Literarischer Lauschangriff: nicht auszudenkende Mitschnitte aus einem postdemokratischen Land jenseits meiner Vorstellungskraft – des vorletzten Jahres

„Aber natürlich bekommen die Leute ihre Rechte von uns nur bei Impfung zurück, lieber Parteifreund, und auch das nur sparsam. Ja nun, Privilegien muss man sich verdienen! Was wollen die groß dagegen machen? Wenn jemand von den üblichen Verdächtigen aufmuckt, kümmen sich die Sozialen Medien schon drum.“

„… stellte ich fest, dass an Wochenenden während des Beherbergungsverbots drei verschiedene gebietsfremde Fahrzeuge unerlaubt vor der Ferienwohnung parkten. Beweisfotos mit Pkw-Kennzeichen sowie eine Aufstellung der jeweiligen Aufenthaltsdauern übersende ich Ihnen anbei und gehe von Ihrem Verständnis für die anonyme Meldung aus. P.S.: Der Wohnungsgeber soll in den vergangenen Jahren auch die Kurabgabe hinterzogen haben.“

„Ich muss Ihnen leider sagen: Die Leistungen Ihres Sohnes in Mathematik und Physik sind zwar sehr erfreulich. Aber im sozialen Bereich irritiert er meine Kolleg*innen und seine Mitschüler*innen immer wieder durch missverständliche Äußerungen bei Themen wie Antifaschismus oder Diversität. Dass er im Deutschen oft das Gendern vergisst: Da drücken wir jetzt mal beide Augen zu. Dennoch …“

„Grundrechte, Grundrechte my ass! Muss das Verfassungsgericht die eben passend relativieren. Das geht heute wie’s Brezelbacken, wenn ich Sie an das Staatsziel Klimaschutz erinnern darf!“

„Nein, schneid‘ da stattdessen die Szene von diesem Irren mit der Glatze rein, wie der am Rand der Kundgebung mit dem Arm rumfuchtelt. Was heißt ‚winkt in die Kamera‘? Sieht doch original aus wie Hitlergruß, oder?“

„Mir völlig egal, ob ich das vor ein paar Wochen noch ‚kategorisch ausgeschlossen‘ habe! Was soll das heißen, auf Wikipedia zitiert? Ich hatte der Agentur doch ausdrücklich gesagt, die Stelle in meinem Eintrag wird gelöscht!“

„Um ehrlich zu sein, hat es uns selbst am meisten gewundert, wie wenig Widerstand das gegeben hat. Als niemand quiekte, haben wir dann eben noch einen draufgesetzt – und was soll ich sagen: bis auf zwei, drei Querulanten wieder keine Reaktion! Nix! Hätte nie gedacht, dass es so einfach geht.“

„Müssen Sie ja wissen, ob Sie dafür Ihre Karriere aufs Spiel setzen wollen. Fragen Sie einfach mal den Kollegen, der im Fall Maskenpflicht in Schulen die ablehnende Urteilsbegründung geschrieben hat, wie ihm seine neue Dienststelle gefällt.“

„Letzte Warnung: Wenn du dich bis morgen Abend nicht von dem Video-Statement ‚All lives matter‘ öffentlich auf deiner Website distanziert hast, mit Knicks und Bitte um Entschuldigung, machen wir dich Rassistensau fertig!“

„Zum Glück lassen sich diese Accounts über unsere Kontakte ganz still und leise runterdimmen. Haben Sie mal versucht, auch nur in eine Landeszentrale dieser amerikanischen Social-Media-Plattformen reinzukommen? Von außen abweisend wie Fort Knox, aber wenn man ganz oben die richtigen Verbindungen hat …“

„Also, Sie sorgen dafür, dass Ihr Einzelhandelsverband wegen der lockdownbedingten Entlassungen bis zu den Wahlen den Ball flachhält, und das Wirtschaftsministerium wird dafür auf Erleichterungen bei der europäischen E-Commerce-Richtlinie hinwirken. Wie bitte? Klar, das kriegen wir bis September über die Bühne.“

„Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten, weil ich es gut mit Ihnen meine: Entweder, Sie schreiben ihren Kommentar über die Maßnahmengegner bis 19 Uhr noch mal so, dass er im Einklang mit unserem Redaktionsstatut steht. Oder wir machen jetzt und hier von der Probezeit-Kündigungsoption Gebrauch.“

„… und da bekniet er mich geradezu: ‚Eminenz, ich kann das mit meinem Priestergelübe nicht vereinbaren!“ – Na, ich hab den jungen Mitbruder erst mal ins Gebet nehmen müssen, wie die Kräfteverhältnisse in der Bischofskonferenz sind und wo Bartel den Most holt. ‚Ich verstehe ja deine innere Zerrissenheit‘, sage ich also im schönsten Sonntags-Tremolo, ‚aber selbst ich als Kardinal muss politische Loyalitäten anerkennen. Wir leben in diesen Zeiten nicht wie die Lilien auf dem Felde, die unser himmlischer Vater ernährt.‘ Am Tag darauf habe ich mich dann als einfacher Christ in seine Messe gesetzt: eine Predigt gegen Nationalisten und Populisten, die auch den Bundespräsidenten begeistert hätte.“

„Okay, hier ist der Deal: Sie überarbeiten im Sozialbericht den Abschnitt über die drastisch gestiegenen Selbstmordzahlen so, dass die Ursachen im Ungefähren bleiben – egal, was diese obskuren Experten da rausgefunden haben wollen. Die Zahlen werden ja nicht angetastet, wir nehmen quasi nur diese beiden Absätze zur Begründung da raus. Und im Gegenzug habe ich ganz zufällig gehört, dass die Senatskanzlei Ihre Bewerbung auf die Position als Sprecherin befürwortet.“

„Unter uns Pastorentöchtern: ‚Divide et impera!‘, kennste doch, oder? Nee? Na, ‚Teile und herrsche!‘ – ist dasselbe auf Deutsch. Man muss die verschiedenen Gruppen alle gegeneinander aufhetzen, jetzt vor allem die Geimpften gegen die nicht Geimpften. Damit nimmt man sich selber total aus der Schusslinie und kann komplett durchregieren. Ich sag dir: Das Prinzip funktioniert seit 2000 Jahren so zuverlässig wie nüscht sonst.“

„Hase, du bleibst hier! Nachher wirst du in der Glotze noch als Reichsbürger vorgeführt, und wir als deine Eltern müssen für dich Kaution stellen. Wenn du unbedingt demonstrieren willst, lauf bei FFF mit, das macht sich später im Lebenslauf auch gut bei ‚Soziales Engagement‘.“