Liebe Werber,
das hier liest man – ob man will oder nicht – derzeit an jeder dritten Plakatwand und auf jedem dritten Video-Reklamedisplay:
Wie schön. Werbung pur, beziehungsweise ihre Essenz. Ihr inhaltlicher Kern, ihre DNA. Quatsch zum Quadrat. Sinnlosigkeit in hypnotischer Form.
Vorschlag: Ihr macht das jetzt mal konsequent mit allen Plakaten und Displays so, und dann belassen wir es dabei. Für immer. Es hätte sogar einen ästhetischen Reiz. Und würde ein für allemal deutlich machen, an was für einem Übermaß an Orten in Stadt und Land ihr meine Augen und meine Intelligenz bislang gepeinigt habt.
Was? Das bleibt nicht so? Da kommt demnächst schon die Auflösung des Rätsels? Neue Plakate, auf denen sich das Bla Bla in die Botschaft eines Online-Providers oder einer Bank, einer Telefonfirma oder einer Versicherung verwandelt?
Und das ist dann ganz furchtbar smart und unglaublich werbewirksam in seiner psychologisch ausgeklügelten Mehrstufigkeit (auf die ich als unfreiwilliger Multiplikator ja schließlich auch angesprungen bin)?
Glückwunsch.
Aber nochmal, Werber: Können wir es diesmal nicht dabei belassen?
Denn schaut mal, ich will euren Scheiß nicht. Ich brauche ihn nicht. Ich habe ohnehin auch kein Geld dafür übrig. Und ich nehme ganz gewiss keinen Kredit auf dafür.
Die Polkappen schmelzen. Die Meeresspiegel steigen. Die Jahreszeiten verschieben sich. Die Durchschnittstemperatur steigt. Die Ressourcen der Welt schwinden, Kriege werden darum geführt. Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher. Der Müll nimmt zu, die Plastikstrudel in den Weltmeeren breiten sich aus. Meerestiere und Seevögel ersticken daran. Ozeane sind überfischt. Regenwälder werden abgeholzt. Fabriken dürfen noch mehr Dreck in den Himmel jagen. Die CO2-Werte steigen. Starkregen, Stürme und Überflutungen werden häufiger. Trinkbares Wasser wird knapp. Tausende Tierarten sterben aus. Korallenriffe bleichen und gehen zugrunde. Die Atemluft in vielen Weltregionen ist vergiftet. Landschaften werden zersiedelt oder zu Agrarsteppen. Bienenvölker werden vernichtet. Gletscher gehen zurück. Bauern müssen ihre Existenzen aufgeben und sich in Megacities als Tagelöhner oder Schlimmeres verdingen. Und wer sich sein Leben noch leisten kann, wird von euch mit hohlem Konsumterror bombardiert: mehr, mehr, mehr!
Jeden verdammten Tag, 365 Tage im Jahr, jedes Jahr mehr.
Aus all diesen Gründen will ich nicht wissen, was die Auflösung von Bla Bla Bla ist. Und ich will nicht das Produkt, für das euer Bla Bla Bla steht. Nicht mal, wenn es scheinbar ganz vertrauenheischend daherkommt, ganz menschlich, ganz wir-haben-verstanden-mäßig. Denn ich glaube euch keinen Augenblick, dass ihr etwas anderes als mein Geld wollt (oder meine Daten, eine andere Währung). So teuer, wie diese Kampagne ist, müsst ihr mir sogar noch mehr aus der Tasche ziehen als sonst, damit sich das gelohnt hat.
Bla Bla Bla. Ihr könnt mich mal.
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Nachtrag, 24.3.:
Das Bla Bla Bla hat sich als ein Nachrichtenportal enttarnt. Claim: „News ohne Bla Bla Bla.“
Ah, ja. Dann woll’n wir doch mal schauen. Oh, ich werde da durchgängig geduzt! Nachrichten für die ADHS-Generation also; mich betrifft das gar nicht mehr, gottseidank. Das innovative Konzept: Statt „Bla Bla Bla Bla Bla Bla Bla Bla Bla Bla“ (Die Zeit) nur noch „Bla“ (neues Nachrichtenportal, made in Switzerland). Das war also schon mal nicht gelogen von der Reklame.
Ganz kurzes Bla, dafür aber richtig! Beispiel-Schlagzeile: „Hier sind 8 Politiker, die Tassen halten“. Im zugehörigen Beitrag dann 8 Fotos von Tassen haltenden Politikern, z.B. von diesem: „Cem Özdemir im Jahr 1997. Mit Ohrring, breitem Grinsen und Tasse mit chinesischen Schriftzeichen. Die 90er in einem Bild, wenn man so will.“
Wenn das kein kurzes Bla ist! Und sie wollen nicht mal Geld dafür, jedenfalls nicht von mir bzw. von dir. Sondern bloß von ihren Werbekunden, die wie immer 1000-mal wichtiger sind als der vollverblödete News-Konsument und Datenlieferant. Von dem wollen sie nur Daten. Und Likes. Und Facebooks-Shares. If the product is free, you are the product.
Bla Bla Bla. Gähn.