Haben Sie registriert, dass der vergangene Freitag ein schwarzer Freitag war? Sogar der Schwarze Freitag? Ja, the one and only „Black Friday“. So nennen das die Angelsachsen auf Angelsächsisch. Denn natürlich kommt dieser Dreck aus den USA, der globalen Muster- und Vorreiterregion des Neoliberalismus. Und natürlich haben es sich unsere eigenen Möchtegern-Turbokapitalisten nicht nehmen lassen, diesen Dreck zu adoptieren und wie selbstverständlich in unseren Sprach- und Brauchtumsschatz aufzunehmen. Zu Ihrer aller Freude und Erbauung in ohnehin schon dunklen Zeiten. Genau wie Halloween.

(Zu Halloween nur noch dieser eine Absatz: Es handelte sich ursprünglich um einen harmlosen Kinderbrauch in einem uns nicht betreffenden Kulturkreis, aus dem sich aber mittels Kommerzialisierung und Globalisierung noch ein paar Milliarden Dollar Umsatz und kaum weniger Profit wringen ließen. Profit mit ekligen, verrottungsresistenten Nylonfetzen von „Kostümen“, hergestellt von flinken Kinderhänden in Bangladesch; Profit mit grauenhaft hässlichen Horrorclownmasken aus Polyethylentetraphenylacetat, die mittels biochemischer Intoxikationsprozesse durch alle Schutzschichten der Kopfhaut ansatzlos die niedrigsten Instinkte in ihrem Träger freisetzen. Aber Halloween haben wir ja für dieses Jahr schon länger wieder überstanden, die Narben beginnen zu verheilen.)

Black Friday nun ist das Halloween der über 18-jährigen Horrorclowns und Konsumidioten ohne Maske. Man läuft dabei nicht von Haustür zur Haustür und verlangt Lösegeld für die eigene Verkommenheit und Nutzlosigkeit, sondern rennt schnurstracks zum nächstbesten Elektronikmarkt und campt da bis zur Öffnung der Pforten, um sich eine gute Startposition für Folgendes zu sichern:

Oder für das hier:

Na, haben Sie sich irgendwo wiedererkannt? So sieht sie aus, die entfesselte Jeder-gegen-jeden-Gesellschaft. Die ferngesteuerte Herde mit den Konsumchip-Implantaten. Und halten Sie sich besser nicht voreilig für weniger närrisch und anfällig für diesen Virus als die wahrscheinlich mehrheitlich am Existenzminimum vegetierenden Einzelkämpfer auf den gerade gesehenen Bildern. Denn hallo, es gibt UNFASSBARE TIEFSTPREISE! Aber nur an einem Tag im Jahr, und raten Sie mal an welchem: Reformationstag? Ach was! Totensonntag? Schon eher. Aber nein, es ist, Achtung, genau: Black Friday!

Der BF ist regelmäßig der Tag nach dem selbstgefällig verlogenen Thanksgiving Day in den USA, jenem vierten Donnerstag im November, an dem die pausbäckige amerikanische Burger-Familie ihren 50 Kilo schweren Truthahn aus dem Ofen holt und nach einem tief empfundenen Dankgebet für das Dasein in der größten aller Nationen vollumfänglich auffrisst, tot oder lebendig.

Seit 1952 ist der auf dieses Schlacht- und Mastfest folgende Freitag der offizielle Beginn der Christmas Shopping Season, um einen Teil der Kalorien wenigstens in zielgerichtete Bewegung umsetzen zu können. Geschäfte öffnen früher (Mitternacht), haben länger auf (Mitternacht) und postieren mehr Sicherheitspersonal mit Schnellfeuergewehren an strategischen Punkten der Fluchtwege. Denn gewisse hysterische Überreaktionen, siehe oben, sind ohne scharfe Munition halt schwer kontrollierbar. Seit 2006 wurden laut Wikipedia allein in den USA im Gemetzel sieben Tote und 98 Verwundete gezählt.

So schwarz kann kein islamistischer Terror-Freitag sein wie die strukturellen Verheerungen durch den Black Friday des Konsumismus

Grund genug, den ganzen Wahnwitz jetzt auch bei uns endlich als Volkssport zu etablieren. Versucht wird das schon seit einigen Jahren, aber wir Teutonen waren da bislang wohl noch etwas zu phlegmatisch. Deshalb haben wichtige Multiplikatoren ihre Anstrengungen in diesem Jahr nochmals verdoppelt. So wie BILD. Man beachte die glücksverzerrten Gesichter der beiden vom Schmierblatt präsentierten Vorzeigekonsumentinnen: „Das macht Laune: Schnäppchen-Jagd mit dem Handy“. Alles supi, denn „es herrscht quasi Goldgräber-Stimmung“. Und der „BILD-Schnäppchenticker“ ist live dabei. Und warnt aber auch, nachdem die Büchse der Pandora bereits geöffnet ist: „Nicht übereilt zuschlagen!“ BILD kämpft schließlich für die schützenswerten Interessen der kleinen Leute.

So schwarz kann kein von ISIS-Mördern inszenierter Terror-Freitag sein wie die strukturellen Verheerungen, die dieser Feiertag der Hirnamputierten und Geiz-ist-geil-Apologeten anrichtet – wenn man den Verlust der wirtschaftlichen Existenz ehrbarer Kleinhändler ebenso mitzählt wie die fortschreitende Ich-geh-für-Schnäppchen-über-Leichen-Ideologie. Angeblich stammt die Bezeichnung der von den einschlägigen interessierten Kreisen gelenkten Massenhysterie als BF daher, dass die Einkaufsstraßen am allerersten dieser jährlichen Unglückstage „schwarz vor Menschen“ waren.

Schön aber, dass Wikipedia warnt, der Tag sei nicht zu verwechseln mit Freitag, dem 25. Oktober des Jahres 1929. Jener länger zurückliegende „Black Friday“ nämlich ist der recht willkürlich ausgewählte Symboltag des wochenlangen New Yorker Börsenzusammenbruchs, seinerseits Auslöser der Great Depression, einer schweren Unterkonsumptions- und Überproduktionskrise. So gesehen ist „Black Friday“ natürlich der ideale Name für ein Niedrigpeis-Inferno nach der neoliberalen Drecksmaxime: Kaufe und verkaufe dich billiger, noch billiger, und dann noch etwas billiger.

Jetzt fühlen Sie sich angefixt? Möchten endlich Ihre eigene Monsterglotze aus einem Mediamarkt schleppen? Wollen Schnäppchen? Schnäppchen! SCHNÄÄÄÄÄPCHEN! Sie fürchten, nun müssten sie noch elende 362 Tage warten bis zum nächsten Black Friday? Da habe ich eine gute Nachricht für Sie: Heute ist „Cyber Monday.“ Aber huschhusch: nur noch für ein paar Stunden!