Zehn Jahre lang in Arbeit, ab jetzt im Buchhandel: mein neuer Roman, in dem ein scharfsichtiger kleiner Junge als Passagier der „Titanic“ dem Schicksal ins Steuerrad greift. Damit verändert er nach und nach den Lauf der Welt in den folgenden 100 Jahren – bis alles ein wenig anders gekommen ist, als wir zu wissen glauben.
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Es dauert. Es dauert! Es dauert immer alles so furchtbar lang! Und ganz besonders in diesem Fall: Wenn ich nur daran denke, dass die erste Mail, die ich zu diesem Projekt noch finden kann, vom 29.11.2009 datiert. Dass ich mal rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse 2012 fertig sein wollte. Dass zuletzt der olle Glumm in seinem Blog Ende 2017 voreilig angekündigt hatte, im Februar 2018 werde es so weit sein –
meine Güte, was bin ich alt geworden darüber. Wie hat sich die Welt weitergedreht. Was sind die Kinder groß geworden. Und ist das Leben schnell vorbei.
Aber nun. Nun aber endlich:
Meine Damen und Herren, „Schalttagskind“ ist da. Mein neuer Roman. Fast genau zehn Jahre in the making, jetzt im Buchhandel. Nicht unpassend, dass heute der 50. Jahrestag des ersten Schrittes eines Menschen auf dem Mond ist; so ähnlich muss sich das angefühlt haben. Aber machen wir nicht mehr Aufhebens um das Buch, als unbedingt nötig ist – also jede Menge!
Denn in aller Bescheidenheit: Dies ist ein Jahrhundertroman. Nein, da kann jetzt niemand widersprechen, denn das Buch umspannt sogar etwas mehr als ein Jahrhundert. Ausgehend von jenem Tag im April 1912, an dem die „Titanic“ den Eisberg knapp verfehlt. Letztlich sogar zurückreichend bis zum 29. Februar 1908, als ein gewisser Wilhelm Schlomann am Schalttag eines Schaltjahres auf die Welt kommt. Später dann, als Vierjähriger, wandert er an Bord des unsinkbaren Schiffs in die USA aus. Wo er fortan auf den amerikanisierten Namen Billy Sloman hören und den Lauf der Welt bereits entscheidend verändert haben wird.
Die so begonnene Geschichte endet erst im April 2012, genau 100 Jahre nach der Beinahe-Kollision im Nordatlantik. Deshalb wollte ich ja – siehe oben – eigentlich zur damaligen Leizpiger Messe fertig sein. Denn Billy Sloman ist am Ende ganz schön alt geworden: 104 Jahre alt, um genau zu sein. Von seinem langen, wilden, tragischen und von einem Rätsel überschatteten Leben handelt der Roman, der uns in fünf Episoden zu Schauplätzen welthistorischer Ereignisse führt. Dabei der Frage nachgehend, was eigentlich Zufall ist und was Schicksal. Wer weiß, vielleicht würfelt Gott ja doch?
(An dieser Stelle ein Appell an Rezensenten, die das „Schalttagskind“ besprechen möchten: bitte nicht die naheliegende, aber trotzdem an den Haaren herbeigezogene Parallele zum „Hunderjährigen, der aus dem Fenster stieg“ etc. konstruieren. Es gibt sie nicht. Es ist alles ganz anders. Ich habe das Jonasson-Buch nicht mal gelesen. Also auch keine Inspiration, schon gar keine Variation. Bitte tun Sie das nicht. Wenn es schon sein muss, nehmen Sie Nadolnys „Glück des Zauberers“, das ich wenigstens nach Fertigstellung meines eigenen Buches gelesen habe. Danke. Hier weitere Infos zur Story und den Hintergründen.)
