Perversion in Flaschen: Die Wasserauswahl im Hamburger Konsumtempel “Alsterhaus” befriedigt jeden noch so degenerierten Geschmack.

Das “Alsterhaus” am Jungfernstieg ist für Karstadt in Hamburg das, was das KaDeWe in Berlin ist: das Flaggschiff der gehobenen Warenhaus-Kultur und des bürgerlichen Savoir Vivre. Im Obergeschoss gibt es ein “Gourmet-Paradies”, wo stark geschminkte Pelzfregatten im vorgerückten Alter zu jeder Tageszeit die Champagnerbars besegeln – Postkartenhamburg eben. Eine Nische dort ist dem Wasser gewidmet. Die Wände sind mit Botschaften des Tenors verziert, dass Wasser “ein besonderes Element” sei, Quell allen Lebens etc. Was Marketinglyrikern eben spontan durch den Sinn schießt.

Und dann läuft man auf das Verkaufsregal zu. Dort stehen die Wasserflaschen diverser Marken so aufgereiht, wie man es auch vom Weinregal kennt: unten der Ramsch, in Augenhöhe die Margenbringer, ganz oben die Ware, die man dem Kunden besser nicht unbegleitet vom Personal in die Hand gibt. Arbeiten wir uns von unten nach oben vor.

Zum Preis von 8,50 Euro die 0,75-Liter-Flasche ist Elsenham Sparkling aus England natürlich nicht ernst zu nehmen. Wahrscheinlich wurde es nicht einmal durch Halbedelsteine filtriert, das will man gar nicht wissen. Servieren Sie so etwas, wenn Sie daheim ein Diner geben, bitte dem Personal im Nebenzimmer. Oder senden Sie zu Weihnachten einen Karton an ein Waisenhaus im Südsudan. Lassen Sie sich aber ein Belegfoto des Glanzes in den Kinderaugen übermitteln, wenn Emotionen für Sie ein Assett darstellen.

Evian by Courreges für nicht einmal elf Euro pro Flasche gehört ebenfalls zu jenen vulgären Marken, für die meines Wissens sogar Fernsehwerbung gemacht wird. Dass das billig gestaltete Gefäß zum kleinbürgerlichen “Pfandsystem” zu rechnen ist – 25 Cent, mehr muss man nicht sagen -, entzieht es von selbst dem abwägenden Blickfeld des Kenners.

Bei “Gize” kommen wir mit 18 Euro allmählich in den Bereich des Wertzuschätzenden. Goldfiltriert, zeichnet dieses Sparkling Water dennoch ein gewisses Understatement aus, das dem Hanseaten lieb und teuer ist. Ein Wasser wie ein Audi A8: robust, aber kultiviert. Tipp: Füllen Sie es in die Karaffe “Biarritz” von Flamant um, bevor Sie diesem Wasser seinen Auftritt gönnen.

Angemessen hoch in der Gunst des Alsterhauses aber steht “Bling” – nämlich im Regal über Kopfhöhe selbst groß gewachsener Gourmets wie mir. So weiß man zumindest, dass nicht jeder hergelaufene Millionär es mit unbehandschuhten Fingern betatscht hat. Die knapp 60 Euro pro Flasche trennen auf angenehm dezente Weise die Spreu vom Weizen, wenn Sie verstehen. Die Flasche ist mit goldglänzenden Swarowski Kristallen besetzt, was mancher für neureich halten wird. Dafür habe ich in Hamburg durchaus Verständnis. Doch mir behagt dieses Designelement durchaus, wird es doch durch ein unterkühltes “H2O” wieder geerdet. Bling wurde vom “Hollywood Creative Executive and visionary” Kevin G. Boyd kreiert. “Inspiriert von allem, was Luxus ist, betrachtete Kevin seine Welt der roten Teppiche und blitzenden Lichter und hatte die Vision einer Produktlinie, die in dieser Umgebung bestehen konnte.” Das Ergebnis: “Eine Flasche Haute Wasser, so schön, dass sie auf den globalen roten Teppichen der Welt allein stehen konnte.”

Es gibt übrigens auch ein Exemplar aus der Dubai Collection mit 10.000 handverlesenen Swarovski-Kristallen zu 2.600 US-Dollar die Flasche. Leider konnte ich sie im Alsterhaus nicht entdecken. Es ist halt doch ein wenig kleinstädtisch, unter uns.