Unsere Welt ist klein geworden. So klein wie eine Gummizelle: gut gepolstert, ausbruchssicher, überfüllt. Ein Elektroschock am einen Ende pflanzt sich bis zu den Insassen am anderen Ende fort. Und wir stecken mittendrin – woran TWASBO in dieser Reihe erinnert.
Wenn das soziale Gewissen pocht, aber der Drang zum kostenlosen Tugendbekenntnis noch lauter hämmert: Die fünf Toten bei dem hier erwähnten Unglück in Hamburgs Hafencity waren Mindestlohn-Leiharbeiter aus Bulgarien, die ein weiteres Gebäude in dieser Bastion der Besserverdienenden hochzogen und dabei in einen Aufzugschacht stürzten. In der unangenehmen Gewissheit, dass auch ihre eigenen Luxusresidenzen unter ebensolchen lebensgefährlichen Bedingungen durch namenlose Wander-Ameisen des Kapitals errichtet worden sind, verfassten die Anwohner eine Kondolenzanzeige.
Wo die Bestürzung so groß war, hätten sie für die Hinterbliebenen natürlich auch ein Spendenkonto eröffnen können, wie es die Gewerkschaft IG Bau tat. Oder zumindest hätte es nahegelegen, den Beileidstext ins Bulgarische zu übersetzen. Aber dann hätte die Botschaft der Anwohner die eigentliche Zielgruppe verfehlt: ihresgleichen. Seht alle her, wir zeigen Mitgefühl. Und jetzt wieder wegschauen, es wird weitergebaut.
Des einen Bauboom ist des anderen Ruin:
Wieder grüßt das Murmeltier schließt eine Karstadt-Filiale. Diesmal in der Lübecker Innenstadt, wo der finale „Sortiments-Abverkauf“ einschließlich der Schaufensterpuppen begonnen hat (TWASBO-Leser kennen das alte Lied). Die österreichische Abrissbirne René Benko, ihres Zeichens „Immobilien-Milliardär“ und „Warenhaus-Retter“ (Quelle: Qualitätspresse), spart auf diese Weise weiter Kosten. Was auch dringend notwendig ist, denn Benkos Signa-Holding hat diese Woche bei einem Gericht in Wien den Insolvenzantrag gestellt.
Immerhin verdankt Hamburg ihm den laut Plan irgendwann einmal 245 Meter hoch gipfelnden Elbtower, der wegen nicht bezahlter Subunternehmer-Löhne jetzt als halbwüchsiger Stummel stehenbleibt: das neue hanseatische Mahnmal für Gier und Größenwahn auf tönernen Füßen. Im Volksmund – und allein dafür hat sich der Ressourcenverbrauch gelohnt! – heißt die Bauruine bereits der „kurze Olaf“: Kein Geringerer als unser profilierter SPD-Bundeskanzler Scholz hatte Benkos feuchtem Investorentraum noch zu Zeiten als Erster Bürgermeister den trügerischen Boden bereitet.
So muss jetzt also unter anderem auch noch Lübecks Einzelhandel dran glauben. Es wiederholt sich immer alles nach dem selben Schema: Jahrzehntelang hatten Menschen hier Brot und Arbeit, fanden Kunden alles unter einem Dach – und irgendwann ist’s halt zu langweilig geworden. Großes Abschlussfeuerwerk, dann: Hello, Amazon! Moin, Bürgergeld!
Im todgeweihten Kaufhaus gesellten sich bei meinem Besuch zu den Untergangs-Schnäppchen diesmal saisonbedingt auch noch die Black-Friday-Sonderangebote: ein Paradies für Endverbraucher im wahrsten Sinne des Wortes! Wobei: Ist in der deutschen Wirtschaft nicht inzwischen jeder Tag ein Schwarzer Freitag?
Drei Auffälligkeiten hinsichtlich Hamas/Israel im Vergleich zu Russland/Urkaine:
I.
Am Tag nach dem russischen Einmarsch im Februar 2022 zeigten Außenwerbung-Displays und öffentliche Gebäude in Deutschland flächendeckend blau-gelbe Solidaritätsbeflaggung. Das Establishment der US-Globalisten hatte reichlich Zeit gehabt, den Truppenaufmarsch zu verfolgen und die lifestyle-sozialistischen „Eliten“ des Westens auf die Propagandierung der politisch genehmen Seite vorzubereiten.
