Selbstlose Propheten des Weltuntergangs oder hysterische Studienabbrecher am Rande des Nervenzusammenbruchs? Die Klimaaktivisten machen weiter, ob mit Pattex, Tomatensuppe oder Kartoffelbrei. Inzwischen sogar mit Verkehrstoten. Das Ende naht … leider noch nicht.

Vor gut einem halben Jahr spottete ich hier noch über die Umtriebe der „Letzten Generation“, deren Vertreter sich zu der Zeit gerade zahlreich auf die Fahrbahnen klebten. Die einleitende Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ erwies sich dabei als prophetisch, denn die öffentliche Kleberei geht nicht nur fleißig weiter, sie hat längst auch neue Aktionsräume fernab der Straße für sich entdeckt. Aktionskunst gehört ins Museum, dachten sich offenbar die neuesten Ableger des Klimaaktivismus und pappten sich im Oktober an die Wände von Gemäldegalerien – nicht ohne die alten Meister vorher noch mit dem eigenen Mittagessen zu verzieren. Anschließend wurden die üblichen Doomsday-Botschaften in die stets zahlreich anwesenden Smartphone-Kameras gebrüllt und fertig war das Happening!
Die bisher entscheidende Frage der Bewegung „Patex, Uhu oder Fugenkleber?“ wurde so noch um die Problemstellung „Gestampft, püriert oder instant?“ erweitert. Denn was noch recht aufsehenerregend mit Van Gogh und einer Dose Tomatensuppe begann, wurde bald auf lokaler Ebene in Potsdam mit Claude Monet und einer Schüssel Kartoffelbrei fortgesetzt. In der ehemaligen Hauptstadt des preußischen Kartoffelkönigs Fritz musste es wohl auch eine Waffe auf Knollen-Basis sein, hier zeigten sich die Aktivisten überraschend traditionsbewusst. Mit der Medienkompetenz hapert es hierzulande allerdings noch etwas. Während die britische Suppen-Attentäterin Phoebe Plummer nach ihrer Tat durchaus eloquent und lässig Stellung bezog, heulte ihre deutsche Kollegin Mirjam Herrmann eher peinlich die Social-Media-Plattformen voll. Jede gesellschaftliche Bewegung lebt auch vom Charisma ihrer Anführer, und so wird Kartoffel-Mirjam wahrscheinlich schon bald in die zweite Reihe wechseln müssen, um die ohnehin schon infantile Truppe nicht noch weiter in die PR-Katastrophe zu reiten.
Derweil klebten sich in Den Haag drei Männer an „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ (diesmal ohne den Einsatz von essbarem), einer von ihnen sogar direkt mit dem Kopf. Sollte ein zeitgenössischer Künstler nun wiederum diese Szene für die Nachwelt festhalten wollen, so kann der Titel nur „Der Junge mit dem Dachschaden“ (Sekundenkleber auf Leinwand, 2022) lauten. Bei so viel kostenloser Aufmerksamkeit muss man sich fragen, ob hinter diesen Aktionen nicht vielleicht doch die Marketing-Abteilungen der jeweiligen Museen stecken. Denn mittlerweile strömen viele Touristen wahrscheinlich weniger wegen der alten Ölschinken in die Galerien, sondern in der Hoffnung, ein paar frisch angeklebte Freaks abfotografieren zu können.

Wie soll die Öffentlichkeit nun auf den ganzen Spuk reagieren, auf die blockierten Straßen, die bekleckerte Kunst und diese pathetische Endzeitrhetorik? Neben Spott, der zugegeben zynischsten aller möglichen Reaktionen, wären da noch die gute alte bürgerliche Empörung und der Ruf nach hartem Durchgreifen gegen die „Klima-Chaoten“ (BILD-Zeitung), entnervtes Abwinken oder ein mittlerweile weit verbreitetes moralisches Stockholm-Syndrom, das den Aktivisten mehr oder weniger offen Sympathie entgegenbringt.
Objektiv betrachtet, zeigt sich der Klimaaktivismus in einer Tradition sowohl zivilen Umgehorsams als auch terroristischer Bewegungen. Die Anarchisten des späten 19. Jahrhundert prägten einst den Begriff der „Propaganda der Tat“ – radikale Änderungen lassen sich demnach nur mit radikalen Aktionen durchsetzen. Die RAF sollte dieses Motto später für ihr “Konzept Stadtguerilla” übernehmen. Auch die Klimaguerilla knüpft hier an, wobei sich deren Waffen bisher noch auf Pattex, Suppe oder selbstgerührten Brei beschränken. Die Grenze zum Terrorismus ist für viele spätestens dann überschritten, wenn die auf den Straßen Klebenden Menschenleben gefährden, indem sie die Weiterfahrt von Rettungskräften behindern. Die Aktivisten selbst bestreiten natürlich jeden Zusammenhang zu solchen Vorfällen. Gleichzeitig klingt in ihren Erklärungen aber auch immer die unbedingte Dringlichkeit einer höheren Mission durch, die nun mal auch Opfer fordert. Wo gehobelt wird, fallen Späne.
Es ist diese höhere, allem anderen übergeordnete Mission zur Rettung des Planeten und der gesamten Menschheit (minus der ein oder anderen Radfahrerin), welche den Klimaaktivismus unserer Zeit als Religionsersatz erscheinen lässt. Die jahrelangen Predigten von der drohenden Wetter-Apokalypse, die durchaus reale Herausforderungen wie Umweltverschmutzung, Ressourcenverteilung oder Überbevölkerung auf die simple und alles übertünchende Formel „Klimawandel“ reduziert hat, trägt nun Früchte. Entsprechend hysterisiert, sind die Klima-Jünger an pragmatischen Vorschlägen und wissenschaftlichen Alternativmodellen nicht mehr interessiert. Auch nicht daran, dass der Weltuntergang mit unterschiedlichen Prognosen (wahlweise Überhitzung, neue Eiszeit oder Sintflut spätestens bis zum Jahr 2000) nun schon seit mehr als 60 Jahren verkündet wird, bisher aber noch jede Deadline verfehlt hat. Nein, für sie ist es bereits fünf nach zwölf, Rettung verspricht einzig die komplette Umkehr und der Ablass von der ultimativen Erbsünde, den fossilen Brennstoffen.
Die Aktionen werden wohl weitergehen. Vielleicht wird die “Letzte Generation” demnächst drei Zentner Nudelsalat (mit veganem Dressing) auf die Bundespressekonferenz abwerfen, wir dürfen gespannt bleiben. Immerhin nähert sich der Protest langsam auch den eigentlichen Adressaten: In Berlin wurden jetzt die Parteizentralen der Regierungsampel mit Farbe attackiert, die üblichen Festgeklebten natürlich inklusive. Für die Regierung gäbe es nun noch eine andere mögliche Reaktion als die oben genannten, eine ebenso finale wie unerwartete: Sie könnte per Notstandsgesetz umgehend und konsequent auf sämtliche Forderungen der Aktivisten eingehen, alle Kohlekraftwerke schließen, den Straßenverkehr einstellen und Deutschland mit Gewalt zu einem abgasfreien Ökoparadies zurückschrumpfen. Henry Morgenthau wäre posthum beglückt und ein Großteil der Aktivisten würde wohl vor lauter Wonne und Überraschung auf der Stelle kollabieren. Alles, was es dann noch zu recyclen gäbe, wären ein Haufen iPhones, Klebstofftuben, orangefarbener Warnschutz-Westen und was die Bewegung sonst noch an Plastikmüll hinterlässt.
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