Eine Serie über Rädchen, Getriebe und Sand. Sowie über die Illusion, einen längst abgefahrenen und gut geschmierten Zug doch noch zum Innehalten zu bringen.

Was bisher geschah: Ende des vergangenen Jahres hatte ich beschlossen, zum Anfang des neuen Jahrzehnts etwas zu ändern. Ich würde mir die zunehmend dreiste Polit-Propaganda und Lückenberichterstattung nicht mehr kommentarlos bieten lassen, die der öffentlich-rechtliche Zwangszahlerfunk täglich anstelle eines ergebnisoffenen Journalismus verstrahlt. Als letzter Augenöffner hatten mir die niedlichen kleinen Mädchen vom „WDR-Kinderchor“ gedient, die im höheren Auftrag, fröhlich aus dem Wörterbuch des Unmenschen absingend, ihre eigenen Omas als „Umweltsäue“ und Klimavergifter diffamierten. Einen klugen Essay zu den Hintergründen des WDR-Skandals gibt es übrigens hier.

Der Bruch, den das in mir bewirkte, stimmte mich insofern wehmütig, als ich selbst mal lange Jahre für WDR und Co. gearbeitet habe, bis zur Jahrtausendwende genaugenommen. Als „Rotfunk“ galt der Kölner Sender selbst damals bereits seit ewigen Zeiten, aber er stellte mit seinen Recherchen immerhin manchmal noch die Mächtigen infrage. Ich trug mein Möglichstes dazu bei. Oder ich war einfach nur naiver als heute.

Wenn ich heute das mir weithin unbekannte Bedürfnis nach Erziehung gegen Bezahlung verspüren sollte, ginge ich nicht zum WDR oder ZDF, sondern zu einer Domina. Dort löhnte ich aber pro Einzelbehandlung – und nicht per Quellensteuerabzug, a.k.a. automatisch abgebuchte „Rundfunkgebühr“. Schritt eins war also gewesen, die gefährlich bequeme Einzugsermächtigung (ein sehr deutsches Wort übrigens!) der nur fürs Kassieren der Rundfunkgebühr zuständigen Quasi-Behörde zu widerrufen.

„Service“ statt Gebühreneinzug

Früher war diese Stelle als „Gebühreneinzugszentrale“ (GEZ) bekannt. Das war eine viel zu hässliche, nämlich der Realität entsprechende Bezeichnung, die zu vielen bösen Scherzen, Sabotageakten und sogar zu echten Boykottaktionen führte. Heute heißt die Institution daher friedfertig „Beitragsservice“. Sie leistet den Service, mir ohne Möglichkeit der legalen Gegenwehr das Geld für eine Leistung abzuknöpfen, die ich nicht bestellt habe. Vermutlich soll ich mich noch artig dafür bedanken, dass es so reibungslos abläuft. No longer.

Und siehe da: Keine Woche verging, und ich hatte eine Aufforderung zur vierteljährlichen Zahlung meiner 52,50 Euro im Briefkasten – komplett mit Formularvordruck, wie ich ihn zuletzt irgendwann vor Jahren mal für irgendwas erhalten habe. Und der freundlichen Frage, ob ich nicht lieber bargeldlos und bequem per Lastschrifteinzug zahlen möchte. Nein, möchte ich nicht. Tischtuch. Zerschnitten.

Dennoch sind wir hier in Deutschland. So überwies ich, im Prinzip wie im 20. Jahrhundert, aber immerhin per Online-Banking, brav mein Geld. Absolut fristgerecht, denn ich bin ja ein gesetzestreuer Gebührengaleerensklave. Nur im Stillen frohlockte ich: „Nimm dies, Gebühreneinzugsservicedienstleister meines jahrzehtelangen Vertrauens! Spürst du den Zorn, denn mein händisches Überweisen deiner Zwangsgebühr verkörpert? Spürst du, wie du das Klima schädigst, indem ich dich zwinge, mir einen Brief auf Papier, das aus dem Holz echter Bäume geschlagen wurde, per Diesel-Sprinter über verstopfte Autobahnen quer durch die halbe Republik zu schicken?“

