Otfried Preußlers beliebter Kinderbuch-Klassiker „Die kleine Hexe“ (1957) hat sich als Pfuhl diskriminierender Sprachgewalt entpuppt. Der Verlag steuerte bereits 2013 gegen und entfernte das N-Wort aus dem Text. Doch das genügt heutigen Ansprüchen natürlich nicht mehr. Wir zeigen einen konsequenten, universellen Weg der Literatur-Ertüchtigung.

Das Original (rassistisch, sexistisch, hierarchistisch, patriarchalisch etc.):

Es war einmal eine kleine Hexe, die war erst einhundertsiebenundzwanzig Jahre alt, und das ist ja für eine Hexe noch kein Alter. Sie wohnte in einem Hexenhaus, das stand einsam im tiefen Wald. Die kleine Hexe besaß einen Raben, der sprechen konnte. Das war der Rabe Abraxas. Die kleine Hexe hielt große Stücke auf ihn, weil er ein ausnehmend weiser Rabe war, der ihr in allen Dingen die Meinung sagte und nie ein Blatt vor den Schnabel nahm.   

Am 19. Mai 2019 forderte eine Münchner Demo in unnachahmlich toleranter Sprache unter #KEINETOLERANZDERINTOLERANZ, das „Patriarchat ab[zu]fucken“ – komplett mit lustig bunter Fuckerei, aber ohne manchen obszönen Vokal, unter FCKCSU FCKAFD FCKSEEHOFER FCKNZS.

Entsprechend erfolgt im ersten Schritt die Abfuckung patriarchaler Interpunktionsdiktatur und die Enthierarchisierung der Wörter durch demokratische Kleinschreibung:

es war einmal eine kleine hexe die war erst einhundertsiebenundzwanzig jahre alt und das ist ja für eine hexe noch kein alter sie wohnte in einem hexenhaus [usw.]

Der neue Duden listet „Beispiele“, wie die deutsche Sprache das Wort „Frau“ verwendet: „eine junge, kluge, starke, reife, faszinierende, gebildete, emanzipierte, berufstätige Frau“. Der „Mann“ dagegen ist im Duden „alt“, „klein“ oder „böse“ und muss „den starken, großen o. ä. Mann markieren“, während die Frau als „Frau von heute“ reüssiert, als „Chefin und damit wichtigste Frau in der Firma“ (usw.).

Paulina Czienskowski, Redakteurin bei der Berliner Morgenpost, beteiligt sich an der MeToo-Debatte mit dieser Einlassung: „Ich stehe in einem Fahrstuhl mit einem Kollegen … Falls wir steckenbleiben [sagt er], habe er Brezel und Buttermilch dabei, die teilt er gerne. … Ja, auch das ist Sexismus.“

Daher wird im zweiten Schritt die Realitätsangleichung der Eigenschaften der Protagonisten vollzogen:

es war einmal eine große kluge starke reife faszinierende ge­bildete emanzipierte berufstätige hexe die war zwanzig jahre jung und das ist ja für eine hexe noch kein alter [macht nach der realitätsangleichung keinen Sinn mehr und entfällt fortan] sie wohnte in einem hexenhaus das stand einsam im tiefen wald [eklige männerphan­tasie über eine einsame zudem junge frau – wird gestrichen] die kluge [usw.] hexe besaß einen alten bösen weißen raben der immerzu den starken mann markieren musste und die kluge [usw.] hexe sexuell bedrängte indem er ihr ein stück von seiner breze anbot das war der rabe abraxas die kluge [usw.] hexe hielt wenig von ihm weil er ein ausnehmend dummer rabe mit einer aggressiven toxischen maskulinität war der ihr in allen dingen die meinung sagte wodurch er sie als frau herabwürdigte

Im dritten Schritt muss die Entdiskriminierung der ProtagonistInnen durch Gendern sichergestellt werden:

es war einmal eine große kluge [usw.] hex/in sie wohnte in einem hex/innenhaus die kluge [usw.] hex/in besaß eine alte böse rab/in das war die rab/in abraxa die große kluge [usw.] hex/in hielt wenig von ihr weil sie eine ausnehmend dumme rab/in mit einer aggressiven toxischen femininität war

Hieraus folgt allerdings viertens zwingend die notwendige Heraufwürdigung der durch Entdiskriminierung entstandenen Herabwürdigungen von Frauen:

es war einmal eine kluge [usw.] hex/in sie besaß eine große kluge starke reife faszi­nierende ge­bildete emanzipierte berufstätige rab/in die hex/in hielt viel von der rab/in weil sie eine ausnehmend kluge [usw.] rab/in mit einer einfühlsamen femininität war

Ebenso zentral ist fünftens die Zeitgemäßmachung der sexuellen Positionierungen der HeldInnen:

es war einmal eine kluge [usw.] queerfeministische nichtbi­näre nichtheterosexuelle hex/in die besaß eine kluge [usw.] genderfluide nichtcispositionierte rab/in [usw.]

