Aus einer großen Provinzstadt kommend (Hamburg, Bild oben: Straßenlaterne in St. Georg), führt mich mein mittelmäßig aufregendes Leben häufiger in kleine Provinzstädte. Und was soll ich sagen: Die wollen auch leben. Dazu leisten sie sich immer häufiger ein so genanntes City-Marketing, weil man das in den großen Provinzstädten schließlich auch hat.
In den kleinen wird es dann häufig beim örtlichen Amt für Fremdenverkehr und Gartenzwergwesen angesiedelt, und zwar in Form von Herrn Kolschewsky. Herr Kolschewsky ist der Cousin des besten Freundes des stellvertretenden Kreisverwaltungsdezernenten für Grünflächen und Bahnhofs-Erotik, also quasi von Natur aus zuständig für: alles. Und ganz besonders für Bahnhofsverschönerungsmaßnahmen, die ja auch zur Kernkompetenz von City-Marketing-Experten gehören. So wie beim Bahnhof von Viersen.
Viersen liegt nicht bei Verona und auch nicht bei Valencia, sondern in En-Er-We, am Niederrhein. Wo meist, außer zum Zeitpunkt dieser Aufnahme, ein kräftiger Wind einen extrem kühlen Nieselregen vor sich hertreibt. Die einheimische Flora ist deshalb geprägt von schräg stehenden Kopfweiden, die von der westlichen Seite alle dick bemoost sind (Wind und Regen kommen hier traditionell von Holland rüber).
Aber das ist ja auf Dauer kein Zustand, wenn man internationale Besucher schon am Bahnhof in Hochstimmung und Investierlaune versetzen will. Also hat Herr Kolschewsky viel Geld in die Hand genommen und den Bahnhof in ein Klein-Verona bzw. Klein-Valencia verwandelt. Es handelt sich hier übrigens um das Hauptportal des Gebäudes und, äh, einen vollständigen Überblick über die gesamte Palmengartenanlage.
Gut, es gab da diesen Wintereinbruch, kurz nachdem Herr Kolschewsky die Palmenplastikpötte von ihrem ursprünglichen Standort in der düsteren Eingangshalle nach draußen befördert hatte. Aber inzwischen erholen sie sich prächtig und haben auch noch überhaupt kein Moos angesetzt (Foto: Blick aus Richtung Westen).
Und dank der Palmenwanderung können die Herren aus Valencia und Verona den Gipfel freudiger Erregung nun beim Verlassen von Viersen erklimmen statt bei der Ankunft in finsterer Halle. Das Verlassen von Viersen – ich spreche aus Erfahrung – ist sowieso das Beste, was das Stadtmarketing an Attraktionen zu bieten hat.
In Gütersloh hingegen – einer weiteren NRW-Kreisstadt, die TWASBO-Lesern in zahlreichen Beiträgen unter anderem wegen des garantiert hässlichsten Rathauses der Welt ans Herz gewachsen sein dürfte – in Gütersloh also widmet sich der örtliche Herr Kolschewsky lieber denjenigen, die sich schon hoffnungslos im Herzen der City verfranst haben. Ihnen wird sogar der Thron des regierenden Konsumenten angeboten – ja, in Gütersloh ist der Hmmm-hmm noch Hmmm-hmm (siehe erklärendes Schild)!
Wie? Natürlich ist das ein Thron! Er ist nur gerade etwas nass, weil es auch in Gütersloh gerne kaltnieselregnet. Aber er ist nicht bemoost! Und zu weich sitzen ist ja auch gar nicht gesund. Und noch nie was von Bettelkönigen gehört?
Wenn der Regen nachlässt, wird es in Gütersloh Zeit, den Rasen zu mähen. Und da hat sich das City-Marketing eine große Leistungsschau vor der örtlichen Hauptkirche ausgedacht. Frühlingszeit ist Gartenzeit! Auf dem Bock des größten Modells können Sie danach direkt in die Kirche brummen und einen Dankespsalm auf die Kreativität der Provinz schmettern.
Denn hier treibt der Wahnsinn nach wie vor die buntesten Blüten.
\“Ganzheitlich\“ hat man in Gütersloh nach König Kunde geforscht. Und, ich bin überzeugt, einen nachhaltigen Thron geschaffen.