Da draußen gibt es Einnahmequellen, die wir im 21. Jahrhundert nicht mehr auf der Rechnung hatten. Aber sie sprudeln trotzdem immer weiter. TWASBO besucht längst totgesagte Märkte, die vermutlich ewig leben.

Wenn einem die eigene Frau (verheiratet seit 14 Jahren) plötzlich in einer Art Burka für Raumfahrer entgegenkommt, kann es schon mal passieren, dass man sie nicht auf den ersten Blick von dem hauptamtlichen Imker in ihrer Begleitung unterscheiden kann. Tipp für Neugierige: Es ist die Dame rechts im Bild.

Der Anlass für die Maskerade: Unsere Bienen sind da! Es war nämlich so, dass das drohende Aussterben der Bienenvölker in Deutschland die Dame des Hauses dauerte. (Achtung, junge Generation: Der Ausdruck „Etwas dauerte sie“ ist kein falsches Deutsch und es dauerte hier nicht zeitlich kurz oder lang, sondern es handelt sich um eine ebenfalls vom Aussterben bedrohte Wendung im Sinne von: Sie bedauerte es, es brach ihr das Herz. Öfter mal Grimms Märchen lesen!)

Um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und Bienen, Blüten, Obst und Honig gleichzeitig vor dem Aussterben zu bewahren, hat meine Frau also jetzt den Imkerschein gemacht. Ältere TWASBO-Leser werden sich entsinnen, dass in unserem Haushalt ein Wettkampf um den Besitz potenziell nahrungsmittelergänzender Befähigungsnachweise tobt. Und ihr Kursleiter war eben jener Herr, der links im Bild gerade unsere neu bevölkerte „Beute“ inspiziert, wie wir Fachleute einen Bienenstock nennen.

Ich konnte mich ja zunächst nur schlecht an den Gedanken gewöhnen, dass in unserem Garten mehrere hundert Bienen gleichzeitig herumbrummen sollten. Und meine Sorgen wurden nicht geringer, als ich vorsichtig fragte: „Sag mal, wie groß ist denn dieses Bienenvolk so, das du da im Internet bestellt hast?“ (Richtigstellung: Nicht die Bienen kommen aus dem Internet, sondern die Raumfahrer-Burkas, nämlich aus China und für einen Preis, der einem die Schamröte ins Gesicht treiben müsste, wenn es nicht schon der eigene Anblick darin täte:)

Zurück zur Bienenfrage. „Ach, es ist nur ein kleines Volk“, antwortete die Dame des Hauses, „so etwa 10.000 Exemplare“. Die sie übrigens dann samt Beute in unserem Opel in unseren Garten transportiert hat, nicht ohne klugerweise zuvor das Ausflugloch der Beute zu verstopfen. Vom Parkplatz aus ging es dann mit der Schubkarre in den Garten. Mit einer Schubkarre voll zehntausend lebender Honigbienen (und einer Königin.)

Es stellte sich dann im Gespräch mit dem Profi-Imker heraus, dass aus den 10.000 im Sommer auch schnell mal 30.000 werden können. Im Winter hingegen vollbringen die dann nicht ganz so zahlreichen Wesen das kleine Wunder, bei -10 Grad Kälte durch Zusammenglucken und Flügelschlagen in der Beute und unter dem Einfluss von reichlich Zuckerwasser als Ersatztreibstoff eine Innentemperatur von +30 Grad zu erzeugen. Würde man also eine umbehandschuhte Hand auf das Dach der Beute legen (was man ganz, ganz bestimmt nicht täte), dann wäre das der perfekte Gartenofen.

Noch aber ist Herbst, die Sonne scheint derzeit noch reichlich, die Bienchen schwirren herum (nein, Rechtschreibkorrekturprogramm, es soll nicht „Bierchen“ heißen!) und es ist eine reine Freude. Die Viecher fangen sogar schon an, aus so gut wie nichts einen Honig zu machen! Und ihre Königin füttern sie fürstlich. Obwohl: Damit wäre eine Königin wohl kaum zufrieden. Königlich, dann eben.

Gestochen hat uns übrigens noch gar keine, weder mit noch ohne Burka am Leib. Auch unseren Pflaumenkuchen, am Tisch zehn Meter weiter, wollten mal wieder nur die Wespen. Die sind sogar so dreist, in die Beute einzufliegen, dort die erstbeste Biene totzubeißen (nein, Rechtschreibkorrekturprogramm, es soll nicht „totzureiten“ heißen) und mit kleinen Stücken davon wieder abzuschwirren.

Es wird toll werden, die ersten 500-Gramm-Gläser Hausmarke-Honig an nichtsahnende Bioladenkonsumenten für 15 Euro zu verticken (nein, Rechtschreibkorrekturprogramm, es soll nicht „verstricken“ heißen). Kein Witz, es gibt „Biohonig“ für 15 Euro das Glas! Aber nein, wir sind nicht so: Fünf, sechs Euro, das ist ein reeller Preis.

Damit verdient meine Frau dann auf jeden Fall mehr mit einem Glas als ich mit einem Roman. Und die Bienen sterben nicht aus. So ist allen geholfen.

(Disclaimer: Bevor man in Deutschland Honig „in Verkehr bringen“ darf, muss man offenbar eine Art „Lebensmittel-in-Verkehr-bring-Diplom“ machen. Das hat meine Frau jetzt dann auch vor – wodurch sie im hausinternen Nahrungsergänzungsdiplomwettbewerb 2:1 in Führung gehen würde. Wie ziehe ich jetzt nach?)


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