Der Brief übrigens war überraschend dick. Das lag an Schritt 2 meiner subversiven Guerilla-Widerstandsstrategie: Gemäß der wunderbaren DSGVO („Datenschutzgrundverordnung“) hatte ich gleich noch eine Auskunft über die Verwendung meiner „personenbezogenen Daten“ durch das Zwangsgebührenverwendungswesen verlangt. Ein zusätzlicher Verwaltungsakt, der zusätzlich Arbeit macht. Das ist ja die Idee dabei: Zigtausende frustrierter und zorniger Rundfunkgebührenzahler, die aus der bequemstmöglichen Verwaltungsroutine ausscheren, machen Arbeit. Und zwingen die Anbieter der dahinter stehenden Zwangsdienstleistung zum Nachdenken, warum das so ist.

Drei Seiten lang Textbausteine

Doch ich hatte sie unterschätzt. Schnell wie die Windhunde hatten die Daten-Kobolde alles auf vier Briefseiten zusammen- sowie mir zugestellt. Mit gleicher Post, um die verstopften und verpesteten Autobahnen, die gerodeten Wälder und das überhitzte Klima nicht noch mehr zu belasten. Die Portokasse des streng auf Gebühreneffizienz geeichten Staatsfunks nicht zu vergessen.

Vier Seiten klingt allerdings bedeutsamer, als es ist. Denn die ersten drei Seiten enthielten lediglich vorgefertigte Textbausteine zur Art und Weise, was alles so an Daten zu welchen Zwecken erfasst wird. Hätten sie auch weglassen können, steht sowieso irgendwo im Netz. Zwischen bedrohlichen Begriffen wie dem mehrfach auftauchenden Wort „Vollstreckungsorgane“ und Formulierungen wie „Daten zu bereit gehaltenen Rundfunkempfangsgeräten für Rundfunkgebührenzeiträume“ stand da nur Allgemeines.

Das mich persönlich Betreffende kam erst auf Seite 4. Da aber kam es knüppeldick:

Die Beleidigung der eigenen Intelligenz summiert sich über die Jahre.

Der Schock: Seit es mich gibt (als erwachsene, gebührenpflichtige Person), habe ich bis heute sage und schreibe mehr als 5.000 Euro Zwangsgebühren für Staatsfunk bezahlt! Nun gibt es mich, zugegeben, schon lange. Mein Konto wurde von den Grauen Herren offenbar am 1. November 1987 eröffnet. Zwischendurch war ich mal Bettelstudent, da erwies man sich gnädig und setzte die Zahlungen ein paar Jahre lang aus. Aber summa summarum ergeben sich trotzdem 5.041,51 Euro. Mein lieber Herr Gesangsverein. Musste mich erst mal setzen.

Von dem Geld kann der WDR-Kinderchor ja monatelang Familienverbünde zersingen! Huch, böse Polemik, Entschuldigung. War aber als Satire gemeint, natürlich. Und ja, ich weiß, Milchmädchenrechnung. Trotzdem: eine erschreckende Vorstellung. Es kann sogar sein, dass ich mich in der Aufregung darüber mit flatternden Fingern auf der Tastatur vergriffen und aufgrund eines Zahlendrehers nicht 52,50, sondern 52,05 Euro Rundfunkgebühr gezahlt habe.

Nun hoffe ich nur, dass ich nicht noch mehr Verwaltungsaufwand ausgelöst habe. Aber so wichtig werden sie die paar Cent schon nicht nehmen, oder? Ich meine: Die werden deswegen doch keine Mahnung schicken? Einen Brief? Per Post? Über verstopfte, dieselstinkende, überhitzte Autobahnen entlang abgeholzter Wälder?

Bleiben Sie dran. Wir schalten zurück ins Funkhaus.