Frauen dürfen in der Werbung jetzt endlich peinliche Versagerinnen sein, die an der Qualifizierung für die Welt der Erwachsenen scheitern. Das war bislang Männern vorbehalten, dadurch aber natürlich ein sexistisches Privileg.

Dies ist einer der „frechen Sprüche“ (Fachmagazin Horizont) aus der jüngsten Plakatkampagne für Snacks der Firma ültje GmbH. So etwas funktioniert nur in Deutschland: die Assoziationskette vom Ausgangspunkt „Studentenfutter“ über „Dauerstudentin“ zu „selbstbewusste, coole, witzige Rebellin“. 38 Semester sind 19 Jahre. Hätte die Abgebildete mit 18 ihr sogenanntes Studium begonnen, wäre sie jetzt also 37. Glückwunsch zur Mitte des Lebens!

Für den asiatischen Markt hingegen sollte der Hersteller aus Schwerte seine Reklamestrategie von der Kölner Agentur serviceplan unbedingt überarbeiten lassen. In den fernöstlichen Tiger-Staaten mit ihren rasant aufstrebenden Mittelschichten könnte üljte womöglich damit punkten, dass die proteinreiche Nussmischung fördernd auf die Hirndurchblutung wirkt. So unterstützt der Snack Studierende in Asien dabei, sich in kürzerer Zeit mehr Wissen anzueignen, um daraufhin einen zukunftssicheren Beruf zu ergreifen und die eigenen kreativen Potenziale optimal auszuschöpfen.

Hamburg, wo ich das Plakat zuletzt vor einigen Wochen gesehen habe, liegt nicht in Asien. Um die sich wandelnde Zielgruppe nicht aus dem Blick zu verlieren, muss Reklame aber auch hierzulande gelegentlich etablierte Tabus brechen, sofern überhaupt noch möglich. Den Firmen ültje und serviceplan ist das mit der revolutionären OGWV-Formel gelungen: Offensives Glorreiches Weibliches Versagen.

Seit Ewigkeiten nämlich galt die eiserne Werber-Regel, dass der Trottel- und Loserdarsteller in Spots und Anzeigen stets ein (weißer) Mann zu sein hat. Auf dessen Kosten erscheint das weibliche Konsumenten-Model dann umso smarter – eine Rollenverteilung, die von der Angst vor feministischen Shitstorms diktiert war. Heute, wo sie sich ihrer Sache offenbar ganz sicher sind, präsentieren also dank OGWV-Formel endlich junge Frauen das sympathische Gesicht der deutschen Bildungskatastrophe. In Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur. Die Sozialwissenschaften nicht zu vergessen.

In all diesen Domänen sind Twenty- und Thirtysomethings (w/m/d) eines bestimmten Typs völlig damit ausgelastet, sich für ihr Nichtwissen und Nichtkönnen gegenseitig Denkmäler zu errichten: als gleichzeitig unangepasste und politisch korrekte Lifestyle-Ikonen. Da bleibt keine Zeit, sich groß mit Spießerkram wie Lernfleiß oder gar herausragenden Leistungen abzugeben – und wozu auch, wenn man zumal als Frau gar nicht mit Besseren (womöglich Asiaten) konkurrieren muss. Geht es nach der üljte-Werbung, braucht die 38-Semester-Veteranin den Zugang zu den Pfründen der Führungsebene nur mit schrill ironischer Opfer-Attitüde einzufordern. Den vulgären Sexismus dieser Attitüde darf sie natürlich als Antisexismus verkaufen:

Keine Angst, heute funktioniert das. Wie gesagt: in Deutschland. Don’t try this in Asia, girls!