Unsere Welt ist klein geworden. So klein wie eine Gummizelle: gut gepolstert, ausbruchssicher, überfüllt. Ein Elektroschock am einen Ende pflanzt sich bis zu den Insassen am anderen Ende fort. Und wir stecken mittendrin – woran TWASBO in dieser Reihe erinnert.

Das auf dem Bild ist das Hamburger Bismarck-Denkmal. Fragte man einen zufälligen Querschnitt heutiger Erwachsener in der Stadt, wer hier gerühmt wird, würden die Antworten einen breiten Bogen aufspannen: von „Bundespräsident“ über „Boss der Zwerge aus Mittelerde“ bis „König von Deutschland, aber vor dem Krieg“. Eine Touristin aus Hessen erwiderte in meiner Anwesenheit auf die nämliche Frage ihres eigenen Mannes und Reisegefährten schlicht und gelangweilt „Weißnicht“. Erkundigte man sich jedoch bei der grünen Bürgerschaftsfraktion, käme die korrekte Antwort wie aus der Räuberpistole geschossen: „Ein rassistischer Kolonialist und transphober Antifeminist!“

In der Welt zwischen Linksgrün und Rotgrün gehört das Bismarck-Denkmal deswegen entmächtigt, was ungefähr gleichbedeutend ist mit entmannt. Der NDR, demzufolge Bismarck womöglich auch ein Dämon gewesen sein könnte, fragte bereits Ende vergangenen Jahres den Künster Volker Lang ergebnisoffen: „Fast 40 Meter Standbild stehen erst mal da. Wie kommt man denn da überhaupt gegen an, dass das sichtbar ist?“ Worauf Lang seine antidämonischen Exorzismuspläne skizzierte, denn seinerzeit war ein „Ideenwettbewerb“ eröffnet worden, wie das Denkmal „kontextualisiert“ werden könnte. Ich weiß nicht, was das offiziell prämierte Ergebnis ist, aber unterdessen sind die üblichen straßenbild-entmächtigenden Kolonnen schon selbstermächtigt zu Werke gegangen – mit dem hier abgebildeten Zwischenergebnis. Dem Senat und seinem Sender dürfte das ehrenamtliche Engagement gefallen. Bis auf die Naziparole „PEACE“ natürlich, die den Endsieg unserer Waffen in der Ukraine zu entmächtigen droht. Der Staatsschutz ermittelt hoffentlich.

P.S. Eine männliche, auf ihr Schwert gestützte, beschützende, zum Aufblicken nötigende und zum Sichaufrichten bereitstehende Vaterfigur – so etwas ist Leuten unerträglich, die weder Schirm noch Schutz eines starken Vaters je erfahren durften. Ein Zwergenaufstand.

Die Stimmung, die über dem Land liegt, führt bei mir zu freud’schen Verhörern. „Es ist so bitter!“ verstand ich, als C. sagte: „Es ist Suppe da!“. Und neulich meinte ich im Vorübergehen die lautgestellte Gesprächspartnerin aus dem Handy einer jungen Frau fragen zu hören, ob „es wieder Krieg“ gebe. Nachdem ich den Satzfetzen mehrmals im Kopf zurückgespult und analysiert hatte, war ihre Frage lediglich gewesen, ob „ich“, also sie, „es wiederkrieg“.

Rund 30.000 Euro Steuergeld bei der Arbeit: Die ehrwürdigen steinernen Wasserspeier des Kinderplantschbeckens im Park um die Ecke durften nicht länger aus einer Zisterne des Katastrophenschutzes gespeist werden. Für diesen Hitzesommer hat sie die Bezirksversammmlung Hamburg-Mitte durch ein blaues Wunder ersetzt. Zwei gestapelte Blechboxen berieseln jetzt – wenn kein starker Seitenwind weht – aus geradezu angewiderter Distanz das Becken, solange der Vorrat reicht. Was an kostbarem Nass darin landet, verschwindet sofort im offenen Gulli. Die von Polizeiabsperrungen bekannten Zaunelemente rund um das offiziell geöffnete Becken halten keine Hunde fern, verleihen der Anlage aber den Charme eines Internierungslagers oder eines Hafenterminals für den Containerumschlag. Was die ganz große Koalition für diesen Luftbefeuchter (SPD und Grüne sowieso, aber auch CDU und FDP) über die Bedürfnisse von Kindern weiß? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Selbiger Park im Osten der Stadt verkommt insgesamt zu einer Unkraut- und Brennesselplantage.

Im Geiste stets auf der Flucht aus dem deprimierenden Hier und Jetzt, bin ich ein großer Freund von Paralleluniversen und alternativen Geschichtsverläufen (kaufen Sie meinen Titanic-Roman, er ist sehr gut!). Aber selbst ich war verblüfft, als ich mich neulich in einem britischen Almanach des Jahres 1901 erwähnt fand. Der „Annual Report of the Chief Inspector of Factories and Workshops“ erinnert an jene Phase in meinem Leben, als ich noch meinen ersten Vornamen John trug und Werksleiter bei einem Tuchfabrikanten in Lancashire war. Als fürsorglicher und sozial fortschrittlicher Vorgesetzter beschäftigte ich an einer der Baumwoll-Spinnmaschinen den minderjährigen William Ralph als „little piecer“, eine angelernte betriebliche Hilfskraft. Nachdem ich den Jungen angewiesen hatte, ein bestimmtes Teil der Maschine zu reinigen, kam es jedoch zu einem Unfall:

Wie auch immer der Junge in die laufende Spinning Mule geraten war: Als Dienstherr wurde ich von den feinen Freunden dieses Lauselümmels (fälschlich natürlich!) beschuldigt, ich hätte „die Maschine unsachgemäß in Betrieb genommen“. Und die Sache kam auch noch vor Gericht!

Keine Ahnung, warum man einem Rotzlöffel aus der räudigen Unterschicht überhaupt ein Verfahren gewährte. Und prompt ging der Fall auch noch durch mehrere Instanzen. Das Urteil? Woher soll ich das heute noch wissen. Mehr als diese beiden zufälligen Schnipsel aus Google Books („Nicht alle Seiten des Buches werden wiedergegeben“) liegen mir ja nicht vor. Schade, ich hätte eine autobiographische Novelle aus dem Stoff machen können.

Das folgende Bild ist bereits aufs Komischste durch seine Unterzeile pointiert, sodass ich mir keine Schlusspointe für heute aus den Fingern saugen muss. Ich habe es aus dem Blog „Die Welt des DrSchweingestohlenentliehen. Dessen Autor ist in höchsten Tönen zu loben, allgemein für seine lakonisch-fatalistischen Protokolle der herrschenden (kleinen) Verhältnisse und besonders für die Fotoreportagen aus seinem ansehnlichen Heimatstadtteil Lünen-Brambauer. Hier aber nun eine Impression von einer Fernreise. DrSchwein, übernehmen Sie!