Der Täter von Halle hat einige neuere Traditionen der rechtsextremistischen Szene fortgesetzt: Er hat währenddessen eine martialisch anmutende Phantasie-Uniform getragen. Er hat ein wirres Manifest hinterlassen. Er hat seine Attacke per Video angekündigt. Und er hat sie mittels GoPro-Kamera und Social Media Platform live ins Internet übertragen. So weit, so bekannt und etablierten Mustern folgend. Gegen Ende seines Livestreams, dessen Inhalt er zwischenzeitlich für ein Ego-Shooter-Game an der Videokonsole zu halten scheint, sagt der Mann namens Stephan B. aber laut Protokoll der Zeitung „Welt“ einen bemerkenswerten Satz:

So, guys, das war’s erst mal mit action.

In diesem Zitat steckt nebenbei die These für 150 weitere Dissertationen, die sich mit dem Realitätsverlust durch Gewaltvideospiele befassen werden.

Aber B. hat dem vorgestanzten Ablauf extremistischer Selbstinszenierungen auch noch etwas ganz und gar Neues hinzugefügt. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man es als Geschenk an die Nachwelt bezeichnen, in der er doch eigentlich eine Art Garantieplatz im Olymp der Wahnsinnigen erwarten sollte, oder mindestens eine Anwartschaft auf den White-Supremacy-Märtyrer des Jahres.

Stattdessen hört man ihn an einer Stelle seines Mordvideos auf Englisch stammeln, denn er möchte ja ein internationales Publikum erreichen:

I killed some, I tried to kill some. Ach. Then I die. Like the loser I am. Fuck.

Nun, das mit dem Sterben hat B. persönlich noch nicht so richtig hingekriegt. Aber das mit dem Verlierer, der er in jeder nur denkbaren Hinsicht ist, das ist eine richtungweisende Selbsterkenntnis. Das Testament eines Mannes, der – könnte man nur die beiden Toten und die Traumatisierten in seinem Pfad ungeschehen machen – von sich behaupten dürfte, unter laufender Helmkamera das erste Screwball-Slapstick-Massaker der Geschichte verübt zu haben.

Einschusslöcher am Zugang zur Synagoge in Halle (Foto: Wikipedia)

Like the loser he is, dokumentiert B. sein Handwerk: vom verfehlten Zusammenbau über das lauthals beklagte „Versagen“ seiner qualmenden Waffen bis zum selbst durchschossenen Reifen, der sein Fahrzeug fluchtuntauglich macht. Das 35 Minuten und 38 Sekunden lange Feature eines Irren, der selbst am Irresein noch scheitert, zum kleinen Glück im übergroßen Unglück.

Like the loser I am. Mögen diese weisen Worte des Stephan B. als Motto über jedem in Zukunft noch erscheinenden Terrormanifest ideologisch verblendeter Attentäter stehen. Sie halten doch ihre Vorgänger immer in Ehren.