Warum aber hat es denn nun so lange gedauert? Herrschaftszeiten … wo anfangen? Vielleicht bei dem Rechercheaufwand, den die Geschichte eines Jahrhunderts, beobachtet in vier Nationen auf zwei Kontinenten, nun mal so mit sich bringt. Wenn dabei noch zeithistorische Figuren wie John Dillinger, Pablo Picasso oder Lech Wałęsa die Bühne betreten, wird es dadurch auch nicht einfacher.
Zweitens ist da noch ein anderer Erzählfaden, nämlich der Siegeszug von Film und Fernsehen über die Jahrzehnte hinweg. Für mich als Autor auch nicht an einem Nachmittag zu durchdringen. Der heranwachsende Billy Sloman wird erst Kameraassistent, dann in den Dreißigerjahren Kameramann in Hollywood, und schließlich mit dem Aufkommen der großen TV Networks in den USA ein weltweit tätiger Dokumentarfilmer und Newsreel-Produzent.
Das ist eine Menge historisches Holz, oder besser Zelluloid. Aber zum Glück hat mich einer der besten Kenner der Materie beraten: der heute 82-jährige DEFA- und WDR-Kameramann Manfred Romboy, der in Wesseling bei Köln sein eigenes Filmmuseum betreibt. Mit ihm habe ich sogar noch kurze Zeit selbst gearbeitet, in den Neunzigern, als ich Filmberichte für den WDR machte. Damals gab mir Romboy die goldene Regel mit auf den Weg: „Noch schöner als drehen ist senden“ (sprich: Verlange nie überflüssige Einstellungen von einem Kameramann, die dann am Schneidetisch doch nur der Schere zum Opfer fallen). So ist das im Leben, man sieht sich immer mindestens zweimal.
Tja, und drittens hat die ganze Sache zeitlich darunter gelitten, dass ich nebenbei auch noch ein wenig Geld verdienen muss. Denn von der Literatur leben …. ach, lassen wir das. Die Weisheit der Märkte und des Internets will es offenbar so, dass der Großteil der schönen Künste heute von Beinahe-Ehrenamtlern geschaffen wird. Von Leuten wie mir. Entsprechend sieht zumindest der Buchmarkt denn auch aus (wobei ich aber eine Lanze für meinen Verleger Günther Döscher brechen will, der jetzt auch nicht gerade der Rupert Murdoch von Norderstedt ist, gottseidank).
Bevor es bei Döschers Kadera-Verlag vor Anker ging, hat das „Schalttagskind“ außerdem viertens eine etwa anderthalbjährige Odyssee durch die deutsche Verlagslandschaft hinter sich bringen müssen. Diese lehrreiche Reise hat mir nicht nur eine Fülle von Mails und Telefonaten mit hohem Unterhaltungswert eingebracht, sondern auch eine Erkenntnis: Gehe als relativ unbekannter Autor nie, niemals ohne eine gute Agentur auf Verlagsrundfahrt. Denn die Eisberge in den Lektoraten und Programmleitungen der Buchverlage auf diesem Kurs sind, wie soll man sagen: scharfkantig?
Egal. Heute ist kein Tag für Wehklagen. Das „Schalttagskind“, es laufe hiermit vom Stapel und habe immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel! Und dampfe mindestens 100 Jahre lang mit voller Kraft voraus. In jenem Universum, das sich von dem uns bekannten nur in dem einen oder anderen Detail unterscheidet.
Moment … was? Die „Titanic“ hat den Eisberg gar nicht verfehlt, sagen Sie? Ach, kommen Sie mir doch nicht mit Fake News, Sie Verschwörungstheoretiker!
Herrzlichen Glückwunsch, dass dein Buch endlich den Stapellauf geschafft hat. Ein Eingriff in das Rad der Geschichte verspricht spannend zu werden.
Viele Leserinnnen und Leser und viele gute Rezensionen wünscht dir
Rolf
Vielen Dank, lieber Rolf! Ich will deine Vorfreude nicht schmälern, aber bloß weil die Titanic nicht untergeht, heißt das noch lange nicht, dass es in dem Buch eine Zukunft ohne R2G in Berlin gibt.