Es gibt wichtigere Ereignisse als den Tod von Königin Elisabeth. Zum Beispiel den Tod eigener Angehöriger. Dennoch rührt das Ableben der Monarchin einige Gedanken über unser noch immer obsessives Verhältnis gegenüber den Royals und anderen Krönchenträgern auf.

Es gab in den letzten Jahrzehnten immer wieder mal Zeiten, da sah es so aus, als ob andere Familien ihnen den Rang in der öffentlichen Aufmerksamkeit ablaufen würden. Die Kennedys zum Beispiel. Die Familie Beimer. Oder die Kardashians. In solchen Zeiten haben die Windsors dann einfach irgendein naives Mädchen in ihren Klan eingeheiratet und zur royalen Gebärmaschine ernannt – schon war ihnen die Gunst der internationalen Klatschpresse wieder sicher. Mit Abstand am erfolgreichsten war dieser Schachzug mit der 1997 unter viel Tamtam an die Wand gefahrenen Prinzessin Diana. Etwas weniger erfolgreich letztens mit der Amerikanerin Meghan Markle, die sich nach der Hochzeit mit Prinz Harry gerade noch rechtzeitig nach Hollywood absetzen konnte. Neben undankbaren Schwiegertöchtern und deren Neugeborenen bleibt dem britischen Königshaus im Kampf um Hingucker und Klickzahlen schließlich und endlich noch das Sterben. Elisabeth, die ewige Königin, hatte sich damit ziemlich viel Zeit gelassen. 96 Jahre alt sie geworden, ein stolzes Alter. Womit ihr Sohn Charles, Europas ältester Praktikant, im Alter von 73 Jahren nun auch endlich einen festen Arbeitsvertrag erhielt. All das scheint gerade wieder sehr wichtig zu sein. Warum? Ich weiß es nicht.
Die Frage, weshalb sich unsere Gesellschaft mehr als 300 Jahre nach der Aufklärung noch immer so obsessiv gegenüber solchen Familien verhält, steht im Raum. Der historische Verdienst des europäischen Adels bestand für den überwiegenden Teil ihrer Existenz vor allem darin, Bauern auszubeuten, Kriege anzuzetteln und die eigenen Cousinen zu heiraten. All das von Gottes Gnaden. Hinzu kamen in den letzten 70 Jahre nun noch umfangreiches Hände schütteln und langweilige Neujahrsansprachen. Für die Briten scheint all das immer noch Grund genug zu sein, ihr Königshaus mit ausreichend Steuergeldern und Bewunderung auszustatten. Sie mögen sich erfolgreich von der EU getrennt haben, die Monarchie aber ist ihnen offenbar bis in alle Zeiten hoch und heilig. Man kann das britische Königshaus auch als einen der resistentesten Parasiten der letzten Jahrhunderte bezeichnen, sein Wirt heißt Sentimentalität.
Ze Germans sollten hier aber nicht voreilig die aufgeklärten Köpfe schütteln, lassen die Hochzeiten und Beerdigungen der Royals doch auch hierzulande immer noch Millionen an ihren Bildschirmen festkleben. Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschäftigt sogar eigene Adelsexperten, die erfurchtsvoll das Treiben aus der Ferne kommentieren. Anlässlich des Todes der Queen befanden sich diese „Experten“ wieder im Dauereinsatz, so auch Frau Leontine Gräfin von Schmettow, die (der Name legt es nahe) selbst blauen Blutes ist und in der ARD gegen Bezahlung regelmäßig Insiderwissen preisgeben darf, welches sich das gemeine GEZ-Bürgertum auch in zwei Minuten selbst ergoogeln kann. Hätte es die 68er nicht gegeben, würde heute vielleicht auch Jutta Ditfurth (geborene von Ditfurth) auf diese Weise ihre Brötchen verdienen. Stattdessen trennte sie sich bereits früh vom adeligen Anhang ihres Familiennamens, verschrieb sich dem revolutionären Kampf und verliert inzwischen mehr oder weniger öffentlich auf Twitter den Verstand. Eine bewegte Karriere, die ich mir so oder ähnlich auch für die Gräfin von Schmettow und andere „Von’s“ wünschen würde, rückwirkend auch für die viel zu jung gekrönte Elisabeth. Das Leben ist kurz, auch 96 Jahre gehen schnell vorbei, und schon mancher hat kurz vor seinem Ableben ungenutzte Chancen und verpasste Abenteuer bedauert.
Nach 70 Jahren auf dem Thron werden nun aber nicht Abenteuer oder Revolutionen gewürdigt, sondern das Gegenteil: Stabilität, Beständigkeit, Halt in bewegten Zeiten. Was übersetzt nichts anderes bedeutet als dass sie einfach durchgehalten hat. Sie hat ja nie etwas anderes gelernt. Auch der ewigen Kanzlerin Angela Merkel wurde dieses “Keep calm and carry on” schon als Qualität ausgelegt. Jeden Morgen die selbe Frisur anlegen und das selbe enge Kostümchen, Jahr ein, Jahr aus, die Hand zum Gruß gedreht und “Wir schaffen das” gesäuselt. Es muss wohl die kollektive Sehnsucht nach einer ewig behütenden, tröstenden Mutter sein, die Menschen in Massen immer wieder auf so etwas hereinfallen lässt. „Wir sind von, wir sind von, Mutter weeß nur nich, von wem!“, so geht ein alter Berliner Gassenhauer. Nein, ich kann die irrationale Bewunderung für diese seltsame Kaste von Krönchenträgern und Händeschüttlern bis heute nicht nachvollziehen. Von der Ex-Adeligen Jutta Ditfurth trennen mich weltanschaulich ganze Lichtjahre, in diesem Punkt aber sind wir beide uns wohl einig.
Am Ende bleiben mir dennoch ein paar respektvolle Restgedanken. Denn auch ich habe gerade eine Beerdigung vorzubereiten, eine wesentlich privatere natürlich, und unter diesen Umständen fällt mein Urteil in der Sache wohl auch milder aus. Daher gibt es an dieser Stelle auch nichts über Kolonialismus, Jeffrey Epstein oder außerirdische Echsenmenschen zu lesen. Meiner eigenen Familie bleibt, genau wie der ebenso dysfunktionalen Windsor-Mischpoke, zum Abschied ein toter Körper, irgendwann nur noch Asche, Traurigkeit und die Erinnerung an ein langes Leben. Über das Leben der alten Dame aus England weiß ich das, was wir wohl alle wissen. Was sie wirklich über ihren Beruf und ihre seltsame Verwandschaft dachte, haben wir nie erfahren. Müsste ich ihre Grabrede halten, würde ich vielleicht noch erwähnen, dass sie gerne Lockenwickler trug und auf einer Briefmarke gelandet ist. Der Rest ist Firlefanz.
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