Am Tag nach dem Überfall der Hamas im Oktober 2023 zeigten dieselben deutschen Außenwerbung-Displays und Dienstgebäude keine Israel-Fahnen. Die Vordenker unseres amerikanischen Hegemons waren von der Entwicklung überrascht worden.
II.
Fast zwei Jahre nach Beginn der glorreichen Abwehrschlacht in der Ukraine, die der US-geführte Westen mit unbegrenzter Waffenexporthilfe blutig in die Länge zieht und trotzdem in Kürze verloren geben muss, sind die blaugelben Gesinnungswimpel in Deutschland fast überall still und leise wieder eingeholt worden.
Fast zwei Monate nach dem Hamas-Überfall hat es immer noch kein Memo aus Washington gegeben, welche Seite in diesem Krieg zu beflaggen sei. Oder es gab eines und den lifestyle-sozialistischen „Eliten“ gefällt der Inhalt des Memos nicht. Israel-Fähnchen bleiben im deutschen Straßenbild jedenfalls absolute Ausnahmeerscheinungnen, im Gegensatz zu Palästina– und Hamas-Bannern.
III.
Eine historische Tatsache, an die wir von den lifestyle-sozialistischen „Eliten“ bei jeder Gelegenheit erinnert werden, lautet: Die Nationalsozialisten waren Antisemiten. Hingegen erinnern sie ungern an die andere Seite der Medaille: Hitlers Antisemiten waren Sozialisten.
Und dann gab es da ja auch noch den Duce del fascismo. Das überwiegend deutschsprachige Südtirol, seit 1867 ein Bestandteil Österreich-Ungarns, war nach dem Ersten Weltkrieg von Italien annektiert worden und ist heute eine teilautonome italienische Provinz. Deutsch ist eine der beiden Amtssprachen, aber die durch Mussolinis Faschisten italienisierten Namen von Orten und Straßen bleiben gültig – sehr zum Ärger der stolzen Mehrheits-Südtiroler. An vielen Orten im öffentlichen Raum findet sich nun dieser Aufkleber:
Warum ich das hier poste? Für mich als Deutschsprachigen war es das erste Mal, dass jemand aus einem anderen Kulturraum zur Bewahrung bzw. Wiedereinsetzung meines Idioms aufruft und wegen der gewaltsamen Abschaffung der deutschen Sprache und Kultur ausdrücklich um Entschuldigung bittet. Aus der Heimat kenne ich bloß gegenteilige Bestrebungen in Wort und Tat.
In eigener Sache: Das Blogmagazin TWASBO wird auf der Publishing-Plattform WordPress produziert. Da jeder, der Blogs schreibt, auch andere Blogs und Webseiten liest, stellt WordPress einen „Reader“ zur Verfügung: eine Seite, die alle abonnierten Medien bündelt und jeweils sofort bei Neuerscheinen eines Beitrags aktualisiert. So bleibt man als Leser überall auf dem neuesten Stand. Es sei denn … jemand schreibt etwas über die äußerst ehrenwerte Partei der Grünen.
Denn wenn ich irgendwo im Blogbeitrag dieses Stichwort oder auch den Namen eines Spitzenpolitikers dieser Partei einbaue (für TWASBO leider eine ebenso häufige wie traurige Chronistenpflicht), dann hat es der Reader überhaupt nicht eilig mit der Verkündigung des fraglichen Beitrags. Im Gegenteil vergeht dann statt Minuten im Schnitt etwa ein Tag, bevor der Artikel weit unten in der Liste der Neuerscheinungen auftaucht:
Die Frage ist natürlich: Was passiert in der Zwischenzeit? Welcher geheimnisvolle Algorithmus macht sich da im Hintergrund an die Arbeit? Oder sind es doch eher die biologisch abbaubaren Hirnkastl von der stasihaften Abteilung für Gegneranalyse, die so viel Zeit für die Auswertung benötigen? Immerhin bekämpft auch das millionenfach genutzte WordPress unter Druck der EU inzwischen offiziell „Hate Speech“, was ja heute nur ein anderes Wort für Regierungskritik ist. Ich bin gespannt, ob andere Blogger ähnliche Erfahrungen gemacht haben – und wann dieser Beitrag hier, der schon wieder Die Grünen erwähnt, in ihrem WordPress-Reader auftaucht.