiß als nahezu jeder „Experte“, den der Mainstream dieser Tage aufbietet. Aber grundsätzlich auch, damit Ihr Weltbild nicht völlig einrostet. Allermindestens werden Sie sich wunderbar aufregen können. Und es wird Ihnen ja leichtfallen, seine billige Russenpropaganda zu widerlegen.