Aber auch dieser Schritt ist für sich allein genommen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive noch nicht inklusiv. Prof.ens Dr.ens Lann Hornscheidt, Profess_x für Gender Studies und Sprachanalyse am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin, definiert sich selbst als „entzweigendernd“. Entsprechend verwendet ex als Personalpronomen in der 3. Person Singular nicht „er“ oder „sie“, sondern „ex“, denn „ex steht für Exit Gender, das Verlassen von Zweigeschlechtlichkeit“. Die Form „kann auch an den Stamm von Personenbezeichnungen angehängt werden: Schreibex, Schwimmex, Musikex.“ Sodass es zum Beispiel heißt: „Lann und ex Freundex haben ex Rad bunt angestrichen.“

Ihm sechsten Schritt geht es also nun um die Aufhebung der sexuellen Bipolarität der Protagonist*innen durch Entzweigendern:

ex war einmal ex klugex queerfeministischex [usx.] hexex ex wohnte in ex hexexhaus ex nichtbi­närex hexex besaß ex genderfluidex [usx.] rabex ex war ex rabex abraxex

Nun bleibt – siebtens – noch die Eliminierung der Vokale, ein Akt popkultureller Avantgardisierung. Am bekanntesten wurde diese Innovation 2018, als die deutsche Fußballnationalmannschaft als „Die Mannschaft“ zur Weltmeisterschaft in Russland antrat – unter #ZSMMN (sprich: „zusammen“).

Das Ergebnis dieser Ausmerzung:

x wr nml x klgx hxx x whnt n x hxxhs x nchtb­nrx hxx bsss x nchthtrsllx rbx x wr x rbx brxx

Im achten Schritt erfolgt die Demokratisierung der Wörter durch Aufhebung ihrer nonpartizipatorischen Vereinzelung und Eliminierung akademisch_privilegierter Lautverdoppelungen:

xwrnmlxklgxhxwhntnxhxhsxnchtbnxhxbsxnchthtrslrbxwrxrbxbrx

Neuntens nicht vergessen: Zur Entchauvinisierung des Textes bedarf es der Entfernung sämtlicher phallischen Zeichen. Als phallische Zeichen gelten gemäß Wording-Richtlinie S-X 2022 nach Anne Spiegel sämtliche Buchstaben mit Ober- und Unterlängen.

Unser Text sieht nun so aus:

xwrnmxxxxxwnnxxsxncrnxxxsxncrsrxxwrxrxrx

Nachlässig übersehen wird oft – zehntens – der erforderliche Rückbau aller Zeichen, die übergewichtige Menschen diskriminieren (wie m und w) bzw. die so aussehen könnten, als ob sie dies tun würden (wie r vor n):

xrxxxxxxxsxcrxxxsxcrsrxxrxrxrx

Im elften und letzten Schritt feiern wir die Befreiung der verfolgten x-Zeichen aus patriarchaler Dominanz anderer Zeichen:

xxxxxxxxxxxxxxxxxx

Mit dieser zeitgemäßen Version der „Kleinen Hexe“ von Otfried Preußler ist die Demokratisierung der Sprache vollzogen. Anwendbar auf Texte aller Art.


Nachtrag, 28.9.:

Friedrich Merz (CDU) hat beklagt, es gebe einen „Sozialtourismus“ ukrainischer „Flüchtlinge“, wenn diese nur deshalb nach Deutschland kämen, um sich für Sozialleistungen registrieren zu lassen, und anschließend wieder zurück nach Kiew führen.

Es hagelte Kritik auf Merz. Diskutiert wurde aber nicht der von ihm angesprochene Sachverhalt, sondern nur die Wortwahl. So twitterte Innenministerin Faeser: „‚Sozial­tourismus‘ war 2013 das Unwort des Jahres und ist auch 2022 jedes Demokraten unwürdig.“ Dabei wäre ihr Ressort für die Klärung des Sachverhalts zuständig, nicht für Korrekturen an der Sprache dessen, der den Sachverhalt schildert.

Die Reaktionen zeigen: Das Wort wird als Problem verstanden, nicht die Wirklichkeit, die dieses Wort beschreibt. Wird das Wort verbannt, existiert auch das Problem nicht mehr – so offensichtlich die Annahme derer, die Merz kritisiert haben.

Dass eine Wirklichkeit verbalisiert wird, die nicht existieren darf – das hätte nicht passieren können, wenn unsere Vorschläge für eine wirklich gerechte, nicht diskriminierende Sprache befolgt worden wären. Denn dann hätte Merz statt dem bösen Wort „Sozialtourismus“ diskriminierungsfrei und demokratisch gesagt:

„xxxxxxxxxx“.


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