Marketing-Horror unter der Dusche: Was man mir schon am frühen Morgen zumutet, schreit nach kreativer Notwehr.

Ich hatte es angedroht: Wenn Sie mir einen würdigen Kandidaten zum Unter-der-Dusche-an-den-Pranger-Stellen nennen, belebe ich diese schon friedlich verblichene und kompostierte Serie wieder neu. Denn mir war und ist danach. Vielleicht ja der letzte Spaß-Post, während die todessüchtigen Amerikaner alles, was schwimmen und bomben kann, im Persischen Golf zusammenziehen.

Jedoch, stelle fest: Sie haben – bis auf ein Produkt, das in der Hand zu halten mir deutlich zu teuer war – bis heute absichtlich keine brauchbaren Vorschläge beigetragen. Also muss ich es wieder selbst machen. Und bisweilen entpuppt sich dann halt das Offensichtlichste, das, was man jeden Morgen vor Augen hat und schon längst nicht mehr bewusst wahrnimmt, auf den 3.486sten Blick als der philosophische Brüller, als ideales Zielobjekt porentiefer Morgendenkerei.

Head & Shoulders Antischuppenshampoo. Der Langweiler unter den Langweilern. So dachte ich immer. Bis mir eines Morgens beim Einschäumen der Gedanke aus dem Kopf quoll: Moment, wieso eigentlich „Head & Shoulders“? Ich meine, Head, okay, das versteht man bei einem Shampoo noch. Aber Shoulders? Wer schamponierte sich je die Schultern? Nicht mal Frauen tun das. Obwohl die ja häufiger als Männer – und ganz besonders häufiger als ich – schulterlanges Haar haben, waschen sie sich immer noch das Kopfhaar. Nicht das Schulterhaar.

Wobei, es gibt auch Schulterhaare, so wie es fast überall am Körper Haare geben kann (aber nicht muss, ganz bestimmt nicht muss). Rückenhaare, na ja, wer’s mag. Nasenhaare, eine Pest. Nur noch übertroffen von Altherrenohrenhaaren, die mir neulich ein Barber erstmals voll orientalisch abflämmen durfte, aber nie wieder! Und dann sind da noch Haare in so Ritzen, die dafür gar nicht geeignet sind bzw. wo die Haare keine erkennbare und schon gar keine optisch verzierende Funktion erfüllen.

Jedoch bleibt es dabei: Alle Haartrachten, in denen der Begriff „Schulter“ vorkommt, eben wie in „schulterlang“ oder gar „überschulterlang“, bleiben Kopfhaarfrisuren. Nach dem Körperteil, wo die langen Haare üblichweise letzten Endes dran festgewachsen sind. Nach dem Ursprung vons Janze. Nun wäre das sicher nicht befriedigend gewesen, dieses Shampoo einfach „Head“ zu nennen. Aber lästige Fragen wären vermieden worden.

Was ist zum Beispiel, wenn ich mich mit Head & Shoulders auch vorne unten am Gekröse einschäume? Weil ich da vielleicht auch keine Schuppen will? Soll ich das oder soll ich das nicht, bei dem Namen? Ist das dermatologisch da auch drauf abgestimmt, auf meine Bikinizone oder wie das heißt? Und ist es darüber hinaus a) erlaubt sowie b) unschädlich, wenn man es sich zur Gewohnheit gemacht hat, mit der letzten Handvoll überschüssigem Schaum aus den Haaren auch noch die schon erwähnte Ritze zu säubern, um Duschgel zu sparen? Yo, frage für einen Freund!

Also was soll jetzt dieser komische Doppelname ohne Bindestrich, dafür mit Kaufmanns-Und, dem smarten Cousin des Deppen-Apostrophs? Auf der Unternehmenswebseite ist schon mal Fehlanzeige, was das Geheimnis der Marken-Herkunft angeht. Wer seinen Markennamen auch noch erklärt, hat offenbar schon verloren. Oder gab es jemals wen, der das tat und davon profitiert hätte? Höchstens Haribo (Hans Riegel Bonn).

Dafür finde ich auf der H&S-Seite dieses funkelnde, vollständig von innerer Logik (und Rechtschreibung) befreite Juwel: „Head & Shoulders möchte Ihnen Selbstvertrauen geben. Das bedeutet, dass Vieles, von dem was wir tun, auf Ihrem Vertrauen in uns basiert.“ Äh … ja. Selbstvertauen bekommt man von anderen als Wechselgeld raus, wenn man erst mal denen vertraut und schön Bares dafür hinlegt. Oder so. Oder auch garnix, Hauptsache, das steht kein Blindtext auf der Webseite.

Die einzige und vielleicht sogar korrekte Antwort auf meine sehr berechtigte Ausgangsfrage, die ich überhaupt finden konnte, stammt ausgerechnet von Wikipedia. Dort wird darauf verwiesen, „Head & Shoulders“ leite sich von der englischen Redewendung „to stand head and shoulders above others“ ab, also „andere turmhoch überragen“. Dieses Antischuppenshampoo ist also tausendmal besser als die anderen 999 Antischuppenshampoos. So banal ist das. Übrigens trotz einer krachenden Note „Ungenügend“ von der Öko-Test-Redaktion, die im Jahr 2021 vier verschiedene „kritische“ Inhaltsstoffe bemängelte. Gut, seitdem ist viel Wasser die Dusche runtergeflossen. Wollen wir zugunsten der Gerüffelten davon ausgehen, dass es heute höchstens noch drei kritische Stoffe sind.

Nun ist der Name auch schon seit 64 Jahren, wie er eben ist. Der Marketing-Praktikant von Procter & Gamble, dem „Head & Shoulders“ 1961 einfiel, hat sicher gedacht: „Wow, was ist mir da für ein pfiffig‘ Spielchen mit den vielfältigen Bedeutungen der auch unter der Dusche vorkommenden Körperteile ‚Head‘ und ‚Shoulder‘ gelungen! Mir doch egal, wenn das im Deutschen nicht funktioniert, hätten die Krauts eben nicht den Krieg anfangen sollen, dann könnten sie heute der Welt Shampoos verkaufen und sich selber Namen ausdenken!“ Aaaber, heute vielleicht schon verstorbener Marketing-Praktikant von Procter & Gamble: Hättest du dein Produkt nicht einfach „Tausendmal besser als andere“ nennen können, oder noch komprimierter: „Geilomat“? Ich würde mich zu und zu gerne täglich mit Geilomat shampoonieren.

Bonusfrage zuletzt an meine Studenten: Warum heißt es Schuppen und nicht Shuppen, aber Shampoo und nicht Schampu? Und das auch noch zusammen in einem Begriff: „Antischuppenshampoo“ statt „Antishuppenschampu“. Dazu schreiben Sie mir jetzt mal schön zwei bis drei Seiten Erörterung, aber handshrift … äh, handschriftlich!