Dieses elektrisch betriebene Gerät ähnelt überraschend einer abgespeckten Ausgabe des legendären Zuse Z3, des historischen Urmodells heutiger Desktopcomputer. Jedoch handelt es sich um kein Rechnersystem, sondern vielmehr um eine Techno-Version des guten alten Opferstocks. Ich entdeckte dieses Modell im katholischen Kirchlein meines Urlaubsdorfs auf Sardinien. Ein Hersteller-Logo war nicht auffindbar, als Baujahr schätze ich grob 1962. Nennen wir die Apparatur, die demnach rund 60 Jahre pausenlos und ohne Austausch wesentlicher Komponenten in Betrieb sein dürfte, der Einfachheit halber iPray.

Die Funktionsweise des iPray ist vergleichsweise einfach: Beliebige Münze oder Hosenknopf in den vorn zentral angebrachten Schlitz einwerfen, ebenso beliebige Taste drücken – und für eine Weile funzelt die damit individuell verdrahtete E-Kerze mehr oder weniger hell vor sich hin. In der Zeit Gebet sprechen, fest dran glauben, fertig.

Bei seiner Markteinführung stellte der iPray in Bezug auf die Systemsicherheit eine konsequente Weiterentwicklung des Vorgängermodells dar, dessen Prozessoren noch auf Kerzenwachs basierten. Die Zahl der Kirchenbrände durch umgekippte Opferkerzen nahm deutlich ab, auch Küsterstellen für die System-Wartung konnten wegrationalisiert werden. Mit zunehmender Betriebsdauer ohne Update ist das Brandschutz-Feature allerdings mittlerweile zum Bug geworden: Inzwischen droht die Brandgefahr durch Kurzschlüsse. Hier ist ein Relaunch überfällig, und tatsächlich wollen Insider bereits funktionsfähige Exemplare des iPrayPro gesehen haben.

Kaum etwas ändern dürfte der Hersteller aber an der überragend intuitiven Benutzeroberfläche, die das Modell vom Start weg auch bei der wichtigen Zielgruppe der über 80-Jährigen populär gemacht hatte. Leider handelt es sich bei dieser User Group inzwischen um die 140-Jährigen, wie überhaupt das Mit-Altern der Fangemeinde heute eines der größten Probleme des Konzerns darstellt. Gerade an einer barrierefreien Ergonomie des iPray müsste in dieser Hinsicht noch gearbeitet werden. Eindeutig wurden hier durch das Management die letzten fünf bis zehn Innovationszyklen verpasst.

Interessant ist, dass sich der iPray trotz völlig fehlender Firewall als nahezu immun gegen jede Art von Malware erwiesen hat. Experten schreiben das seiner mit geradezu religiösem Eifer gepflegten, elitären Marktnischenposition zugute.

Vielleicht hat Beten ja doch sehr viel mehr mit Informatik zu tun, als man meinen sollte. Der „direkte Draht zum lieben Gott“ bekommt hier eine ganz neue Dimension.